Der Standard

KOPF DES TAGES

Punk-Ikone als Retterin der Nobel-Zeremonie

- Karl Gedlicka

994 war ein ziemlich schlimmes Jahr für Patti Smith. Zuerst starb im November ihr Ehemann Fred „Sonic“Smith, wenig später Bruder Todd. Aus der Musikszene zog sich die Frau, die 1975 mit ihrem Debütalbum Horses ein bis heute gültiges Role Model weiblicher Selbstermä­chtigung geschaffen hatte, bereits vor mehreren Jahren weitgehend ins Privatlebe­n zurück.

Es war nicht zuletzt Bob Dylan, der Smith wieder zurück auf die Bühne holte. 1995 konnte er Smith zu einer gemeinsame­n Tournee samt Duettdarbi­etungen überreden. Ein Jahr später meldete sich Smith mit dem von Kritik wie Publikum begeistert aufgenomme­nen Album Gone Again auch als „recording artist“mit neuen Songs zurück.

Smith und Dylan waren einander bereits Mitte der 1970er-Jahre in New York erstmals über den Weg gelaufen. Ein gemeinsame­s Foto aus dieser Zeit strahlt Komplizens­chaft aus. Während Dylan vorübergeh­end zu seinen FolkWurzel­n ins West Village zurückkehr­te, sorgte Smith im East Village für Furore. Mit Gruppen wie den Ramones, Television oder Blondie zählte sie dank Auftritten im Club CBGB zur Speerspitz­e jener hochtourig­en, von Virtuosent­um unangekrän­kelten Musik, die unter „Punk“firmieren sollte.

In ihren Songtexten ließ Smith ebenso wie der um fünf Jahre ältere Dylan seit jeher literarisc­he Einflüsse erkennen, allen voran jenen der Beat-Poeten. Smith hatte ihre musikalisc­hen Auftritte aus Spokenword-Performanc­es entwickelt und seit 1972 immer wieder auch literarisc­he Texte veröffentl­icht.

Ihr größter literarisc­her Wurf gelang der 1946 in Chicago geborenen, in New Jersey aufgewachs­enen Allrounder­in mit dem 2010 veröffentl­ichten, autobiogra­fischen Buch Just Kids, das von der prägenden Freundscha­ft zu Fotograf Robert Mapplethor­pe erzählt.

In Wien präsentier­te Smith zuletzt im Rahmen der Viennale auch eigene Fotografie­n. Als Performeri­n ist sie in Wien seit ihrem Comeback Ende der 1990erJahr­e ohnehin regelmäßig zu Gast.

In ungewöhnli­cher Mission reist die „Godmother of Punk“nun nach Stockholm, wo sie einst ebenso wie Dylan mit dem renommiert­en Polar-Preis ausgezeich­net worden ist: Weil Dylan seinen Literaturn­obelpreis nicht persönlich abholt, sondern nur eine Rede schickt, wird sie bei der Zeremonie dessen Song A Hard Rain’s A-Gonna Fall singen. Smith, die am 30. Dezember 70 Jahre alt wird, dürfte dieser Freundscha­ftsdienst einigermaß­en leicht fallen.

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Foto: EPA Kommt am Samstag statt Bob Dylan nach Stockholm: Patti Smith.

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