Von der Röte und den
In ihrem neuen Roman „Kapoks Schwestern“taucht Kathrin Sc ch deutsche Geschichte ein. Die Autorin bleibt auch in diesem Buch den
terreichischen Gegenwartsliteratur zu profitieren, verweist auf ihren Beruf, der ihr entfallen ist: Sie ist Schriftstellerin, die Rückeroberung der Sprache ist also ein in jeder Hinsicht existenzielles Unterfangen.
Mithilfe ihres Laptops, ihrer Mails, ihrer Texte, die sie liest, als wären sie von einer Fremden geschrieben, unternimmt Helene immer ausgedehntere Forschungsreisen in die eigene Vergangenheit. Nur langsam bildet sich die Aphasie zurück, immer wieder stürzt das „Wortkartenhaus“zusammen. Während sie bereits Komplexes schreiben kann, fällt das Sprechen noch schwer. Mit den Wörtern stellen sich Erinnerungssplitter ein, mit ihnen neue Wörter.
Gewiss, Kathrin Schmidt ist diplomierte Psychologin, aber die Leiden der Helene Wesendahl hat sie am eigenen Leib erlebt. In Du stirbst nicht, für das sie 2009 den Deutschen Buchpreis erhielt, setzt die Gedächtnis-Künstlerin Kathrin Schmidt dem Leser das Puzzle des wiedergefundenen Lebens vor, Stein für Stein, ein Entwicklungsroman der anderen Art, unspektakulär und gerade deshalb ergreifend. In Christine Lavants Gedicht ist ein „alter blutfremder Traum“daran schuld, dass das Ich den verlorenen Faden seiner Zeit, seiner Lebenszeit, rückwärtsgehend immer wieder „knüpfen und knüpfen“muss.
Nicht nur das Gehen muss die Patientin in Du stirbst nicht neu lernen, auch das Fühlen. Auch wie man das macht, hat sie vergessen. Der große Leonard Cohen hat das so formuliert: „I did my best, but it wasn’t much. / I couldn’t feel, so I tried to touch.“