Vergewaltigungsprozess mit hellhörigem Nachbarn
Ein 41-Jähriger soll nach einem Lokalbesuch eine Betrunkene in deren Wohnung vergewaltigt haben. Er sagt, die Verletzungen der Frau stammten von „hartem Sex“. Nicht erklären kann er sich, warum der Nachbar frühmorgens die Polizei gerufen hat.
Wien – „Ich bin mit einem Freund in mein Stammlokal gekommen. Sie ist gleich her und hat mich angeschmust“, schildert Damir P., wie die Geschichte mit Frau H. in den frühen Morgenstunden des 25. September begonnen haben soll. Geendet hat sie für den 41-Jährigen vor einem Schöffengericht unter Vorsitz von Andreas Böhm – P. soll die Frau nämlich nach dem Lokalbesuch in deren Wohnung vergewaltigt haben.
Stimmt nicht, beteuert der geschiedene Familienvater. Es seien einvernehmliche geschlechtliche Handlungen gewesen. Er habe die Betrunkene und ihren Hund nach Hause gebracht. „Vor ihrer Wohnungstür hat sie mich gefragt, ob ich ein Kondom dabeihabe.“Hatte er nicht. Als sie die Tür von innen schloss, sei ihm aufgefallen, dass ihre Schlüssel noch außen stecken. „Ich habe dann geklopft, um sie ihr zu geben, da hat sie aufgemacht und gesagt, sie habe ein Kondom.“
So, wie es der gut 100 Kilogramm schwere Vorbestrafte schildert, habe es die zierliche Frau kaum erwarten können, mit ihm zu verkehren. Im Schlafzimmer sei sie sogar gestürzt, dabei müsse sie sich wohl die vom Arzt diagnostizierte Wunde am Hinterkopf zugezogen haben.
Auch für die Tatsache, dass Frau H. Kopfhaare ausgerissen wurden, sie Würgemale und mehrere Hämatome hatte, bietet der Angeklagte eine Erklärung. „Beim Sex greif ich halt überall hin, auch ein bisschen härter“, sagt er. „Wir haben aber auch gekuschelt.“Daher sei man gemütlich im Bett gelegen, als es um etwa 5.15 Uhr an der Tür klopfte.
Es war die Polizei, die ein junger Nachbar alarmiert hatte. „Sie hat laut ,Nein, bitte, geh!‘ geschrien“, erzählt Milan J. dem Gericht. „Erst habe ich mir noch nichts gedacht, aber dann habe ich ,Hilfe, Polizei!‘ gehört.“Die Beamten hielten bei ihren Ermittlungen fest, Frau H. habe „weinerlich, ängstlich und aufgelöst“gewirkt, als sie die Tür öffnete.
Der Angeklagte kann sich weder das noch die Sache mit den Hilferufen erklären. Er habe keine gehört. „Der Nachbar hat also paranoide Wahnvorstellungen? Das ist aber nicht recht überzeugend“, kann sich Böhm nicht verkneifen.
Verteidiger Rudolf Mayer baut auf zeitliche Ungereimtheiten. Sein Mandant und dessen damaliger Zechbruder sagen, P. und Frau H. seien schon eineineinhalb Stunden vor dem Polizeieinsatz aus dem Lokal gegangen. „Ein fast zweistündiger Kampf ist unmöglich“, argumentiert Mayer.
Seinen Antrag, die Rufdaten seines Mandanten und des Zeugen auswerten zu lassen, lehnt das Gericht dennoch ab. In der Begründung für die nicht rechtskräftige unbedingte fünfjährige Haftstrafe erklärt Böhm, warum. Der Zeitpunkt, wann das Paar das Lokal verlassen habe, sei irrelevant. Schließlich habe die Frau bei ihrer Aussage vor Gericht gesagt, sie habe sich zunächst nicht gewehrt.
Für Böhm war die Zeugin „absolut glaubwürdig“. Und vor allem: „Warum sollte ein völlig unbeteiligter Nachbar die Polizei rufen? Und die Frau sofort von Vergewaltigung sprechen, sobald die Beamten da sind?“, fragt er den schluchzenden Angeklagten rhetorisch.