„Von Populismus haben wir in diesem Land wirklich genug.“
SPÖ-Chef will inhaltliche Auseinandersetzung mit rechtspopulistischen Parteien
Grünen-Obfrau Eva Glawischnig ist gegen Linkspopulismus in grüner Ausprägung
Wien – Die Präsidentschaftswahl ist geschlagen. Der Kandidat der FPÖ ist geschlagen. Alexander Van der Bellen, ehemaliger Chef der Grünen, hat gegen den Freiheitlichen Norbert Hofer das Rennen um das höchste Amt im Staat gewonnen – und die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP waren an dem Geschehen nur im ersten Durchgang, und da auch nur sehr am Rande, beteiligt. Bei den zwei Stichwahlen blieb ihnen – von Kanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner abwärts, mit ein paar Ausreißern wie etwa ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka, der für Hofer war – nur die Rolle der „Bekenner“zum späteren Wahlsieger. Und jetzt?
Jetzt geht es für beide regierenden Parteien darum zu überlegen, wie sie mit den in Umfragen konstant mit einem recht großen Abstand vorn liegenden Freiheitlichen unter Parteichef HeinzChristian Strache umgehen sollen, um bei der nächsten Nationalratswahl – plangemäß wäre die im Jahr 2018 – möglichst gut auszusteigen. Was also tun?
Kanzler und SPÖ-Chef Kern ließ dazu in der deutschen Bild am Sonntag wissen, dass er auf die inhaltliche Auseinandersetzung mit rechtspopulistischen Parteien wie der FPÖ oder der AfD in Deutschland setze: „Da zeigt sich ziemlich schnell, wie wenig Substanz da ist.“Ausgrenzung sei keine Erfolgsstrategie, genauso wenig wie es etwas bringe, solche Parteien zu tabuisieren oder deren Wählerinnen und Wähler zu ächten. Bezogen auf das Verhältnis der Roten zu den Blauen, sagte Kern: „Wir haben die FPÖ und das, wofür sie steht, zu Recht immer abgelehnt. Vom Versuch, sie auszugrenzen, hat die Partei allerdings profitiert. Sie konnte beleidigt in eine Ecke flüchten und sich als Opfer darstellen. Das hat sie unnötig mystifiziert und zum vermeintlichen Rächer der Enterbten gemacht.“
Pröll warnt vor Neuwahlen
Auch auf ÖVP-Seite wird nach der Präsidentenwahl verstärkt Richtung FPÖ geblickt (siehe Interview oben). Denjenigen, die vielleicht Lust am politischen Hasard haben, rät der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll aber ausdrücklich vor einer Flucht in Neuwahlen ab. Ein Jahr Wahlkampf zur Eruierung des neuen Hausherrn in der Hofburg sei wohl mehr als genug: „Im Sinne der Bevölkerung ist es, miteinander zu arbeiten.“
Die Chancen für die ÖVP sieht Pröll, der als letzter Landeshauptmann mit absoluter Mehrheit regiert, intakt: „Je größer der Wechselwähleranteil wird, umso größer ist auch die Chance für eine Partei, über den eigenen Stammwählerbereich hinaus zu punkten.“(nim, APA)
Es mag auf den ersten Blick grotesk erscheinen. Der SPÖ-Chef will mit Heinz-Christian Strache auf ein Bier gehen und warnt vor einer prinzipiellen Ausgrenzung von rechtspopulistischen Parteien wie der FPÖ. Der ÖVP-Chef schwört die eigenen Leute gleichzeitig darauf ein, sich stärker von den Freiheitlichen abzugrenzen.
Also verkehrte Welt? Nicht wirklich. So groß sind die Unterschiede zwischen den Positionen von Christian Kern und Reinhold Mitterlehner nicht. Beiden geht es um die inhaltliche Auseinandersetzung mit den blauen Positionen. Diese zu zerlegen ist einerseits nicht schwer, weil die freiheitlichen Konzepte selten in die Tiefe gehen beziehungsweise ökonomisch oder rechtlich nicht umsetzbar sind. Andererseits liegt hier aber die Schwierigkeit für die Koalitionsparteien. Wer FPÖ wählt, wählt häufig eine Stimmung, ein Gefühl, dass sich das Land in die falsche Richtung entwickelt. Argumenten, eine Forderung könnte zu teuer oder rechtswidrig sein, sind diese Wähler vielleicht nicht zugänglich.
SPÖ und ÖVP werden also nur Erfolg haben, wenn es ihnen gelingt, diese Grundstimmung umzukehren. Da die bisherigen Strategien nicht gefruchtet haben, ist es aber einen Versuch wert, einen letzten Neustart zu versuchen. Entscheidend für das Gelingen wird sein, ob die Parteien ihren Chefs folgen. Für die SPÖ ist das Ende der Ausgrenzungspolitik eine Zerreißprobe. Bei der ÖVP wird sich zeigen, ob sich alle an das Machtwort Reinhold Mitterlehners halten.