Abschiedsvorstellung: Ingrid Thurnher über ihre Gäste in „Im Zentrum“
Nach 270 Sendungen mit 1500 Gästen moderiert Ingrid Thurnher am Sonntag zum letzten Mal „Im Zentrum“im ORF. Die Klubobleute der Parteien bleiben ihr aber auch im neuen Job bei ORF 3 nicht erspart.
INTERVIEW: STANDARD: Am Sonntag moderieren Sie Ihr letztes „Im Zentrum“. Mit Wehmut oder Erleichterung? Thurnher: Von beidem etwas. Ohne Wehmut verabschiedet man sich nicht von einer Sendung, die man so lange und so gerne gemacht hat. Auf der anderen Seite ist es höchste Zeit für mich, etwas Neues zu machen.
STANDARD: Manche hatten das Gefühl, dass Sie in letzter Zeit schon genervt waren. Stichwort: Augenrollen. Thurnher: Wirklich? (lacht) Ich bemühe mich, meine Mimik unter Kontrolle zu halten, sie wird aber immer stärker mit der Zeit, habe ich das Gefühl. Sie scheint mir manchmal unbewusst zu entgleiten. (lacht)
STANDARD: Gab es viele Interventionen, wenn beispielsweise eine Partei wieder einmal nicht zu einer Sendung eingeladen wurde? Thurnher: Na ja, ab und zu gab es schon die Frage: Warum sind wir nicht eingeladen worden? Wir wollten bei Im Zentrum von einem Konzept weg, bei dem sich immer alle Parteien mit einem Thema auseinandersetzen. Spannender ist es, ein Thema mit einem Regierungs- und einem Oppositionsvertreter und jemandem aus der Zivilgesellschaft zu diskutieren. Nach dem Motto: Politik trifft Realität.
STANDARD: Um das konkretisieren: Die Neos haben sich kürzlich aufgeregt, dass sie nicht am „Runden Tisch“nach der Bundespräsidentenwahl vertreten waren, was sie mit ihrer Anti-GIS-Kampagne in Verbindung gebracht haben. Thurnher: Man kann sich die Realität auch zurechtreden oder zurechtdenken. Geht man unmittelbar nach der Bundespräsidentenwahl her und sagt, man lädt die Regierungsparteien ein, weil sie unmittelbar mit dem Bundespräsidenten zu tun haben werden – etwa in der Außenrepräsentation –, und jene zwei Parteien, die ihre Kandidaten im Finale des Wahlkampfs hatten, dann sind diese Einladungen ja logisch. Warum sollten wir die Neos und das Team Stronach einladen, die bei dieser Wahl komplett außen vor waren? Beleidigt sein wegen einer Unterschriftenaktion, das ist nicht unser Stil.
STANDARD: Freuen Sie sich, dass Sie nicht mehr mit den Klubobleuten der Parteien diskutieren müssen? Thurnher: Wer sagt Ihnen denn das? (lacht) In ORF 3 gibt es zum Beispiel mit 60 Minuten.Politik eine wöchentliche Diskussionssendung, in der nach dem bisherigen Konzept immer alle sechs Parteien vertreten waren und es in regelmäßigen Abständen eine Klubobleuterunde gibt. Ich habe ja kein Problem mit ihnen, nur die mit mir vielleicht schon. (lacht)
STANDARD: Bei der letzten Runde haben sechs Männer diskutiert. Warum ist der Frauenanteil so gering? Laut ORF sind es 30 Prozent. Thurnher: Wir haben den Frauenanteil im Vergleich zu vorher deutlich erhöht. Was wir nicht können, ist, eine andere Wirklichkeit zu erfinden. Vor allem in der Politik nicht. Es gibt diesen Spruch: Wenn wir einen Mann anrufen und einladen, sagt der: Ja, ich komme, wann soll ich da sein? Und danach fragt er erst: Ach ja, und um welches Thema geht es eigentlich? Laden wir Frauen ein, fragen sie zehnmal nach und überlegen es sich ganz genau, ob sie uns nicht doch lieber einen männlichen Kollegen empfehlen möchten.
STANDARD: Ein großer Aufreger war ein Duell zur Bundespräsidentenwahl, als Sie Norbert Hofer mit Recherchen zu seiner Israel-Reise konfrontiert haben. Danach waren Sie Anfeindungen von FPÖ-Politikern und ihrer Anhänger ausgesetzt. Hinterlässt das Spuren? Thurnher: Ja, das hatte eine besondere Qualität, weil das mit einer unglaublichen Intensität geführt wurde. Es sind allerdings zwei Paar Schuhe, ob man sich reinkniet und jedes Facebook-Posting liest oder ob man das ausblendet, was ich letztendlich getan habe. Sonst müsste ich mir jeden Tag diesen ganzen Mist vor Augen führen. Gibt es aber Sachen, die klagsfähig sind, sollten wir als Journalisten konsequent sein.
STANDARD: Haben Sie geklagt? Thurnher: Derzeit wird eine Anzeige geprüft. Der Grund ist ein Posting auf Facebook, das kurz vor dem Wahlsonntag mit einem erfundenen Zitat von mir erschienen ist. Bei den meisten Hasspostings kommt man nicht weit mit Klagen, aber dieses Fake-Posting geht hoffentlich den Weg aller Gerechtigkeit. Mir wurde per Photoshop ein SPÖ-Logo ans Revers geheftet und geschrieben: „Der ORF ist genauso parteiunabhängig wie Van der Bellen! Darum wähle ich Van der Bellen, weil mir ein parteiunabhängiger ORF wichtig ist.“So etwas geht überhaupt nicht. STANDARD: Wurde der Urheber ausgeforscht, oder geht es vorerst nur gegen den Kärntner FPÖ-Politiker, der das Posting geteilt hat? Thurnher: Ich habe nur gesehen, dass das ein FPÖ-Politiker aus Kärnten verbreitet hat. Wo das vorher herkam, ist mir eigentlich ziemlich egal. Trägt jemand zur Verbreitung bei, ist er „Part of the Game“. Für mich ist er zur Verantwortung zu ziehen.
STANDARD: In der ORF 3-Chefredaktion werden Sie Nachfolgerin von Christoph Takacs, der in Salzburg Roland Brunhofer als Landesdirektor ablöst, weil der als politisch nicht mehr opportun gilt. Wie sehr nervt das Politische im ORF? Thurnher: Mich würde es nerven, wenn ich wegen einer politischen Opportunität etwas werden oder etwas nicht werden würde. Ich bin nie einer Partei nahegestanden. Bei den Bundesländern hat der Landeshauptmann bei der Bestellung der Landesdirektoren ein Anhörungsrecht. Das geht eigentlich nicht mehr, finde ich.
TANDARD: Solche Vorgänge sollten der Vergangenheit angehören? Thurnher: Ja, bitte, das sind alles kleine Wirtschaftsbetriebe, die nach Management- und Qualifikationskriterien besetzt gehören und sonst nach keinem Kriterium.
INGRID THURNHER (54) moderiert seit November 2007 im ORF „Im Zentrum“und „Runder Tisch“. Im Jänner wechselt sie als Chefredakteurin zu ORF 3. pMehr auf derStandard.at/Etat