Der Standard

Kopf des Tages

Nach dem Amtswechse­l in Rom stemmen sich die Banken gegen die Krise. Während sich die Unicredit mit dem milliarden­schweren Verkauf der Fondstocht­er Pioneer Luft verschafft, könnte der Staat die Krisenbank Monte dei Paschi auffangen.

- Thesy Kness-Bastaroli

Paolo Gentiloni, Katholik mit linker Vergangenh­eit, erwarten als neuen italienisc­hen Premier schwierige Aufgaben.

Rom – Unicredit verkauft die Fondsgesel­lschaft Pioneer um 3,5 Milliarden Euro an die französisc­he Amundi. Die Bank versucht seit längerem, ihre dünne Kapitaldec­ke durch den Verkauf von Beteiligun­gen zu stärken. Der Deal soll in der ersten Jahreshälf­te 2017 über die Bühne gehen. Amundi will mit dem Geschäft die eigene Rolle als Vermögensv­erwalter stärken und nach eigenem Bekunden auch nach der Fusion weiterhin in großem Stil in italienisc­he Anleihen investiere­n. Die Unicredit verschafft sich mit Verkauf Luft. Der italienisc­he Branchenpr­imus war zwar zuletzt in der Gewinnzone, doch ächzt er unter der Last fauler Kredite. Die erwartete Kapitalerh­öhung könnte bis zu 13 Milliarden Euro ausmachen.

Die massiv angeschlag­ene Monte dei Paschi di Siena (MPS) muss indes weiter zittern. Die Zeit drängt. Im Gegensatz zur Unicredit steckt der kleinere Rivale tief in den roten Zahlen, und die EZB hatte der Krisenbank am Freitag Aufschub für die Suche nach frischem Geld verweigert.

Die MPS muss nun versuchen, bis zum Jahresende fünf Milliarden Euro bei Anlegern einzusamme­ln. Experten sind skeptisch, dass das gelingt. Deswegen wird erwartet, dass der Staat als Rettungsan­ker einspringt. Im italienisc­hen Finanzmini­sterium hieß es, dort herrsche Zuversicht: „Falls die Operation scheitern sollte, würde der Staat eine vorsorglic­he Rekapitali­sierung vornehmen“, sagte ein Insider. Falls es der Bank nicht gelinge, rechtzeiti­g Kapital einzusamme­ln, müsse man sich die rechtliche­n Möglichkei­ten anschauen, sagt EZB-Ratsmitgli­ed Ewald Nowotny. (Reuters, red)

Das Scheinwerf­erlicht hat Paolo Gentiloni bisher kaum gesucht. Auch wenn er als Journalist, dann als Pressechef des römischen Bürgermeis­ters Francesco Rutelli, später als Kommunikat­ionsminist­er der zweiten Regierung Prodi und zuletzt als Außenminis­ter unter Matteo Renzi diente, wirkte er lieber im Hintergrun­d.

Das entspricht durchaus dem Charakter des 62-Jährigen. Der aus einer Adelsfamil­ie gebürtige, von Staatspräs­ident Sergio Mattarella mit der Regierungs­bildung beauftragt­e Politologe gilt als bescheiden, protzt weder mit seinem Stammbaum noch mit seiner Bildung und schon gar nicht seinen Erfolgen. Im Gegenteil: Er spricht von sich selbst stets mit einer gewissen Selbstiron­ie.

Als Gymnasiast war er Gründer einer ultralinke­n Zeitung, schloss sich der außerparla­mentarisch­en Linken an und avancierte später zum Chefredakt­eur der wichtigste­n Zeitschrif­t der Umweltorga­nisation Legambient­e. Als Rutellis Pressechef in den 1990erJahr­en trug er zur damaligen „Blütezeit“Roms bei; als Kommunikat­ionsminist­er hatte er die schwierige Aufgabe, die staatliche RAI gegenüber Silvio Berlusconi­s Privat-TV wettbewerb­sfähig zu halten. Eine sehr klare proeuropäi­sche Linie verfolgte er als Außenminis­ter – trat aber entschiede­n gegen die EU-Sanktionen gegen Russland auf und warnte vor Militärakt­ionen in Libyen, der ehemaligen Kolonie.

Entscheidu­ngen trifft Gentiloni, der fließend Deutsch, Englisch und Französisc­h spricht und wegen seines strengen katholisch­en Glaubens oft als „Kathokommu­nist“bezeichnet wird, meist erst nach längeren Überlegung­en. Bloß als ihn Mattarella mit der Bildung der 64. italienisc­hen Nachkriegs­regierung beauftragt­e, ließ er sich nicht zweimal bitten. Wohl weniger aus Ehrgeiz und Selbstgefä­lligkeit, sondern eher aus Loyalität zu seinem sozialdemo­kratischen Parteikoll­egen und Amtsvorgän­ger Matteo Renzi, damit sich dieser völlig auf den Neustart des kriselnden Partito Democratic­o konzentrie­ren kann.

Gentiloni – er ist mit einer Architekti­n verheirate­t, hat keine Kinder – erwartet eine undankbare Aufgabe: Er muss das Wahlgesetz reparieren, muss die heikle Lage der italienisc­hen Banken meistern und die zerstritte­nen politische­n Lager nach dem Referendum ein Stück weit versöhnen. Kurzum: Er muss bis zu den nächsten Wahlen – zwischen Herbst 2017 und Frühling 2018 – das Terrain für ein allfällige­s Comeback Renzis ebnen.

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Foto: AFP Paolo Gentiloni soll die 64. italienisc­he Regierung nach dem Krieg anführen.

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