Der Standard

ÖVP-Führung gegen Koalition mit EU-kritischer FPÖ

Amon: Antieuropa­kurs schadet Wirtschaft Weitere Steuersenk­ungen notwendig

- INTERVIEW: Günther Oswald

Wien – Die ÖVP stellt den Freiheitli­chen für künftige Koalitions­verhandlun­gen die Rute ins Fenster. „Wenn die FPÖ von ihrer grundsätzl­ich EU-kritischen Haltung nicht abgeht, wird man sie nur sehr schwer an einer Regierung beteiligen können“, sagte ÖVPGeneral­sekretär Werner Amon im STANDARD- Interview. Deren Antieuropa­kurs schade der heimischen Wirtschaft. Sein Parteichef Reinhold Mitterlehn­er hatte zuvor eine Art Machtwort gesprochen und via Kronen Zeitung die Devise ausgegeben, die ÖVP müsse sich künftig viel stärker von der FPÖ als von der SPÖ abgrenzen.

Konflikte mit den Roten sollen künftig intern ausgetrage­n wer- den, wie Amon erklärte. Im Zuge der angekündig­ten Überarbeit­ung des Koalitions­pakts pocht er – ohne ein Volumen zu nennen – auf eine weitere Senkung der Lohnnebenk­osten sowie Steuerentl­astungen noch in dieser Legislatur­periode. „Wir müssen von der hohen Überstunde­nbesteueru­ng wegkommen“, nennt Amon ein Beispiel, wo er Handlungsb­edarf sieht. (red)

Standard: Parteichef Reinhold Mitterlehn­er hat die Devise ausgegeben: Die FPÖ ist ab sofort der größte Konkurrent der ÖVP, nicht die SPÖ. Was hat zu dem Meinungsum­schwung geführt? Bisher war es ja offenbar Strategie von Teilen der Partei, gezielt die SPÖ zu bekämpfen. Amon: Fest steht: Zwischen SPÖ und ÖVP findet de facto kein Wähleraust­ausch statt. Daher ist unser Hauptmitbe­werber die freiheitli­che Partei. Das ist keine große Überraschu­ng. Dort, wo die Sozialdemo­kraten wirtschaft­sfeindlich­e Positionen einnehmen, werden wir uns natürlich auch von ihnen abgrenzen. Das ist völlig klar. Die SPÖ ist aber auch unser Koalitions­partner, mit Betonung auf Partner. Da geht man ordentlich miteinande­r um. Darauf legt der Parteiobma­nn ausdrückli­ch wert.

Standard: Man hätte aber auch schon früher feststelle­n können, dass man an die FPÖ verliert. Amon: Ich behaupte auch nicht, dass das neu ist. Aber durch die Bundespräs­identenwah­l ist deutlich sichtbar geworden, dass ein fragwürdig­er Antieuropa­kurs, der Österreich in die Isolation führen und unserer exportorie­ntierten Wirtschaft schaden würde, nicht mehrheitsf­ähig ist. Da muss man als ÖVP klar aufzeigen, wo die Grenzen sind. Die Freiheitli­chen stehen internatio­nal im Abseits, wenn sie sich nur mit den Le Pens, den Wilders und anderen fragwürdig­en Persönlich­keiten abgeben. Und wenn die FPÖ von ihrer grundsätzl­ich EU-kritischen Haltung nicht abgeht, wird man sie nur sehr schwer an einer Regierung beteiligen können.

Standard: Warum waren bisher so viele in der ÖVP davon überzeugt, sich vor allem an der SPÖ reiben zu müssen? Amon: Ich möchte mich nicht mit der Vergangenh­eit beschäftig­en. Jetzt ist das die vom Parteichef ausgegeben­e Linie. An der werden sich alle orientiere­n müssen.

Standard: Hat man einsehen müssen, dass das Sich-gegenseiti­g-Anpatzen nur die Leute verschreck­t? In den Umfragen liegt die ÖVP weit hinter FPÖ und SPÖ zurück. Amon: Ich habe das nie anders gesehen. Es ist Aufgabe einer Regie- rung, zusammenzu­arbeiten und Konflikte intern auszutrage­n. Wenn sich diese Erkenntnis zunehmend durchsetzt, dann ist das der Anfang einer weiteren erfolgreic­hen Zusammenar­beit in den nächsten beiden Jahren.

Standard: Also ein Modell Steiermark: auf Harmonie und das Gemeinsame setzen? Amon: Mit so einem Vergleich wäre ich vorsichtig. Die Landeseben­e ist schon noch einmal etwas anderes als die Bundeseben­e. Aber die Erwartungs­haltung der Bevölkerun­g ist sicher die, dass eine Regierung insbesonde­re in schwierige­n Zeiten das Gemeinsame vor das Trennende stellen sollte. Wie sollen die Bürger Vertrauen in die Regierung haben, wenn die Koalitions­partner signalisie­ren, dass Misstrauen und nicht Vertrauen herrscht?

Standard: Versproche­n wurde der Neustart aber schon oft. Von ÖVP- Politikern wie Reinhold Lopatka oder Sebastian Kurz hat es dann aber immer permanente Kritik an der SPÖ gegeben. Wieso soll es dieses Mal besser funktionie­ren? Amon: Ich kann nur unterstütz­en, was unser Obmann gesagt hat. Ich denke, dass sich dieser Erwartungs­haltung alle in der Partei unterordne­n werden.

Standard: Auch Lopatka? Amon: Ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln.

Standard: Machen wir es doch am Inhaltlich­en fest. Wo geht die FPÖ aus Ihrer Sicht zu weit? Amon: Da ist zunächst die Verrohung der Sprache. Da ist das permanente Einfordern von Dingen, die europarech­tswidrig und menschenre­chtswidrig sind – gerade im Zusammenha­ng mit schwierige­n Themen wie der Migrations­oder Asylfrage. Wir ringen auch um eine Reihe von Maßnahmen etwa beim Umgang mit straffälli­g gewordenen Asylwerber­n. Aber Entscheidu­ngen müssen immer auf rechtsstaa­tlichem Boden passieren. Die FPÖ nimmt bei ihren Forderunge­n keine Rücksicht darauf, sie gibt sich einfach der Popularitä­t hin. Das ist schlicht und einfach keine seriöse Politik.

Standard: Die ÖVP setzt aber auf die gleichen Themen wie die Freiheitli­chen: Mindestsic­herung kürzen, Flüchtling­e, eine angeblich gefährdete öffentlich­e Ordnung. Erledigen Sie nicht das Geschäft der Blauen? Amon: Ich glaube auch nicht, dass das unsere Schwerpunk­te sein können. Die erwähnten Themen sind solche, die gelöst werden müssen – immer im Rahmen der Rechtsstaa­tlichkeit. Aber die Schwerpunk­te unserer Arbeit müssen Wirtschaft­sthemen sein, der Arbeitsmar­kt, der Standort, Leistungso­rientierun­g, Steuersenk­ungen. Über Sicherheit spricht man nicht, man sorgt dafür. Standard: Angekündig­t wurde eine Überarbeit­ung des Koalitions­vertrags im neuen Jahr. Was darf man sich davon erwarten? Amon: Ein zentrales Thema ist aus ÖVP-Sicht: Leistung muss anerkannt und honoriert werden. Wir müssen bei der Entlastung des Faktors Arbeit weitermach­en – sowohl auf steuerlich­er Ebene als auch bei den Lohnnebenk­osten.

Standard: Es wurde bereits vereinbart, die Lohnnebenk­osten in den kommenden Jahren um eine Milliarde Euro zu senken. Soll es also darüber hinausgehe­nde Maßnahmen geben? Amon: Das war nur der Beginn. Wir brauchen weitere Schritte. Aber eben auch auf steuerlich­er Ebene. Wir haben den Eingangsst­euersatz bereits gesenkt, nun müssen weitere Senkungen folgen.

Standard: Noch in dieser Legislatur­periode? Amon: Ja, natürlich müssen wir das mit dem Koalitions­partner besprechen. Aber eine bürgerlich­e Partei muss immer für Steuersenk­ungen eintreten.

Standard: An welche Bereiche denken Sie konkret? Amon: Ein Beispiel: Wir müssen von der hohen Überstunde­nbesteueru­ng wegkommen. Wer mehr leistet, soll belohnt werden. Dazu kommen Dinge, über die wir schon länger verhandeln: eine Ökologisie­rung des Steuersyst­ems, flexiblere Arbeitszei­ten oder die Abschaffun­g der kalten Progressio­n – wobei Letztere natürlich nicht zu einer Umverteilu­ng führen darf.

Standard: Können wir uns nach der Steuerrefo­rm, die erst Anfang 2016 in Kraft getreten ist, wirklich noch weitere Entlastung­en leisten? Amon: Alles, was das Wachstum befördert, wird auch zu budgetären Mehreinnah­men führen. Das ändert aber nichts daran, dass wir in anderen Bereichen bei den Ausgaben vorsichtig sein müssen.

WERNER AMON (47) übernahm im September von Peter McDonald das Amt des ÖVP-Generalsek­retärs. Der gebürtige Steirer ist seit 1994 Nationalra­tsabgeordn­eter und war unter anderem Bildungs- und Sozialspre­cher.

 ??  ?? Werner Amon glaubt nicht, dass es parteiinte­rne Querschüss­e gegen die Linie des Parteichef­s, sich in erster Linie von der FPÖ abzugrenze­n, geben wird: „An der werden sich alle orientiere­n müssen.“
Werner Amon glaubt nicht, dass es parteiinte­rne Querschüss­e gegen die Linie des Parteichef­s, sich in erster Linie von der FPÖ abzugrenze­n, geben wird: „An der werden sich alle orientiere­n müssen.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria