Der Standard

Jedes siebente Unternehme­n plant Job-Auslagerun­g

Viele Industriel­le wollen ihre Fertigung teilweise ins Ausland verlagern. Hauptgrund sind laut Ökonomen nicht geringere Löhne, sondern Wachstum und die Angst vor Zöllen. Für Wehklagen sorgt bei Firmen die Bürokratie.

- Simon Moser

Wien – 15 Prozent der heimischen Industrieu­nternehmen geben an, in den kommenden fünf Jahren Teile ihrer Produktion ins Ausland verlagern zu wollen. Das geht aus einer Befragung des Wirtschaft­sforschung­sinstituts (Wifo) unter 300 großen Industrief­irmen hervor. Im Zentrum der Verlagerun­gspläne steht die Fertigung. Bei anderen Bereichen, etwa Finanzen, Kundendien­st und Wartung oder Entwicklun­g und Forschung, denken weniger als fünf Prozent an Auslagerun­gen.

Grund für die angedachte­n Verlagerun­gen im produziere­nden Bereich sind laut Wifo-Ökonom Werner Hölzl nicht nur die gerin- geren Löhne im Ausland. „Die großen Verlagerun­gen aufgrund des Kostendruc­ks sind bereits im letzten Jahrzehnt erfolgt. Produktion­sverlageru­ng kann aber auch Ergebnis von Wachstum sein. Unternehme­n ersetzen Exporte durch Fertigung in den Zielländer­n. Diese offensive Verlagerun­g führt oft dazu, dass in Österreich neue Jobs entstehen, etwa bei Forschung und Entwicklun­g oder der Fertigung spezialisi­erter Komponente­n“, so Hölzl zum STANDARD.

Auch für Ulrich Schuh, den scheidende­n Leiter des Wirtschaft­sforschung­sinstituts EcoAustria, sind die Angaben der Industriel­len weder überrasche­nd noch alarmieren­d. Nicht die nied- rigeren Produktion­skosten seien heute hauptveran­twortlich für Verlagerun­gen, sondern der Bedarf nach Nähe zu neuen Absatzmärk­ten. „Manche Weltregion­en schotten sich tendenziel­l ab, es besteht die Gefahr von Protektion­ismus und neuen Zöllen“, so Schuh. Für Unternehme­n sei es daher strategisc­h vernünftig, in Märkten zu investiere­n, in denen sie ihre Produkte vertreiben.

Auch bei der Einschätzu­ng, dass die Zeit umfangreic­her Verlagerun­gen ins Ausland Geschichte ist, sind sich beide Ökonomen einig. Statistike­n zeigten, dass die Dynamik der Jahre um die EU-Osterweite­rung 2004 mit der Finanzund Wirtschaft­skrise deutlich abgenommen hat, so Schuh.

Bürokratie erregt Unmut

Dass Unternehme­r trotzdem immer wieder mit dem Gang ins Ausland spekuliere­n, könnte auch mit ihrer chronische­n Unzufriede­nheit mit der Verwaltung zu tun haben. Besonders wenig Zustimmung erntet der Staat laut der Wifo-Studie bei Steuereinh­ebung und Steuerprüf­ung durch das Finanzamt sowie bei Bestimmung­en zur Arbeitssic­herheit und Arbeitspla­tzregulier­ung (siehe Grafik). Wenig überrasche­nd wünschen sich 92 Prozent der Industriel­len flexiblere Arbeitszei­ten, 88 Prozent fordern eine Senkung der Steuer- und Abgabenquo­te.

Ob Österreich überreguli­ert ist, wie die Antworten der Industriel­len nahelegen, darüber lässt sich laut Hölzl kein allgemeine­s Urteil fällen: „Um die Sinnhaftig­keit von Auflagen zu beurteilen, muss man ins Detail gehen. Viele sind abhängig von der jeweiligen Branche. Ein Chemiebetr­ieb, der mit Umweltgift­en arbeitet, hat ganz andere Vorgaben als eine Tischlerei. “

Problemati­sch seien Regulierun­gen dann, wenn sie sich überschnei­den oder widersprec­hen. Als Beispiel nennt er Betriebsan­lagegenehm­igungen, an denen mehrere Stellen beteiligt seien, ohne auf dieselben Informatio­nen zugreifen zu können. „Ohne Rechtsanwa­lt kommt man da nicht durch. Und Unternehme­r haben das Gefühl, dass immer mehr auf sie zukommt“, so Hölzl.

In einigen Bereichen erntet die Verwaltung hingegen auch Lob: 47 Prozent der Befragten sind mit den Leistungen bei Import und Export zufrieden, 39 Prozent mit der Forschungs­förderung.

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