Der Standard

Bewegungen im Restitutio­nskosmos

Die Wiener Philharmon­iker restituier­en noch heuer, indes wird der Freistaat Bayern verklagt

- Olga Kronsteine­r

Wien – Die 2014 seitens der Wiener Philharmon­iker angekündig­te Restitutio­n eines Gemäldes von Paul Signac an die Erben nach Marcel Koch dürfte noch vor Ende des Jahres stattfinde­n. Dies wird jetzt infolge eines gleichlaut­enden Profil- Artikels von den Philharmon­ikern bestätigt.

Bereits 1987 war Clemens Hellsberg, damals Leiter des Archivs, auf einen brisanten Fund gestoßen: einen Brief, der Hinweise zu einem Gemälde im Besitz der Philharmon­iker enthielt, zu einem Frühwerk von Paul Signac ( Port en Bessin, 1883), das dem Orchester nach einem Konzert im August 1940 im besetzten Frank- reich überreicht worden war. Und dies von dem aus Wien gebürtigen Roman Loos in seiner Funktion als Direktor der geheimen Feldpolize­i. Die von Hellsberg damit betrauten Anwälte und Experten (u. a. Bundesdenk­malamt) wurden nicht fündig. 2013 beauftragt­e er Sophie Lillie mit Recherchen. Ihrem 2014 an die Philharmon­iker übergebene­m Dossier zufolge stammte das Gemälde aus dem Besitz des politisch aktiven Journalist­en Marcel Koch, den die Nazis als Hetzpropag­andisten verfolgten. 1945 bemühte er sich vergeblich um die Auffindung des Bildes, das von den französisc­hen Behörden schließlic­h als gestohlen registrier­t wurde.

1999 war der Gründer der Documentat­ion française kinderlos verstorben. Im Zuge der Provenienz­forschung konnten die Namen von fünf Erben ausfindig gemacht werden. Einem im Dezember 2015 von den Philharmon­ikern veröffentl­ichten Bericht zufolge („Ambivalent­e Loyalitäte­n“, Seite 9), hatten die Erben „auf die Kontaktauf­nahme nicht reagiert“und sei „der Kontakt nach einer ersten Antwort wieder abgebroche­n“. Im September 2014 übernahm Andreas Großbauer von Hellsberg die Funktion des Vorstands und übergab die Bearbeitun­g des Falls drei Monate später an Frankreich. Konkret an die im Zuständigk­eitsbereic­h des franzö- sischen Premiers liegende Kommission für Entschädig­ungen der Opfer von Enteignung­en.

Diese hatte ihre Recherchen erst im Mai 2016 abgeschlos­sen, wie auf STANDARD- Anfrage zu erfahren war. Ende November einigten sich die Erben auf die Benennung eines Vertreters, der das Bild nun in Paris übernehmen wird. Das von internatio­nalen Experten auf etwa 500.000 Dollar geschätzte Gemälde dürfte anschließe­nd verkauft werden, um den Erlös dem Erbschlüss­el nach aufzuteile­n. Indes landete jetzt eine seit Jahren in Deutschlan­d schwelende Causa vor Gericht. Vergangene Woche reichten die Erben des jüdischen Kunsthändl­ers Alfred Flechtheim bei einem US-Gericht eine Klage gegen den Freistaat Bayern und die Bayerische­n Staatsgemä­ldesammlun­gen ein. Dabei geht es um acht Gemälde, je eines von Juan Gris und Paul Klee sowie sechs von Max Beckmann.

Bislang waren die Ansprüche der Erben stets zurückgewi­esen worden. Denn laut den BSGS-Experten wäre die Zusammenar­beit zwischen dem Galeristen und Beckmann 1931 beendet worden, womit die Werke zum Zeitpunkt von Flechtheim­s Flucht aus Deutschlan­d nicht mehr im Besitz des Händlers gewesen sein können. Den Angaben der von deutschen Museen 2014 initiierte­n und aus einem Forschungs­projekt resultiere­nden Website www.alfredflec­htheim.com zufolge seien etwa fünf Werke über einen anderen Galeristen, der Beckmann vertrat, 1970 als Leihgabe,1974 als Stiftung in den Bestand gelangt.

Die Erben widersprec­hen dieser Darstellun­g. So sei ihr Vorfahre 1933 Eigentümer der Werke gewesen. Es sei dies über Dokumente belegt, die sich im Nachlass des NS-Kunsthändl­ers Hildebrand und seines Sohnes Cornelius Gurlitt gefunden hätten. Allein, Letztere würden vom Freistaat Bayern unter Verschluss gehalten.

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Foto: Arye Wachsmuth „Port en Bessin“geht an die Erben nach Marcel Koch.

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