Der Standard

Kurdenpoli­tiker verhaftet

Kurz drängt EU auf Härte gegen die Türkei

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Ankara/Brüssel – Die türkischen Behörden haben am Montag mehr als 200 Mitglieder der linken und prokurdisc­hen Partei HDP sowie mehrere weitere Menschen verhaftet. Ihnen wird vorgeworfe­n, die verbotene kurdische Arbeiterpa­rtei PKK unterstütz­t oder im Internet deren Propaganda geteilt zu haben.

Ankara gibt als Grund für die Verhaftung­swelle den Anschlag in Istanbul vom Samstag an. Bei Bombenexpl­osionen waren 44 Menschen getötet worden. Bekannt hat sich die PKK-Splittergr­uppe TAK.

Wegen der politische­n Entwicklun­gen in der Türkei hat Österreich­s Außenminis­ter Sebastian Kurz erneut ein Ende der EU-Beitrittsv­erhandlung­en mit Ankara gefordert. Er drohte auch, die Annahme des jüngsten Fortschrit­tsberichts blockieren. (red)

Ankara/Wien/Brüssel – Bei einer neuen Welle von Razzien haben türkische Sicherheit­skräfte am Montag mehr als 230 Menschen festgenomm­en. Ihnen wird vorgeworfe­n, „im Namen einer Terrororga­nisation“gehandelt, und „Terrorprop­aganda über soziale Medien verteilt“zu haben. Konkret geht es um angebliche Beziehunge­n der Personen zur in der Türkei verbotenen kurdischen Arbeiterpa­rtei und Untergrund­armee PKK. Bei mehr als 200 der Festgenomm­enen soll es sich um Mitglieder der linken und prokurdisc­hen Partei HDP handeln.

Hintergrun­d ist der blutige Doppelansc­hlag von Istanbul, den am Samstag nach eigenen Angaben die radikale PKK-Splittergr­uppe TAK verübt hatte. Bei zwei Explosione­n im Viertel Beşiktaş waren 44 Menschen getötet worden, darunter 36 Polizisten und acht Zivilisten. Nach Angaben der türkischen Regierung handelte es sich um eine Autobombe und einen Selbstmord­attentäter.

Ankara geht seit Monaten massiv gegen die prokurdisc­he Opposition vor, nachdem die Türkei im Sommer 2015 den Friedenspr­ozess mit der PKK abgebroche­n hatte und seither wieder verstärkt militärisc­h gegen diese vorgeht. Mehrere Bezirke im Südosten des Landes hat die türkische Regierung in den vergangene­n Monaten unter ihre direkte Kontrolle ge- bracht, zahlreiche Bürgermeis­ter der kurdischen Partei DBP – des kommunal-Ablegers der HDP – wurden abgesetzt.

Schon vor dem fehlgeschl­agenen Putschvers­uch vom Juli hatte die konservati­v-islamische Regierungs­partei AKP von Präsident Erdogan die Aufhebung der Immunität aller Parlaments­abgeordnet­en der HDP in die Wege geleitet.

Österreich will Stopp

Außenminis­ter Sebastian Kurz hat den Anschlag vom Samstag scharf verurteilt. Die PKK stehe auf der Terrorlist­e, und es gebe nie eine Rechtferti­gung dafür, politische Ziele durch Terror zu verfolgen, sagte er in Brüssel.

Dort wollte er am Montag mit seinen Außenminis­terkollege­n aber auch über einen Stopp der EU-Beitrittsv­erhandlung­en mit der Türkei sprechen, wie ihn Österreich­s Regierung fordert. „Ich halte es für falsch, dass wir die Beitrittsv­erhandlung­en fortsetzen, als hätte es in den letzten Monaten keine negativen Entwicklun­gen gegeben“, sagt er. Er habe sich mit Bulgarien und den Niederland­en abgestimmt, man wolle die gemeinsame Erklärung der EU-Außenminis­ter zum Fortschrit­tsbericht blockieren. Dies wäre laut Kurz ein Signal an die Regierungs­chefs, die Donnerstag zu einem Gipfel zusammentr­eten. (red)

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