MARKTPLATZ
Pall Mall, die in der City of Westminster von der St. James’s Street über den Waterloo Place zum Haymarket führende Straße, war einst das Zentrum der Londoner Kunstszene. Die National Gallery hatte dort ebenso ihren Sitz wie die Royal Academy und es sollten sich bis in das frühe 20. Jhd. zahlreiche Gentlemen’s Clubs ansiedeln.
Anno 1766 ließ sich hier James Christie nieder und stand am 5. Dezember erstmals an seinem von Thomas Chippendale gefertigten Rostrum, wie das Pult in der Auktionsbranche genannt wird. Zur Verteilung gelangte der komplette Hausrat eines Adeligen. Das erste Lot war ein zwölfteiliges Frühstücksservice, das ein gewisser „Mr. Shepperd“für 19 Schilling ersteigerte. Die Versteigerung dauerte fünf Tage und spielte schließlich 174 Pfund und 16 Schilling, nach heutigem Wert also etwa 21.700 Pfund ein.
Soweit zur Geburtsstunde des mittlerweile zu einem globalen Giganten gewachsenen Auktionshauses Christie’s, das dieser Tage jenes 250-jährige Jubiläum begeht, das man seit Monaten zelebriert: mit kuratierten Auktionen oder auch mit einer Ausstellung, die britische Kunst über eine Zeitspanne von vier Jahrhunderten dokumentierte. Im Oktober erschien bei Phaidon ( 250 Years of Culture, Taste and Collectin“) die in knapp 500 Seiten verpackte Erfolgsstory, aufgezäumt an 250 Schlüsselobjekten, die im Laufe der Dezennien verkauft wurden.
Den Raben, der 1870 stattliche 300.000 Kronen erzielte und sogar in einer österreichischen Zeitung Erwähnung fand, sucht man allerdings vergeblich. Er hatte dem einen Monat zuvor verstorbenen Charles Dickens gehört, der seinen über alles geliebten Gefährten nach dessen Tod hatte ausstopfen lassen. Als Dickens-Enthusiast und siegreicher Bieter war der damalige Herzog von Westminster entlarvt worden.
Objekte mit Österreichbezug finden sich in der Christie’s-Chronik einige. Etwa auch das teuerste Möbel in der Geschichte des Kunstmarktes, das dank der Kauflust des Fürsten von Liechtenstein in Wien eine endgültige Heimat fand: das Badminton Cabinet, an dem ab 1726 nicht weniger als 30 Meister knapp sechs Jahre lang arbeiteten. Ein Triumph italienischer Pietra-dura-Kunst, für den sich Johann Kräftner am 9. Dezember 2004 gegen vier Konkurrenten durchsetzen musste. Das ersehnte „zum Dritten“bekam der Chefeinkäufer des Fürsten allerdings erst bei umgerechnet 27,2 Millionen Euro zu hören.
Nach Wien führte einst auch die Spur der wertvollsten illuminierten Handschrift weltweit: Das 252 Seiten umfassende Stundenbuch aus der Sammlung des Wiener Zweiges der Familie Rothschild war, wie alle anderen Kunstwerke dieser Provenienz, aus Bundesmuseumsbeständen 1999 von der Republik Österreich an die Erben restituiert worden. Die Auktion im Juli des gleichen Jahres spiel- te umgerechnet 1,2 Milliarden Schilling ein. Den höchsten Zuschlag hatte Christie’s bei 180,4 Millionen Schilling bzw. etwa 13 Millionen Dollar für die Handschrift erteilt. Im Jänner 2014 gelangte sie neuerlich zur Versteigerung und erzielte deren 13,6 Millionen Dollar (rund 10 Mio. Euro).
Über die Jahre war Christie’s rückblickend jenes Auktionshaus, das neben Sotheby’s am meisten von Restitutionen profitierte. 2006 spielten die an Maria Altmann, Erbin nach Bloch-Bauer, restituierten Klimt-Gemälde 192,7 Millionen Dollar ein, die über einen Private Sale an Ronald Lauder vermittelte Goldene Adele weitere 135 Millionen.
Sein Auktionsdebüt bei Christie’s hatte Gustav Klimt übrigens im November 1971 mit dem 1904 geschaffenen ganzfigurigen Porträt Hermine Gallias gegeben. Es wechselte für 21.000 Pfund in den englischen Handel und von dort 1976 in die National Gallery (London).
Die erste Schiele-Arbeit hatte Christie’s hingegen im Dezember 1974 offeriert: Die Kranker Russe bezeichnete Gouache von 1915 ersteigerte Rudolf Leopold (1925–2010). Die 8925 Pfund hatte er bar bezahlt und das Blatt gleich nach der Auktion in Empfang genommen. Wie bis weit in die 1990er-Jahre üblich, war die Herkunft der Arbeit im Auktionskatalog nicht ausgewiesen. Sie musste Jahrzehnte später im Zuge der systematischen Erforschung des Bestandes im Leopold-Museum erst rekonstruiert werden. Auf Basis des Ende 2014 vorgelegten Dossiers attestierte die Kommission dem Kranken Russen im März 2015 schließlich eine weiße Weste. SAISONFINALE IM KINSKY Mit der 114. Auktion (29./30. 11.) zelebrierte „im Kinsky“sein Saisonfinale mit neuen Auktionsrekorden: etwa für Josef Floch ( Mutter mit Kind, 1927/28, 277.200 Euro inkl. Aufgeld) oder für Sebastian Isepp, dessen vormals in der Sammlung Gertrude Zuckerkandl-Stekels beheimatete Winterlandschaft bis zu 195.300 Euro gefiel. Den Höchstwert beim Jugendstil notierte man für eine Aufsatz- und Vasen-Trilogie von Josef Hoffmann bei 176.400, bei zeitgenössischer Kunst für Maria Lassnigs Herbstbild sowie ihr Aus dem Rahmen drücken aus der Sammlung Ronte mit je 378.000 Euro. Die Besitzerwechsel summierten sich auf 7,98 Millionen Euro, die noch zu verhandelnden Zuschläge unter Vorbehalt auf weitere 1,48 Millionen Euro. (kron)
REKORD ZUM JUBILÄUM In Berlin jährte sich die Gründung des Auktionshauses Villa Grisebach zum 30. Mal. Die zugehörige Jubiläumsauktion (30. 11.–3. 12.) spielte mit 34 Millionen Euro den höchsten Umsatz in der Geschichte des Unternehmens und seit 1945 in Deutschland ein. Dazu trug die Sektion „Ausgewählte Werke“21,6 Millionen Euro bei: Lyonel Feiningers Gelbe Gasse von 1932 wanderte für 3,52 Millionen nun in die Schweiz ab, Max Beckmanns Stillleben mit brennender Kerze für 2,95 Millionen in eine US-amerikanische Privatsammlung. Zwei Gemälde von Lesser Ury wurden zur detaillierten Klärung ihrer Provenienz vor der Auktion zurückgezogen. (kron)
KUNSTSHOPPEN IM SOUTERRAIN Seit nunmehr acht Jahren schickt der Kunsthandel Giese & Schweiger seine Klientel einmal jährlich in den Keller. In der sogenannten Souterraingalerie wartet dann, so auch aktuell, „Kunst zu kleinen Preisen“(bis 24. 12.). Die preisliche Bandbreite reicht von 700 Euro für eine auf Holz gemalte Almpartie von Anton Hansch über 1800 für die Mischtechnik Spirale von Oswald Oberhuber bis zu einem dekorativen Küchenstillleben mit Radieschen von Josef Lauer für 7500 Euro. Zum Stöbern im Angebot in den Kategorien Biedermeier, 1850–1900, Klassische Moderne und Kunst nach 1945 empfiehlt sich die Website www.souterraingalerie.com. (kron)