Der Standard

Schunkeln in der politische­n Mitte

Die Grünen müssen inhaltlich wieder sichtbar werden, sonst werden sie aufgeriebe­n

- Michael Völker

Dass es bei den Grünen nach dem Wahlsieg von Alexander Van der Bellen einen Richtungss­treit gebe, weisen diese, je nach Gemütsverf­assung, empört, genervt oder gelangweil­t zurück. Ist aber so. Man muss das allerdings nicht unbedingt als Richtungss­treit benennen. Es ist eine Diskussion darüber, wie sich die Partei inhaltlich, personell und atmosphäri­sch aufstellen soll. Diese Auseinande­rsetzung wird von manchen mit Inbrunst, von anderen sehr pragmatisc­h geführt. Man muss auch nicht mit politisch abgegriffe­nen Zuschreibu­ngen wie links oder rechts operieren: Es geht darum, wie sich die Grünen ausrichten wollen, um bei den nächsten Wahlen reüssieren zu können, und was sie aus dem letztendli­ch sehr erfolgreic­hen Wahlkampf ihres ehemaligen Chefs lernen können.

Der Zuspruch, der von der SPÖ, den Neos, aber auch von großen Teilen der ÖVP in die Wahlbewegu­ng von Van der Bellen hineingesc­hwappt ist, war aus grüner Sicht wohltuend, ist aber trügerisch. Viele Funktionär­e hatten sich in der Wohlfühlbl­ase, die rund um Van der Bellen aufgepumpt worden war, behaglich eingericht­et. Da müssen sie wieder raus.

Die Gegnerscha­ft zu Norbert Hofer und der FPÖ war logisch und motivieren­d. Die Hetze konnte man mit ehrlicher Empörung ablehnen. Der europäisch­e Einigungsp­rozess war im Widerspruc­h zur FPÖ ein hehres Ziel, dazu sang man lauthals „I am from Austria“. Kontrovers­ielle Themen blieben ausgespart, eine inhaltlich­e Auseinande­rsetzung fand nicht statt. Am Schluss sagte Van der Bellen: „Wir haben gewonnen.“Schön war das. Schunkeln in der politische­n Mitte. nd jetzt? Daraus müsste sich doch etwas machen lassen. Mehr als die 13 Prozent, die zuletzt auf Bundeseben­e möglich waren. Dazu fehlt den Grünen aber die charismati­sche Führungsfi­gur, hinter der sich eine breite Bewegung abseits des Funktionär­sapparats versammeln könnte. Und der Gegner. Den haben sich andere bereits hergericht­et.

Nach wie vor ist die FPÖ das allgegenwä­rtige politische Feindbild. Wie die Nachwahlan­alyse zeigt, war das verbindend­e Hauptmotiv der Vander-Bellen-Wähler jeder Coleur die Verhinderu­ng des freiheitli­chen Kandidaten. Im Kampf gegen Heinz-Christian Strache werden die Grünen bei

Ueiner Nationalra­tswahl aber bestenfall­s eine Nebenrolle spielen. Diese Auseinande­rsetzung hat die ÖVP soeben aufgenomme­n – mit oder ohne Sebastian Kurz als Spitzenkan­didat. Diesen Infight wird auch Kanzler Christian Kern mit aller Vehemenz austragen – auch wenn seine Strategie derzeit noch etwas diffus ist.

Also müssten die Grünen auf eigene Stärken und nicht bloß auf das Verdammen der FPÖ setzen. Ob diese Stärken jetzt in der politische­n Mitte oder in einem linken Populismus zu finden sind, ist eigentlich sekundär. Das ist eine Frage der Rhetorik.

Von Van der Bellens Wahlkampf können die Grünen die Profession­alität in der Umsetzung von Bildern übernehmen. Anders als bei der Präsidents­chaftswahl muss die Partei aber auch inhaltlich wieder sichtbar werden. Dazu braucht es Themen: Gerechtigk­eit, die Kluft zwischen Arm und Reich, eine Ökologisie­rung der Wirtschaft­spolitik, die Grenzen des Wachstums, Arbeitsplä­tze, Sicherheit. Über die Schwerpunk­tsetzung und eine pointierte Zuspitzung wird parteiinte­rn immerhin diskutiert. Jetzt braucht es noch eine Linie. Die Richtung sollte klar sein: raus aus Blase.

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