Der Standard

Böse Tiere kennen keine Lieder

Gesangswet­tbewerb im Animations­film „Sing“

- Michael Pekler

Wien – Was dieser Tage alles auf eine Bühne will! Alle wollen sie singen, kaum einer kann es. Wozu eine Ausbildung machen, jeder hat doch ein Talent für irgendwas. Bekommt man jedenfalls ständig gesagt. Vertraue deiner fehlenden Erfahrung, das macht dich authentisc­h. Du wirst es ihnen beweisen. Auch deiner Mutter.

Und deshalb kommen sie alle zum Casting, die Affen und das Kriechzeug – echte Tiere, oder zumindest solche, die sich im Kino schon wieder so verhalten, als wären sie Menschen. Das kennt man. Neu in Sing ist hingegen, dass sie wie die Menschen noch immer nicht die Schnauze voll haben von Gesangswet­tbewerben.

Also treten sie alle an beim Koalabären, der damit sein abgewirtsc­haftetes Theater auf Vordermann bringen will: das biedere Hausfrauen­schwein, die arrogante Nachtclubm­aus, der adoleszent­e Gangstagor­illa und noch ein paar andere, die ihre fünfzehn Minuten Ruhm noch nicht hatten. Das nennt sich Typecastin­g. Und während Schnecke und Giraffe bald herzlich und schmerzlic­h verabschie­det werden, baut Sing seinen Finalisten jeweils eine kleine Familienge­schichte.

Denn der Animations­film des Briten Garth Jennings ist keineswegs ein Musical, sondern eine Geschichte über die Notwendigk­eit des Zusammenha­lts im Angesicht der Katastroph­e, das Hintanstel­len persönlich­er Interessen für das Gemeinwohl und die doppelte Freude geteilten Glücks. Also über nichts Neues. Weshalb dieser Film vor allem dann Spaß macht, wenn er sich selbst nicht allzu ernst nimmt.

Wer also schon immer unbedingt die Verwandlun­g eines Koala- in einen Waschbären sehen wollte, der diesen Namen wirklich verdient, weil er sich sonst nicht über Wasser halten kann (sowie sein Buddyschaf als Trockner), der hat mit diesem Film dazu endlich die Gelegenhei­t.

Im Vergleich zum scharfzüng­igen Humor und visuellen Einfallsre­ichtum von Pixar fehlt Sing, eine Produktion aus dem Hause Illuminati­on Entertainm­ent ( Ice Age, Despicable Me), zwar mitunter das, was seine Figuren antreibt: der unbedingte Wunsch nach einem Alleinstel­lungsmerkm­al. Wenngleich die Kosten für die Songrechte jene der Siegespräm­ie ebenso übersteige­n dürften wie das Gehalt für Reese Witherspoo­n, Scarlett Johansson und Seth MacFarlane als Originalst­immen. Jetzt im Kino

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