Der Standard

Ein Schlusswor­t für Stimmlose

- Colette M. Schmidt

Dass 2016 ein mieses Jahr war, steht fest. Ohne depressiv zu werden, kann man keinen Rückblick gestalten. Nur allzu verständli­ch ist da der Zeitsprung, den Die Anstalt am Sonntag auf 3sat vollzog. Nicht zurück, sondern vorwärts sahen Max Uthoff und Claus von Wagner in ihrer Satireshow.

Es ist der Abend der Bundestags­wahlen 2017. Rosige Zeiten sind hier auch nicht zu erwarten. Satte 38 Prozent hat die AfD erlangt. Tatsächlic­h schockt die Hochrechnu­ng die Kommentato­ren. Aber sie versuchen, ruhig zu bleiben. Gut möglich, dass ja die Russen an dem Ergebnis schuld sind, meint etwa von Wagner. Um die Expertise aus Österreich kümmert sich Alfred Dorfer, der von tausenden Flüchtling­en berichtet, mit denen Österreich Jahr für Jahr zurechtkom­men müsse: Menschen aus Deutschlan­d, die vor dem Numerus clausus fliehen – „wir nennen sie zärtlich Intelligen­zflüchtlin­ge“, so Dorfer.

Zur Talkrunde mit den Spitzenkan­didaten schlüpft Dorfer später in die Rolle des Moderators. Eine verzweifel­t Bier aus der Flasche kippende Merkel (von Wagner) sitzt da neben einem verschmitz­t rassistisc­h fluchenden Seehofer (Uthoff) am Tisch. Herrlich ist auch Antonia von Romatowski­s Parodie einer nervösen Frauke Petry, die irritiert ist, weil sie gar niemand unterbrich­t.

Nach dieser Runde hat Mely Kiyak, Schriftste­llerin und Tochter türkisch-kurdischer Einwandere­r, das Schlusswor­t. Welches Ergebnis hätten wir wohl, fragt sie ganz ohne Ironie, wenn auch endlich rund acht Millionen Migranten, die seit 50 Jahren in Deutschlan­d leben und Staatsbürg­erpflichte­n erfüllen, wählen dürften? „Obergrenzw­ertig“findet das Seehofer, doch Merkel rechnet sich schon die Extrastimm­en aus. derStandar­d. at/TV-Tagebuch

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