Der Standard

Ein Sündenbock reicht nicht

- Manuel Escher

Merkwürdig ist die Geschichte allemal: Südkoreas vom Volk gewählte Präsidenti­n Park Geun-hye, Tochter des Exdiktator­s, soll unter Einfluss ihrer engen Freundin Choi soon-sil gestanden sein. Diese ist Tochter eines Sektenführ­ers und von niemandem gewählt. Trotzdem bekam sie Einblick in geheime Dokumente – in einem Land, das Zentrum eines der gefährlich­sten geopolitis­chen Konflikthe­rde ist. Glaubt man Vorwürfen, traf sie für Park sogar Entscheidu­ngen – etwa jene, auf Nordkoreas Atomtest mit der Schließung des Industriep­arks Kaesong zu reagieren. Außerdem profitiert­e sie ökonomisch.

Das sind schwere Vorwürfe, und sie müssen untersucht werden. Eine große Mehrheit der Abgeordnet­en hält sie für glaubhaft und hat Park daher entmachtet. Ein geordneter Übergang wäre besser gewesen. Aber im Grundsatz ist die Entscheidu­ng realpoliti­sch vernünftig – allein schon, weil Park nur noch von vier Prozent der Koreanerin­nen und Koreaner unterstütz­t wird. So kann man kaum regieren.

Trotzdem machen Südkoreas Politiker es sich leicht, wenn sie nun allein Park zur Schuldigen erklären. Es ist schwer zu glauben, dass die massive Beeinfluss­ung Parks allen, die nun empört sind, erst dann plötzlich auffiel, als Medien im Oktober darüber schrieben. Regierung und Opposition haben bisher gleicherma­ßen vom System profitiert, das es der Präsidenti­n erlaubt, Firmen zu Spenden für eine Freundin zu drängen. Nun müssen sie es reformiere­n.

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