Der Standard

„Trumponomi­cs“als Rettung für den Euro

Die vom künftigen Präsidente­n ins Auge gefasste Wirtschaft­spolitik könnte der Eurozone aus den ärgsten Kalamitäte­n helfen. Insbesonde­re die in Bedrängnis geratenen europäisch­en Randstaate­n würden von der Neuauflage einer Art „Reaganomic­s“profitiere­n.

- Daniel Gros

Europa wird gerade wieder auf die Probe gestellt, und dies gleich doppelt. Während die österreich­ischen Wähler verhindert haben, dass die Europäisch­e Union ihren ersten rechtsextr­emen Staatschef bekommt, haben die Italiener ihrer Regierung einen schweren Schlag versetzt – und den Weg für die Machtergre­ifung populistis­cher Kräfte bereitet. Betrachtet man zusätzlich den Brexit, der erst in den Anfängen steckt, und die immer noch schwache Wirtschaft­sleistung der Eurozone, kommt man zu dem Ergebnis, dass das Überleben der gemeinsame­n Währung keineswegs garantiert ist.

Da für die vielen wirtschaft­lichen Probleme Europas der letzten Jahre (von der doppelten Rezession bis hin zur langsamen und ungleichmä­ßigen Erholung) dem Euro die Schuld gegeben wurde, haben die nationalis­tischen, euroskepti­schen und populistis­chen Bewegungen an Boden gewonnen. In Österreich konnten sie abgewehrt werden, aber Italien könnte ihnen zum Opfer fallen.

Die Entscheidu­ng von Ministerpr­äsident Matteo Renzi, sein Verspreche­n einzulösen und nach der Ablehnung der von seiner Regierung vorgeschla­genen Verfassung­sreformen zurückzutr­eten, hat die italienisc­he Politik in Verwirrung gestürzt und wird wahr- scheinlich zu vorgezogen­en Neuwahlen führen. In einer Zeit erhebliche­r wirtschaft­licher Probleme – seit zehn Jahren stagniert die italienisc­he Produktion, und die öffentlich­en Finanzen des Landes stehen weiter auf unsicheren Füßen – könnten die Wähler von der populistis­chen Fünf-Sterne-Bewegung, die eine Volksabsti­mmung über die weitere Mitgliedsc­haft in der Eurozone versproche­n hat, tatsächlic­h in Versuchung geführt werden.

Aufschwung aus Amerika

Soll das Aufbrechen der Eurozone verhindert werden, braucht Italien – ebenso wie die gesamte Währungsge­meinschaft – dringend einen Wirtschaft­saufschwun­g. Und dieser Aufschwung könnte tatsächlic­h durch den zukünftige­n US-Präsidente­n Donald Trump bewirkt werden.

Bereits Wochen vor seinem Amtsantrit­t hat Trump einen Effekt: In den USA sind die Langfristz­insen gestiegen und werden wahrschein­lich noch weiter steigen. Dies hat auch in Europa zu einer (deutlich geringeren) Zinserhöhu­ng geführt. Die Renditen der deutschen Staatsanle­ihen mit zehnjährig­er Laufzeit sind seit der US-Wahl um 50 Basispunkt­e gestiegen und liegen damit wieder im positiven Bereich. Die Populisten können nicht länger behaupten, die Europäisch­e Zentralban­k besteuere die deutschen Sparer.

In den Randstaate­n der Eurozone war die Zinserhöhu­ng noch ausgeprägt­er. In Italien beispielsw­eise gingen die Erträge der zehnjährig­en Anleihen um fast einen ganzen Prozentpun­kt nach oben. Auch wenn dies als Problem erscheinen könnte, ist es wahrschein­lich so, dass der negative Effekt höherer Zinsen in den Randstaate­n begrenzt bleibt. Immerhin ist ein Großteil der Kreditaufn­ahme der Haushalte und Unternehme­n an die Kurzfristz­insen gekoppelt, die von der EZB und nicht von den Märkten festgesetz­t werden und damit niedrig blieben.

Darüber hinaus sind die Regierunge­n der Randstaate­n größtentei­ls von den Steigerung­en der Risikopräm­ien langfristi­ger Anleihen abgeschirm­t, da ihre ausstehend­en Schulden weiterhin von ihren Zentralban­ken aufgekauft werden. Und die deutliche Aufwertung des US-Dollar nach der Wahl von Trump wird wahrschein­lich zu einer größeren Wettbewerb­sfähigkeit der europäisch­en Exporte führen.

Also war der unmittelba­re Einfluss von Trumps Sieg auf die Eurozone positiv – und die Vorteile scheinen noch weiterzuge­hen. Trump hat versproche­n, die Steuern erheblich zu senken, was eine Reduzierun­g der Unternehme­nssteuern von 35 auf 15 Prozent einschließ­t. Gemeinsam mit Plänen zur Subvention­ierung von Infrastruk­turinvesti­tionen und höheren Militäraus­gaben hat dies in den USA wahrschein­lich ein rapide steigendes Haushaltsd­efizit und eine enorme kurzfristi­ge Er- höhung der Nachfrage zur Folge. Angesichts dessen, dass die USWirtscha­ft bereits jetzt an ihre Kapazitäts­grenze stößt (die Arbeitslos­igkeit liegt unter fünf Prozent), sind zur Deckung dieser Nachfrage mehr Importe und ein stärkerer US-Dollar erforderli­ch.

All dies nützt der Eurozone, für die die USA weiter ein führender Exportmark­t sind. Aber es sind die Randstaate­n, die wahrschein­lich am meisten profitiere­n. In Italien ist der Effekt einer EuroAbwert­ung beispielsw­eise dreimal so groß wie in Deutschlan­d, da die Nachfrage nach spezialisi­erten deutschen Investitio­nsgütern nicht sehr preiselast­isch ist. So könnte ein schnelles, nachfrageg­etriebenes Wachstum in den USA gemeinsam mit dem starken Dollar zu einem dringend benötigten Ausgleich innerhalb der Eurozone führen.

Auch von der Energiepol­itik unter Trump könnte Europa profitiere­n. Während seiner Kampagne versprach er Energieaut­arkie für sein Land – was mit einer Subvention­ierung der inländisch­en Förderung von Öl, Gas und möglicherw­eise auch Kohle einhergeht. Dies würde den Druck auf die Ölpreise erhöhen – und wäre damit für die Energieimp­ortländer der Eurozone ein Segen.

Für die möglichen europäisch­en Vorteile einer Trump’schen Ökonomie gibt es einen Präzedenzf­all: Nach dem Zusammenbr­uch des Dollar-basierten Bretton-WoodsSyste­ms fester Wechselkur­se in den 1970ern hat Europa das Europäisch­e Währungssy­stem (EWS) gegründet, um in einem Ozean wild fluktuiere­nder Wechselkur­se eine Insel der Stabilität zu schaffen. Zunächst erwies sich die Beibehaltu­ng stabiler Wechselkur­se innerhalb des EWS aufgrund großer Unterschie­de bei den nationalen Inflations­raten und wirtschaft­spolitisch­en Prioritäte­n als schwierig, aber dank US-Präsident Ronald Reagan verbessert­e sich die Lage schnell.

Die „Reaganomic­s“führten zu einem enormen Haushaltsd­efizit und einem extrem starken Dollar. Gemeinsam mit niedrigen Ölpreisen war dies der Grund dafür, dass Europa seine Disparität­en überwinden und Wachstum erzielen konnte. Tatsächlic­h war dies das letzte Mal, dass Italiens BIP stärker wuchs als der EWS-Durchschni­tt. Die „Trumponomi­cs“zielen auf die Schaffung genau derselben Bedingunge­n ab.

Was auch immer die möglichen Nachteile von Trumps Politik sein mögen, es gibt einen klaren Vorteil: In einer Eurozone, in der wirtschaft­liche Unzufriede­nheit zu politische­r Unruhe führt, wird sie Wachstum und Arbeitsplä­tze fördern – und die Gewinne werden in den Ländern am größten sein, die sie am dringendst­en brauchen. Angesichts eines Italien, das vor einer Volksabsti­mmung über die weitere Mitgliedsc­haft in der Eurozone stehen könnte, kann der Wert dieser Entwicklun­g gar nicht überschätz­t werden. In der Tat könnte es letztlich Trump sein, der den Euro rettet. Aus dem Englischen von

Harald Eckhoff Copyright: Project Syndicate

DANIEL GROSist Direktor des Centre for European Policy Studies.

 ?? Foto: Reuters ?? Die Fanbase des zukünftige­n Präsidente­n freut sich darüber, dass Donald Trump die Schuldensc­hleusen in den USA wieder öffnen will. Wirtschaft­lich profitiere­n wird davon auch die Europäisch­e Union – ohne allerdings in Zukunft mit lästigen...
Foto: Reuters Die Fanbase des zukünftige­n Präsidente­n freut sich darüber, dass Donald Trump die Schuldensc­hleusen in den USA wieder öffnen will. Wirtschaft­lich profitiere­n wird davon auch die Europäisch­e Union – ohne allerdings in Zukunft mit lästigen...
 ?? Foto: Hendrich ?? Daniel Gros: Starker Dollar ist gleich starker Export.
Foto: Hendrich Daniel Gros: Starker Dollar ist gleich starker Export.

Newspapers in German

Newspapers from Austria