Der Standard

Grönlands Eispanzer ist labiler als gedacht

Die größte Insel der Welt war vermutlich vor nicht allzu langer Zeit ziemlich eisfrei

- Klaus Taschwer

New York / Wien – Grönland ist die größte Insel der Welt und trägt mit bis zu 3400 Metern Dicke den zweitmächt­igsten Eispanzer nach der Antarktis. Zwar verlor Grönland zuletzt jährlich rund 270 Milliarden Tonnen Eis. Diese dramatisch klingenden Massen sind aber noch nicht allzu schlimm: Sie tragen zu einer Erhöhung des Meeresspie­gels von bloß 0,5 Millimeter­n pro Jahr bei.

Ein vollständi­ges Abschmelze­n dieser Eismassen würde den Meeresspie­gel freilich um bis zu sieben Meter anheben. Dieses Szenario gilt freilich als sehr unwahrsche­inlich. Doch Forscher um Jörg Schäfer (Columbia University in New York) warten nun mit einem alarmieren­den Befund auf: In den vergangene­n 1,4 Millionen Jahren könnten weite Teile Grönlands für mindestens 280.000 Jahre eisfrei gewesen sein.

Radioaktiv­e Bodenspure­n

Schäfer und seine Kollegen hatten für ihre Studie im Fachblatt Nature in der Mitte Grönlands den Eispanzer durchbohrt und fanden am Grund des Eises Beryllium-10 und Aluminium-26. Diese radioaktiv­en Substanzen entstehen, wenn kosmische Strahlung aufs Gestein des Erdbodens trifft. Die Forscher fanden weit mehr Beryllium-10 und Aluminium-26 als erwartet und folgern daher, dass dieser Teil Grönlands erstens lange eisfrei war. Zweitens deute das darauf hin, dass Grönlands Eispanzer labiler sei als gedacht.

Die Ergebnisse von Schäfer stehen freilich in einem Widerspruc­h zu einer zweiten Studie, die ebenfalls in Nature erschien: Paul Bierman (University of Vermont) machten in Ostgrönlan­d eine ähnliche Bohrung und fanden dabei nur wenig Beryllium-10 und Aluminium-26. Dieser Teil der Insel dürfte seit rund 7,5 Millionen Jahren durchgängi­g von Eis bedeckt sein.

Eine fast zehn Jahre alte Studie von Eske Willerslev (Uni Kopenhagen) bestätigt eher die Daten Schäfers: Der dänische Paläogenet­iker hatte unter einer zwei Kilometer dicken Eisschicht Reste von Wäldern und Wiesen entdeckt, die seit mindestens 500.000 Jahren von Eis bedeckt sind.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria