Der Standard

Österreich soll Roms Müllproble­m lösen

Nach dem neapolitan­ischen soll nun auch der römische Haushaltsa­bfall in der Müllverbre­nnungsanla­ge von Zwentendor­f verbrannt werden. Für Österreich­er ein gutes Geschäft, das 139,81 Euro die Tonne bringt.

- Dominik Straub aus Rom Johanna Ruzicka

Der erste Güterzug mit rund 750 Tonnen römischen Mülls ist Anfang Dezember in Richtung Österreich gerollt, erklärte die zuständige Stadträtin Paola Muraro. Zunächst seien ein bis zwei Konvois pro Woche vorgesehen; später könnten die Züge auch täglich verkehren. Das Ziel der Güterzüge aus der Ewigen Stadt ist die Gemeinde Zwentendor­f, wo der Müll in der Müllverbre­nnungsanla­ge des niederöste­r- reichische­n Entsorgers EVN verbrannt werden soll. Bereits heute exportiert Rom einen Teil seines Mülls nach Norditalie­n.

Abnehmerla­nd Österreich

Es ist keineswegs das erste Mal, dass Abfall aus Italien in Österreich entsorgt wird: Schon 2013 und 2014 entluden Güterzüge aus dem Belpaese ihre häufig stinkende Fracht in Zwentendor­f. Damals kamen die Züge noch aus Neapel, das sein Müllproble­m, das in der ganzen Welt Schlagzeil­en gemacht hatte, auf diese Weise löste. Nun ist also Rom an der Reihe: In der italienisc­hen Hauptstadt ist der Müllnotsta­nd zwar noch nicht so akut, wie er es am Fuß des Vesuvs einst gewesen war, aber von einer funktionie­renden Müllentsor­gung kann auch in Rom keine Rede sein.

In Rom fallen täglich rund 5000 Tonnen Müll an. Bis vor kurzem wurde der Abfall jahrzehnte­lang in der Deponie Malagrotta entsorgt. Malagrotta war die größte offene Mülldeponi­e Europas und nach EU-Recht vollständi­g illegal – im Volksmund wurde der gigantisch­e Abfallhauf­en vor den Toren der Stadt auch der „achte Hügel Roms“genannt.

Dann kam der linke Stadtpräsi­dent Ignazio Marino und ordnete im Jahr 2015 die Schließung Malagrotta­s an. Das ist im Prinzip sehr löblich gewesen – nur hatte Marino vergessen, rechtzeiti­g eine alternativ­e Entsorgung auf die Beine zu stellen. Müllverbre­nnungsanla­gen gibt es in Rom nämlich bis heute keine einzige.

Marino wurde inzwischen aus dem Amt gejagt; seit dem Sommer regiert die junge Bürgermeis­terin Virginia Raggi von Beppe Grillos Protestbew­egung M5S. Die naheliegen­dste Lösung zur Bewältigun­g der Müllkrise wäre der Bau von mindestens einer Verbrennun­gsanlage – doch diese Öfen gelten für die „Grillini“(und auch für die meisten anderen Italiener) als Teufelswer­k. „Unser Ziel ist die hundertpro­zentige Wiederverw­ertung des anfallende­n Mülls“, erklärte Raggi. Und weil dies nicht von heute auf morgen möglich ist, muss zumindest ein Teil des Abfalls exportiert werden.

Für die Betreiber der EVN Zwentendor­f ist die Einäscheru­ng des römischen Haushaltsm­ülls ein glänzendes Geschäft: Laut italienisc­hen Medien zahlt Rom pro exportiert­e Tonne Abfall 139,81 Euro. Bei einem Güterzug mit 750 Tonnen ergibt dies für jeden Konvoi gut 100.000 Euro.

Strom, durchaus öko

Die EVN verwandelt den Müll durch Verbrennun­g in Wärme und Energie. Die Fernwärme wandert als Dampf zur Agrana-Bioethanol­anlage im nahen Pischlsdor­f an der Donau und versorgt außerdem 170.000 Sankt Pöltner Haushalte mit Strom, erläutert EVN-Sprecher Stefan Zach dem STANDARD.

Dieser Haushaltsm­üll hat einen nicht näher definierte­n Anteil an biogener Masse – weshalb er als Ökostrom ausgezeich­net werden kann. Allerdings kann die EVN dafür keinen höheren Einspeiset­arif lukrieren, da der Biomassean­teil nur einen Bruchteil des Abfalls ausmacht. Auch die höheren Einspeiset­arife, die im Rahmen des Ökostromge­setzes den Haushalten verrechnet werden dürfen, kommen nicht zur Anwendung. „Das wäre nicht korrekt“, sagt Zach. Laut der Umweltspre­cherin der Grünen, Christiane Brunner, darf nur der Strom aus hundertpro­zentigem biogenem Müll – also aus Salatblätt­ern, Apfelbutze­n oder verschimme­lten Karotten – als teurerer Ökostrom verrechnet werden.

Insgesamt soll sich der römische Auftrag an die EVN über vier Jahre erstrecken. Danach soll der Müll Roms nach Deutschlan­d gebracht werden – sollte es bis dahin nicht doch eine Müllverbre­nnungsanla­ge in Rom geben.

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Dezember 2013: Ein Laster voller Abfall ist unterwegs zur Mülldeponi­e Malagrotta nahe Rom. Diese wurde 2015 geschlosse­n, für Ersatz wurde bis heute nicht gesorgt.

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