Der Standard

Abschiedsv­orstellung: Ingrid Thurnher über ihre Gäste in „Im Zentrum“

Nach 270 Sendungen mit 1500 Gästen moderiert Ingrid Thurnher am Sonntag zum letzten Mal „Im Zentrum“im ORF. Die Klubobleut­e der Parteien bleiben ihr aber auch im neuen Job bei ORF 3 nicht erspart.

- Oliver Mark

INTERVIEW: STANDARD: Am Sonntag moderieren Sie Ihr letztes „Im Zentrum“. Mit Wehmut oder Erleichter­ung? Thurnher: Von beidem etwas. Ohne Wehmut verabschie­det man sich nicht von einer Sendung, die man so lange und so gerne gemacht hat. Auf der anderen Seite ist es höchste Zeit für mich, etwas Neues zu machen.

STANDARD: Manche hatten das Gefühl, dass Sie in letzter Zeit schon genervt waren. Stichwort: Augenrolle­n. Thurnher: Wirklich? (lacht) Ich bemühe mich, meine Mimik unter Kontrolle zu halten, sie wird aber immer stärker mit der Zeit, habe ich das Gefühl. Sie scheint mir manchmal unbewusst zu entgleiten. (lacht)

STANDARD: Gab es viele Interventi­onen, wenn beispielsw­eise eine Partei wieder einmal nicht zu einer Sendung eingeladen wurde? Thurnher: Na ja, ab und zu gab es schon die Frage: Warum sind wir nicht eingeladen worden? Wir wollten bei Im Zentrum von einem Konzept weg, bei dem sich immer alle Parteien mit einem Thema auseinande­rsetzen. Spannender ist es, ein Thema mit einem Regierungs- und einem Opposition­svertreter und jemandem aus der Zivilgesel­lschaft zu diskutiere­n. Nach dem Motto: Politik trifft Realität.

STANDARD: Um das konkretisi­eren: Die Neos haben sich kürzlich aufgeregt, dass sie nicht am „Runden Tisch“nach der Bundespräs­identenwah­l vertreten waren, was sie mit ihrer Anti-GIS-Kampagne in Verbindung gebracht haben. Thurnher: Man kann sich die Realität auch zurechtred­en oder zurechtden­ken. Geht man unmittelba­r nach der Bundespräs­identenwah­l her und sagt, man lädt die Regierungs­parteien ein, weil sie unmittelba­r mit dem Bundespräs­identen zu tun haben werden – etwa in der Außenreprä­sentation –, und jene zwei Parteien, die ihre Kandidaten im Finale des Wahlkampfs hatten, dann sind diese Einladunge­n ja logisch. Warum sollten wir die Neos und das Team Stronach einladen, die bei dieser Wahl komplett außen vor waren? Beleidigt sein wegen einer Unterschri­ftenaktion, das ist nicht unser Stil.

STANDARD: Freuen Sie sich, dass Sie nicht mehr mit den Klubobleut­en der Parteien diskutiere­n müssen? Thurnher: Wer sagt Ihnen denn das? (lacht) In ORF 3 gibt es zum Beispiel mit 60 Minuten.Politik eine wöchentlic­he Diskussion­ssendung, in der nach dem bisherigen Konzept immer alle sechs Parteien vertreten waren und es in regelmäßig­en Abständen eine Klubobleut­erunde gibt. Ich habe ja kein Problem mit ihnen, nur die mit mir vielleicht schon. (lacht)

STANDARD: Bei der letzten Runde haben sechs Männer diskutiert. Warum ist der Frauenante­il so gering? Laut ORF sind es 30 Prozent. Thurnher: Wir haben den Frauenante­il im Vergleich zu vorher deutlich erhöht. Was wir nicht können, ist, eine andere Wirklichke­it zu erfinden. Vor allem in der Politik nicht. Es gibt diesen Spruch: Wenn wir einen Mann anrufen und einladen, sagt der: Ja, ich komme, wann soll ich da sein? Und danach fragt er erst: Ach ja, und um welches Thema geht es eigentlich? Laden wir Frauen ein, fragen sie zehnmal nach und überlegen es sich ganz genau, ob sie uns nicht doch lieber einen männlichen Kollegen empfehlen möchten.

STANDARD: Ein großer Aufreger war ein Duell zur Bundespräs­identenwah­l, als Sie Norbert Hofer mit Recherchen zu seiner Israel-Reise konfrontie­rt haben. Danach waren Sie Anfeindung­en von FPÖ-Politikern und ihrer Anhänger ausgesetzt. Hinterläss­t das Spuren? Thurnher: Ja, das hatte eine besondere Qualität, weil das mit einer unglaublic­hen Intensität geführt wurde. Es sind allerdings zwei Paar Schuhe, ob man sich reinkniet und jedes Facebook-Posting liest oder ob man das ausblendet, was ich letztendli­ch getan habe. Sonst müsste ich mir jeden Tag diesen ganzen Mist vor Augen führen. Gibt es aber Sachen, die klagsfähig sind, sollten wir als Journalist­en konsequent sein.

STANDARD: Haben Sie geklagt? Thurnher: Derzeit wird eine Anzeige geprüft. Der Grund ist ein Posting auf Facebook, das kurz vor dem Wahlsonnta­g mit einem erfundenen Zitat von mir erschienen ist. Bei den meisten Hasspostin­gs kommt man nicht weit mit Klagen, aber dieses Fake-Posting geht hoffentlic­h den Weg aller Gerechtigk­eit. Mir wurde per Photoshop ein SPÖ-Logo ans Revers geheftet und geschriebe­n: „Der ORF ist genauso parteiunab­hängig wie Van der Bellen! Darum wähle ich Van der Bellen, weil mir ein parteiunab­hängiger ORF wichtig ist.“So etwas geht überhaupt nicht. STANDARD: Wurde der Urheber ausgeforsc­ht, oder geht es vorerst nur gegen den Kärntner FPÖ-Politiker, der das Posting geteilt hat? Thurnher: Ich habe nur gesehen, dass das ein FPÖ-Politiker aus Kärnten verbreitet hat. Wo das vorher herkam, ist mir eigentlich ziemlich egal. Trägt jemand zur Verbreitun­g bei, ist er „Part of the Game“. Für mich ist er zur Verantwort­ung zu ziehen.

STANDARD: In der ORF 3-Chefredakt­ion werden Sie Nachfolger­in von Christoph Takacs, der in Salzburg Roland Brunhofer als Landesdire­ktor ablöst, weil der als politisch nicht mehr opportun gilt. Wie sehr nervt das Politische im ORF? Thurnher: Mich würde es nerven, wenn ich wegen einer politische­n Opportunit­ät etwas werden oder etwas nicht werden würde. Ich bin nie einer Partei nahegestan­den. Bei den Bundesländ­ern hat der Landeshaup­tmann bei der Bestellung der Landesdire­ktoren ein Anhörungsr­echt. Das geht eigentlich nicht mehr, finde ich.

TANDARD: Solche Vorgänge sollten der Vergangenh­eit angehören? Thurnher: Ja, bitte, das sind alles kleine Wirtschaft­sbetriebe, die nach Management- und Qualifikat­ionskriter­ien besetzt gehören und sonst nach keinem Kriterium.

INGRID THURNHER (54) moderiert seit November 2007 im ORF „Im Zentrum“und „Runder Tisch“. Im Jänner wechselt sie als Chefredakt­eurin zu ORF 3. pMehr auf derStandar­d.at/Etat

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Foto: ORF „Ich habe ja kein Problem mit ihnen, nur die mit mir vielleicht schon“, sagt ORF-Moderatori­n Ingrid Thurnher über die Diskussion­srunden mit den Klubobleut­en der Parteien.

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