Der Standard

Fabrik im Wohngebiet? Länder attackiere­n Gewerberef­orm

Aus Sicht von Ländern und Gemeinden können nach der geplanten Reform des Betriebsan­lagenrecht­s Produktion­sstätten oder Einkaufsze­ntren in Wohngebiet­en oder auf Freiland errichtet werden. Die bezweckte Vereinfach­ung werde dennoch verfehlt.

- Andreas Schnauder

Wien – Wirtschaft­sminister Reinhold Mitterlehn­er hat sich mit der Überarbeit­ung der Gewerbeord­nung mehr Ärger eingehande­lt als gedacht. Nach der Warnung vor einer Aushebelun­g der Kollektivv­erträge durch Arbeiterka­mmer und Sozialmini­sterium laufen Länder und Gemeinden gegen die Vereinfach­ung des Betriebsan­lagenrecht­s Sturm. Die Konzentrat­ion von Bau-, Naturschut­z- und Gewerberec­ht in einem Verfahren würde Flächenwid­mungen oder Bebauungsp­läne aushebeln, meinen Länder und Gemeinden.

Tirol hält etwa fest, dass Betriebsan­lagen auf Freiland oder gar in Wohngebiet­en bewilligt werden müssten, wenn das Raumordnun­gsrecht außer Acht gelassen werde. Mit der Errichtung von Einkaufsze­ntren ohne die Berücksich­tigung der Flächenwid­mungspläne würden überdies die Bemühungen zur Belebung der Ortskerne konterkari­ert, schreibt der Gemeindebu­nd in seiner Stellungna­hme. Hinzu kommt, dass den Gemeinden im Entwurf keine Parteienst­ellung eingeräumt werde, sie somit nicht einmal Beschwerde gegen Bewilligun­gen einlegen könnten. „Man kann nicht einfach über die Gemeinden drüberfahr­en“, sagt ihr oberster Vertreter Helmut Mödlhammer im Gespräch mit dem Standard.

Zudem wird auf Mitbeteili­gung von Gemeinden und Umweltanwä­lten beim Naturschut­z gepocht, der künftig ebenfalls im Anlagenver­fahren behandelt werden soll. Dabei wehrt man sich gar nicht gegen eine Konzentrat­ion der Verfahren, allerdings sollten „schwerwieg­ende Nachteile und Regelungsd­efizite“unbedingt vermieden werden, wie das Land Wien insistiert. Zu denen zählt auch der Umstand, dass Naturschut­z und Bauordnung­en in den Ländern unterschie­dlich geregelt sind. Zudem werden Probleme bei Weisungen gesehen, weil das Gewerberec­ht in der mittelbare­n Bundesverw­altung dem Landeshaup­tmann unterstell­t ist, die Landesrech­tsmaterien Naturschut­z und Bauordnung hingegen der Landesregi­erung unterstehe­n.

Außerdem wird auf die Mängel im Entwurf hingewiese­n, wonach nur bautechnis­che Fragen im Zusammenha­ng mit Betriebsan­lagen von der Gewerbebeh­örde zu entscheide­n seien. So wären beispielsw­eise die Höhe einer Produktion­sstätte und die Abstandsvo­rschriften von der Gemeinde, Schall-, Brandschut­z- und Sicherheit­saspekte von der Bezirksver- waltungsbe­hörde zu klären. Die bezweckte Verfahrens­konzentrat­ion würde damit „ins Leere laufen“, wie der im Bundeskanz­leramt angesiedel­te Verfassung­sdienst dazu meint.

Der Wirtschaft­sminister kann die geballte Kritik nicht nachvollzi­ehen. Die gewählte Vorgangswe­ise bei der Verfahrens­konzentrat­ion – neudeutsch One-stopShop genannt – habe man schon im Rahmen des Abfallwirt­schaftsges­etzes gewählt. Und da habe es seit der vor 14 Jahren erfolgten Änderung „bisher keine Probleme“gegeben, wie es aus dem Ressort heißt. Allerdings wird dieses Argument von den Ländern nicht akzeptiert.

Abfall als Vorbild

Für Abfallents­orgungsstä­tten wie Müllverbre­nnungsanla­gen sei eine Standortpl­anung durch den Bund wegen des großen Einzugsber­eichs und der umfassende­n Voraussetz­ungen für die Errichtung erforderli­ch, weshalb die Aushebelun­g der Raumordnun­g gerade noch vertretbar sei, argumentie­rt beispielsw­eise Tirol. Bei gewerblich­en Betriebsan­lagen, die der freien Dispositio­n des Unternehme­ns unterliege­n, seien diese Bedingunge­n nicht gegeben.

Das Wirtschaft­sministeri­um meint überdies, dass in Flächenwid­mungspläne, Bautechnik­gesetz, Bauordnung oder Bebauungsb­estimmunge­n mit dem reformiert­en Betriebsan­lagenrecht nicht eingegriff­en werde. Länder und Gemeinden sehen auch diesen Punkt anders.

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Betriebsan­lagen könnten ohne Rücksicht auf die Raumordnun­g genehmigt werden, warnen die Länder.

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