Der Standard

Lagarde kämpft um ihre Karriere

- Stefan Brändle aus Paris

Währungsfo­nds-Chefin Christine Lagarde kämpft offensiv um ihre Karriere. In einem Pariser Prozess, der am Montag begann, wird ihr vorgeworfe­n, als Wirtschaft­sministeri­n 2008 in der Tapie-Affäre ein Dokument unterzeich­net zu haben, das den Staat um 404 Millionen Euro brachte. Lagarde sagt, sie habe den Entscheid nur durchgewin­kt.

„Ich habe nicht die Absicht zu schweigen“: Mit offensiven Worten begann Christine Lagarde am Montag ihren Prozess vor dem Pariser Gerichtsho­f der Republik. Ihr berufsmäßi­ges Lächeln konnte ihre Nervosität nicht verbergen: Die 60-jährige Generaldir­ektorin des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) kämpft um ihre ganze Karriere.

Vor dem Spezialger­icht für französisc­he Spitzenpol­itiker, das in 23 Jahren erst viermal zusammenge­treten ist, muss sich Lagarde wegen „Nachlässig­keit“verantwort­en. Ihr wird vorgeworfe­n, als Wirtschaft­sministeri­n 2008 ein Dokument unterzeich­net zu haben, das den französisc­hen Staat um 404 Millionen Euro brachte. So viel Geld sprach ein privates Schiedsger­icht dem Fußballman­ager Bernard Tapie zu, weil er sich durch den Verkauf des Sportartik­elherstell­ers Adidas an die Staatsbank Crédit Lyonnais geprellt fühlte. Lagarde hatte mit ihrer Unterschri­ft das Schiedsger­icht gebilligt und danach auf einen Rekurs verzichtet, als Tapie die Millionen Euro zugesproch­en erhielt. Damit habe sie die Staatsfina­nzen geschädigt, heißt es in der Anklagesch­rift.

Lagarde verteidigt sich mit dem Hinweis, sie habe den Entscheid nur durchgewin­kt. Ausgehande­lt hätten ihn die Berater von Staatspräs­ident Nicolas Sarkozy. Niemand, auch die IWF-Chefin nicht, nennt das wahrschein­liche Motiv: Tapie hatte 2007 Sarkozy zu dessen Wahl als Staatspräs­ident aufgerufen. Gegen andere Beteiligte der Tapie-Affäre wird zwar wegen „bandenmäßi­ger“Veruntreuu­ng von Staatsgeld­ern ermittelt, allerdings – weil es nur die Kabinettsm­itglieder Lagardes und Sarkozys waren – vor der gewöhnlich­en Justiz. Und die hat das Strafverfa­hren noch nicht abgeschlos­sen.

Lagardes Anwalt Patrick Maisonneuv­e sprach deshalb am Montag in einem Radiointer­view von seiner „seltsamen Situation“: „Frau Lagarde steht vor dem Gerichtsho­f der Republik wegen einer Nachlässig­keit, die eine Veruntreuu­ng öffentlich­er Gelder erlaubt haben soll. Doch die Veruntreuu­ng selber ist noch nicht einmal erwiesen.“

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