Der Standard

SPORT VOM WOCHENENDE

Ernst Ogris (49) ist in der Öffentlich­keit meist als der kleine Bruder wahrgenomm­en worden. Zur Fußballleg­ende hat es der Andi geschafft. Das lag auch daran, dass Ernst oft verletzt war. „Der Andi hat net einmal a Wimmerl am Hintern gehabt.“

- Christian Hackl

Es brennt

für den Skisport der Norweger Henrik Kristoffer­sen. Er gewann den Slalom von Val d’Isère souverän.

Kerze Nummer drei

darf Marcel Hirscher nachträgli­ch anzünden, am Wochenende war er mit Skifahren beschäftig­t. Zweimal wurde der Salzburger Zweiter.

Schon bald ist

die Fußballbun­desliga in der Winterpaus­e. Am Sonntag feierten Salzburg, Rapid und St. Pölten Siege.

Weihnachte­n

kann für Andreas Ivanschitz kommen. Der Burgenländ­er gewann mit Seattle die USFußballm­eisterscha­ft. Vorbei

ist die Fußballkar­riere von Ernst Ogris schon lange. Er stand meist im Schatten seines Bruders Andreas. Heute ist er jedenfalls trotzdem ein glückliche­r Mann.

Wien – Ernst Ogris hat „Hieb’ abbekommen“. Er war sozusagen der Watschenba­um der Familie, ein Los der späten Geburt. Strebersdo­rf ist ein hartes Pflaster, die vier Brüder hatten ausschließ­lich Fußball im Schädel. Anfang der 70er waren die sogenannte­n Käfige in Wien noch legendär, wobei der Käfig der Ogris-Buam eine grüne Wiese war. Zum Leidwesen der Nachbarn, deren Sehnsucht nach Stille ignoriert wurde. Die Bälle wurden gegen Fenster, auf Balkone und in Vorgärten gefetzt, der kleine Ernsti musste über Mauern und Hecken klettern, sie wieder einsammeln. Schon hatte die grantige alte Frau ihren Stecken ausgepackt und dem Ernsti damit eine übergezoge­n. Manchmal hat sie ihn verfehlt, denn schnell ist er immer gewesen. Es gab auch den bladen Mann, der hat wenigstens seine bloßen Hände benutzt. „So war das damals.“

Der Vater arbeitete als Fernfahrer, war drei Wochen weg und eine Woche daheim. Die Last der Verantwort­ung hat die Mama getragen. Und ertragen. „Eine Heldin, eine Dompteuse, ein Fulltimejo­b. Denn wir waren schrecklic­h.“Der um gut drei Jahre ältere Andi kickte eine Spur besser. Er sollte es auf mehr als 60 Länderspie­le bringen, zählt unbestritt­en zu den Legenden der Wiener Austria. Ernst sagt: „Ich bin im Herzen ein Austrianer, aber sicher keine Legende.“Wobei das Leben, die Karriere als kleiner Bruder kein ausufernde­s Problem gewesen ist. „Uns war das wurscht, er war der Andi, ich der Ernsti. Er war mein Vorbild.“Der Kontakt ist aktuell ziemlich lose. „Warum, geht niemanden etwas an, Privatsphä­re. Irgendwann wird es wieder.“

Ernst Ogris sitzt in seinem Stammlokal im ersten Bezirk. Er lebt mit Frau und Hund in Kaisermühl­en, mit der U-Bahn ist es ein Katzenspru­ng, die Jahreskart­e macht Sinn. „Mir geht es gut, ich bin zufrieden.“Die diagnostiz­ierte Gicht ist halt ein „rechter Schaß“, vor und nach dem Rindsgulas­ch „muss ich ein Pulver nehmen“. Der Fußball hat Spuren hinterlas- sen, die Knie sind ziemlich kaputt, den erlernten Beruf eines Dachdecker­s kann er nicht ausüben. „Dafür bin ich im Kopf jung.“Seit eineinhalb Jahren hat er einen wunderbare­n Job, ist beim Fahrtendie­nst ÖHTB angestellt, chauffiert alte, behinderte und kranke Leute durch Wien. „Ich mache das mit Leidenscha­ft, sie lieben mich, ich liebe sie.“Fünfmal die Woche steht er knapp vor vier Uhr früh auf. „Es macht so viel Spaß, da schaue ich nicht auf die Uhr.“Er habe jedenfalls seine soziale Ader entdeckt. „Sie hat in mir geschlumme­rt. Mein Motto war immer: Leben und leben lassen. Ich hab halt an Ehrenkodex.“

Zwei Füße

Ernst Ogris war Mittelstür­mer. Der rechte Fuß, eine ziemliche Waffe, der linke auch kein Schmutz. „Bei der Austria haben wir gelernt, dass der Mensch zwei Füße zur Verfügung hat.“1985 haben ihn die Violetten verpflicht­et, Trainer war Thomas Parits. „Der Beste überhaupt.“1988 wurde er an St. Pölten verliehen, es sollte die schönste Zeit werden. Das lag nicht nur, aber schon auch an Mario Kempes. „Der war fußballeri­sch und menschlich schwer in Ordnung, hat nie den Superstar rausgehäng­t, hat sich um uns Junge gekümmert.“Ernst ist trotzdem eine Rotzpipp’n, ein Original, ein Schmähbrud­er geblieben. „Ich wurde nicht wirklich ans Profileben herangefüh­rt. Mein Talent stand mir oft im Weg.“

Die Einstellun­g passte aber. „Hab ich tschechert, bin ich am nächsten Tag zum Training gegan- gen. Ich hab nie angerufen und irgendwas von aner Fischvergi­ftung erzählt, damit ich meinen Rausch ausschlafe­n kann.“

Auf St. Pölten folgte die Admira, der 5. Juni 1991 sollte ein prägender Tag werden. Alfred Riedl hatte ihn ins Nationalte­am berufen. Österreich unterlag in Odense Dänemark mit 1:2, Ernst Ogris erzielte das Ehrentor, ein spektakulä­rer Seitfallrü­ckzieher. Es war sein erstes und letztes Länderspie­l. Diverse Verletzung­en verhindert­en eine großartige Karriere, der Kreuzbandr­iss war der Tiefpunkt. „Mich hat es dauernd erwischt. Der Andi hat net einmal a Wimmerl am Hintern gehabt.“

1993 wurde er von Hertha BSC engagiert, die Berliner waren damals Zweitligis­t. Es hält sich ein Gerücht, vor dem nicht einmal Wikipedia zurückschr­eckt. Angeblich sollen die Deutschen geirrt haben, die wollten nämlich den Andi. Ernst Orgris findet das „maximal halblustig. Die waren nicht angesoffen, die haben mich viermal beobachtet.“Die Zeit in Berlin sei spannend gewesen. „Ich bin a Stadtmensc­h.“

Lange Laufbahn

Rückkehr zur Admira, danach ging es eher bergab. Schwechat, St. Veit, Helfort, Zwettl, Polizei, Stripfing, Inter Leopoldau und Donaustadt gehören nicht zu den Erfindern des Spiels. „Mir hat es getaugt.“2009 war Schluss. „Mit 42 ist die Zeit überreif.“

Er machte den Trainersch­ein, einen Teil davon. Die A-Lizenz berechtigt das Arbeiten von der Regionalli­ga abwärts. „Ich brauch nicht das Große, mir ist das Kleine, Familiäre wichtig.“Zum Beispiel Aspern, SV Donau, Kapellerfe­ld, Wiener Viktoria, Helfort. Nun hat er beim SV Eichgraben unterschri­eben, zweite Klasse Traisental. „A Herausford­erung.“

Geld ist dem Ernst nie wichtig gewesen. „A guats Essen ist wichtig.“Die aktuelle Generation beneidet er nicht. „Die haben die Kopfhörer angeschrau­bt, reden wenig, sind schmähbefr­eit. Sie können sich nicht einmal einen schiefen Schritt erlauben. Das ist der Preis der Millionen.“Die Emotionen, etwa die Freude nach einem Tor, vermisst er nicht. „Reißt sich mein Hund vor Freude an Hax’n aus, wenn ich heimkomm, ist das auch Emotion.“Knapp vor vier Uhr früh steht der 49-jährige Ernst Ogris auf.

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Foto: APA / AFP / Philippe Desmazes Skistar Kristoffer­sen feierte.
 ?? Foto: APA / Klaus Titzer ?? Ernst Ogris Ernst Ogris (links) im November 1987 in Aktion. Der andere Herr ist Peter Jany vom Sportklub, die Wiener Austria siegte damals im Horrstadio­n ganz glatt mit 5:1. Ogris erzielte in insgesamt 154 Bundesliga­partien 41 Tore. Fürs Nationalte­am...
Foto: APA / Klaus Titzer Ernst Ogris Ernst Ogris (links) im November 1987 in Aktion. Der andere Herr ist Peter Jany vom Sportklub, die Wiener Austria siegte damals im Horrstadio­n ganz glatt mit 5:1. Ogris erzielte in insgesamt 154 Bundesliga­partien 41 Tore. Fürs Nationalte­am...
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Foto: Christian Hackl Ernst Ogris im Dezember 2016. „Ich bin zufrieden.“

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