„US-Präsident Trump könnte eine Chance sein“
António Guterres, am Montag als UN-Generalsekretär angelobt, hat alle Voraussetzungen für dieses Amt, sagt der Politologe Johannes Varwick. Er sieht die Zeit der Konsenspolitik zwischen den Großmächten gekommen.
STANDARD: In welchem Zustand übernimmt Guterres die Uno? Varwick: Die Vereinten Nationen haben sich in den Jahren redlich bemüht. Das ist aber schon das Beste, das man sagen kann. Zur Lösung der realen Probleme haben sie kaum beigetragen, obwohl es Erfolge wie das Klimaabkommen oder UN-Nachhaltigkeitsziele gab. Überlagert wurden diese Erfolge aber durch das Scheitern in den Regionalkonflikten – allen voran der Konflikt in Syrien, der in den gesamten Nahen Osten ausstrahlt. Das Image der Uno ist dadurch ziemlich lädiert.
STANDARD: Welchen Führungsstil erwarten Sie, und wo wird Guterres seine Schwerpunkte setzen? Varwick: Man hat schon bei der Vorstellung in der Generalversammlung gesehen, dass er sehr gut weiß, welche Handlungsmöglichkeiten die Vereinten Nationen haben. Die Uno kann nicht gegen den Willen der wichtigen Staaten agieren, man kann nur immer versuchen, bei einer Reihe von internationalen Problemen einen Konsens zu bilden. Das wird auch sein Arbeitsstil sein. Er hat sich in dieser Hinsicht sehr geschickt positioniert und davon gesprochen, dass man die Werte der UN-Charta wieder ernster nehmen muss. Er sprach dabei kein konkretes Land an – weder Russland noch China noch die USA.
STANDARD: Was kann man von Guterres bei der UN-Reform erwarten? Varwick: Er hat in seinem Vorstellungsstatement schon gesagt, dass die Reform der Vereinten Nationen eine Daueraufgabe ist. Eine Daueraufgabe kann man nicht lösen. Es muss ein anständiges Klima geben, um pragmatisch dort zu handeln, wo es einen Grundkonsens gibt. Einen großen Knall bei der Reform oder die Reform des Sicherheitsrates wird es auch unter ihm nicht geben.
STANDARD: Wie ist die Stimmung? Varwick: Möglicherweise ist jetzt die Stunde der Zusammenarbeit der Großmächte gekommen. Guterres kann der Anwalt dieser Kooperation sein, weil er sowohl mit Russland als auch mit China und den USA gut kann. Die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten birgt viele Risiken, aber sie könnte auch eine Chance sein, Russland wieder näherzukommen. Gibt es diesen Großmächtekonsens, dann haben Regionalkonflikte wie in Syrien, Jemen oder dem Sudan bessere Lösungschancen. In der internationalen Politik geht nun mal nichts gegen den Willen der Großmächte. Und wir haben gesehen, dass die Einmischung gegen den Willen der Staaten in innere Angelegenheiten in vielen Fällen nichts gebracht hat.
STANDARD: Ein großes globales Thema ist die Flüchtlingsproblematik. Varwick: Guterres wird natürlich seine Erfahrung als Uno-Hochkommissar für Flüchtlinge einbringen. Das Thema Flucht und Migration ist ein zentrales Thema für ihn.
STANDARD: Eine der schwierigeren Aufgaben des Generalsekretärs wird es auch sein, die UN-Nachhaltigkeitsziele durchzusetzen. Varwick: Ich denke, dass auch dieses Thema ein Schwerpunkt der Arbeit von Guterres bleiben wird. Schließlich sind nachhaltige Entwicklung und der Abbau der massiven Ungleichgewichte in der Welt auch wichtige Voraussetzungen für die Bekämpfung der Fluchtursachen. Wenn die vielen Beschlüsse – wie etwa die Nachhaltigkeitsziele – die in der Amtszeit von Ban Ki-moon gemacht wurden, jetzt umgesetzt werden, dann wäre schon viel gewonnen.
JOHANNES VARWICK (48) ist Professor für Internationale Beziehungen und europäische Politik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.