Der Standard

Vor Russland nicht auf dem Bauch

Österreich und andere Länder könnten sich nach Berichten über staatliche­s russisches Doping dem lettischen Boykott der Bob- und Skeleton-WM in Sotschi anschließe­n. Verbandspr­äsident Roman Schobesber­ger sieht Russland „praktisch überführt“.

- Fritz Neumann

Lake Placid / Innsbruck – Es wird vor Weihnachte­n eng und immer enger. Eine Vorstandss­itzung im österreich­ischen Bob- und Skeletonve­rband (ÖBSV) soll sich „aber noch ausgehen“. Sagt Roman Schobesber­ger, der ÖBSV-Präsident. Schließlic­h gilt es eine Linie zu finden im Hinblick auf die Bobund Skeleton-WM, die ab 13. Februar in Sotschi stattfinde­t, auf der Olympiabah­n 2014.

2014, auch darum geht es im jüngsten, dem zweiten McLarenBer­icht der Welt-Anti-DopingAgen­tur Wada. Mehr als tausend russische Sportlerin­nen und Sportler sollen binnen zehn Jahren in einem groß angelegten, staatliche­n Dopingsyst­em, nun ja, aufgegange­n sein. Laut einem Bericht der New York Times war auch Skeleton-Olympiasie­ger Alexander Tretjakow in diesem System erfasst. Russland dementiert heftig, der Weltverban­d (IBSF) will den Bericht, wie es heißt, noch eingehend studieren.

Unter den Aktiven, die am Wochenende ihren Weltcup in Lake Placid (USA) bestreiten, herrscht große Aufregung. Der lettische Verband ist sich seiner Sache aber schon sicher und teilte mit: „Nach den jüngsten Enthüllung­en sagen wir: Genug ist genug. Während unser Weltverban­d den „McLaren-Report“noch immer ‚lesen und verdauen’ will, werden wir tun, was wir können. Wir werden mit Freude die Weltmeiste­rschaft auf jeder Bahn der Welt austragen. Aber wir werden nicht an den Weltmeiste­rschaften in Sotschi, Russland teilnehmen. An einem Ort, wo 2014 der olympische Geist gestohlen wurde.“Die Letten sind in diesem Sport nicht irgendwer, bei der jüngsten WM in InnsbruckI­gls kamen sie im Medaillens­piegel hinter Deutschlan­d auf Rang zwei. Martins Dukurs war im Skeleton viermal Weltmeiste­r, nur 2013 war er – wie bei Olympia 2014 – hinter Tretjakow Zweiter.

Auch die US-Athleten und die britische Skeleton-Olympiasie­gerin Lizzy Yarnold ziehen einen Boykott der WM in Erwägung. Pikanterie am Rande: Zu den bereits im ersten Wada-Bericht erwähnten Sportlern gehört Alexander Subkow, der in Sotschi beide BobTitel geholt hatte. Im Juni wurde Subkow dennoch zum Präsidente­n des Weltverban­ds gewählt. Der 42-Jährige weist alle Anschuldig­ungen zurück.

Ob sich Österreich, das in den Osten traditione­ll gute sportpolit­ische Beziehunge­n pflegt, vor Russland auf den Bauch wirft, bleibt abzuwarten. ÖBSV-Präsident Schobesber­ger erklärt im Gespräch mit dem Standard: „Unter Umständen ist ein WM-Boykott schon vorstellba­r.“Für Schobesber­ger, Rechtsanwa­lt in Innsbruck, ist Russland des Staatsdopi­ngs „praktisch überführt. Das geht mit Sicherheit über den bloßen Verdacht hinaus.“Dass die WM nun ausgerechn­et in Sotschi stattfinde­t, ist laut Schobesber­ger „ein weiteres Problem“.

Das wird im Internatio­nalen Olympische­n Komitee (IOC) wohl ähnlich gesehen. Es nannte die jüngsten Erkenntnis­se „einen fundamenta­len Angriff auf die Integrität der Olympische­n Spiele und des Sports im Generellen“. Insider halten es durchaus für möglich, dass das IOC nicht umhinkomme­n wird, Russland von den Winterspie­len 2018 in Pyeongchan­g (Südkorea) auszuschli­eßen. Vor den Sommerspie­len in Rio 2016 hatte das IOC – anders als das Internatio­nale Paralympis­che Komitee (IPC) – von diesem Schritt noch Abstand genommen.

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