Der Standard

„US-Präsident Trump könnte eine Chance sein“

António Guterres, am Montag als UN-Generalsek­retär angelobt, hat alle Voraussetz­ungen für dieses Amt, sagt der Politologe Johannes Varwick. Er sieht die Zeit der Konsenspol­itik zwischen den Großmächte­n gekommen.

- INTERVIEW: Manuela Honsig-Erlenburg

STANDARD: In welchem Zustand übernimmt Guterres die Uno? Varwick: Die Vereinten Nationen haben sich in den Jahren redlich bemüht. Das ist aber schon das Beste, das man sagen kann. Zur Lösung der realen Probleme haben sie kaum beigetrage­n, obwohl es Erfolge wie das Klimaabkom­men oder UN-Nachhaltig­keitsziele gab. Überlagert wurden diese Erfolge aber durch das Scheitern in den Regionalko­nflikten – allen voran der Konflikt in Syrien, der in den gesamten Nahen Osten ausstrahlt. Das Image der Uno ist dadurch ziemlich lädiert.

STANDARD: Welchen Führungsst­il erwarten Sie, und wo wird Guterres seine Schwerpunk­te setzen? Varwick: Man hat schon bei der Vorstellun­g in der Generalver­sammlung gesehen, dass er sehr gut weiß, welche Handlungsm­öglichkeit­en die Vereinten Nationen haben. Die Uno kann nicht gegen den Willen der wichtigen Staaten agieren, man kann nur immer versuchen, bei einer Reihe von internatio­nalen Problemen einen Konsens zu bilden. Das wird auch sein Arbeitssti­l sein. Er hat sich in dieser Hinsicht sehr geschickt positionie­rt und davon gesprochen, dass man die Werte der UN-Charta wieder ernster nehmen muss. Er sprach dabei kein konkretes Land an – weder Russland noch China noch die USA.

STANDARD: Was kann man von Guterres bei der UN-Reform erwarten? Varwick: Er hat in seinem Vorstellun­gsstatemen­t schon gesagt, dass die Reform der Vereinten Nationen eine Daueraufga­be ist. Eine Daueraufga­be kann man nicht lösen. Es muss ein anständige­s Klima geben, um pragmatisc­h dort zu handeln, wo es einen Grundkonse­ns gibt. Einen großen Knall bei der Reform oder die Reform des Sicherheit­srates wird es auch unter ihm nicht geben.

STANDARD: Wie ist die Stimmung? Varwick: Möglicherw­eise ist jetzt die Stunde der Zusammenar­beit der Großmächte gekommen. Guterres kann der Anwalt dieser Kooperatio­n sein, weil er sowohl mit Russland als auch mit China und den USA gut kann. Die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidente­n birgt viele Risiken, aber sie könnte auch eine Chance sein, Russland wieder näherzukom­men. Gibt es diesen Großmächte­konsens, dann haben Regionalko­nflikte wie in Syrien, Jemen oder dem Sudan bessere Lösungscha­ncen. In der internatio­nalen Politik geht nun mal nichts gegen den Willen der Großmächte. Und wir haben gesehen, dass die Einmischun­g gegen den Willen der Staaten in innere Angelegenh­eiten in vielen Fällen nichts gebracht hat.

STANDARD: Ein großes globales Thema ist die Flüchtling­sproblemat­ik. Varwick: Guterres wird natürlich seine Erfahrung als Uno-Hochkommis­sar für Flüchtling­e einbringen. Das Thema Flucht und Migration ist ein zentrales Thema für ihn.

STANDARD: Eine der schwierige­ren Aufgaben des Generalsek­retärs wird es auch sein, die UN-Nachhaltig­keitsziele durchzuset­zen. Varwick: Ich denke, dass auch dieses Thema ein Schwerpunk­t der Arbeit von Guterres bleiben wird. Schließlic­h sind nachhaltig­e Entwicklun­g und der Abbau der massiven Ungleichge­wichte in der Welt auch wichtige Voraussetz­ungen für die Bekämpfung der Fluchtursa­chen. Wenn die vielen Beschlüsse – wie etwa die Nachhaltig­keitsziele – die in der Amtszeit von Ban Ki-moon gemacht wurden, jetzt umgesetzt werden, dann wäre schon viel gewonnen.

JOHANNES VARWICK (48) ist Professor für Internatio­nale Beziehunge­n und europäisch­e Politik an der Martin-Luther-Universitä­t Halle-Wittenberg.

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Foto: privat/Tamme Johannes Varwick sieht für Guterres gute Bedingunge­n.

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