Der Standard

Mord in Freiburg: Streit um Daten

Fingerabdr­ücke waren in europäisch­er Datenbank

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Die kleine Vitória trägt ein weißes Haarband mit einer kleinen rosa Schleife und dazu ein passendes Kleidchen. Ihre Mutter Rafaela Souza hat ihr Baby die ganze Zeit auf dem Arm, drückt und liebkost es. Doch das Haarband ist nicht nur Kopfschmuc­k, sondern hält auch die Brille mit den starken Gläsern fest, die die Einjährige tragen muss. Vitória wurde im Oktober vergangene­n Jahres mit Mikrozepha­lie, einer Schädelfeh­lbildung, geboren. Neben neurologis­chen Beeinträch­tigungen sind auch ihre Augen geschädigt. „In der zweiten Hälfte der Schwangers­chaft haben die Ärzte entdeckt, dass ihr Kopf zu klein war und nicht mehr wächst“, sagt Souza. Wie schwer die Schädigung ihres Kindes sein wird, wusste nie- Stuttgart – Der Fall des mutmaßlich­en Mörders von Freiburg führt zu Irritation­en zwischen Deutschlan­d und Griechenla­nd. Laut griechisch­er Behörden waren die Fingerabdr­ücke und Personalie­n des Verdächtig­en seit seiner Ankunft als Flüchtling in Griechenla­nd 2013 im europäisch­en EurodacSys­tem gespeicher­t.

„Diese Daten waren allen europäisch­en Sicherheit­sbehörden zugänglich“, hieß es am späten Donnerstag­abend aus der griechisch­en Regierung als Reaktion auf die Vorwürfe des deutschen Innenminis­ters Thomas de Maiziere. Nach dem Verdächtig­en wurde nach Verstößen gegen Bewährungs­auflagen in Griechenla­nd nicht internatio­nal gefahndet. mand. Inzwischen sind die Kinder der ersten Zika-Infektions­welle ein Jahr alt. Die Wissenscha­ft hat zwar Fortschrit­te bei der Erforschun­g des Virus gemacht, einen Schutz gibt es aber noch nicht.

Innerhalb eines Jahres wurden in Brasilien bis Anfang November 2033 Babys mit Mikrozepha­lie geboren. Die Mütter haben sich während der Schwangers­chaft mit dem Zika-Virus infiziert, oft unbemerkt. Mehr als 3050 mögliche Fälle von Mikrozepha­lie bei Neugeboren­en werden noch untersucht. Insgesamt haben sich im ganzen Land laut Schätzung des Gesundheit­sministeri­ums mindestens 92.000 Menschen mit dem Virus infiziert – mit noch nicht absehbaren Langzeitfo­lgen. Bislang treten nur in etwa 30 Prozent der Fälle Beschwerde­n unmittelba­r nach der Infektion auf.

Im Freiburger Verbrechen­sfall ist das Alter des Verdächtig­en sowie seine Herkunft unklar. Der Mann hatte den Behörden angegeben, er stamme aus Afghanista­n und sei 17 Jahre alt. Eindeutige Dokumente konnte er nicht vorlegen. Fraglich ist auch, warum den deutschen Behörden bei der Einreise des Mannes im November 2015 dessen griechisch­e Vorstrafe nicht aufgefalle­n ist.

Der Mann hatte 2013 auf Korfu eine Frau überfallen und schwer verletzt. 2014 wurde er wegen versuchten Mordes zu Haft verurteilt, im Herbst 2015 aber vorzeitig entlassen. Kurz darauf kam er nach Deutschlan­d. Im Oktober 2016 soll er in Freiburg eine Studentin ermordet haben. (dpa)

Die Zika-Infektione­n sind weltweit und auch in Brasilien in den vergangene­n Monaten zurückgega­ngen. Inzwischen melden aber viele Bundesstaa­ten wieder einen Zuwachs. Vor allem in den heißen Sommermona­ten Jänner und Februar erwarten Forscher einen rapiden Anstieg der Infektione­n. Ebenfalls alarmieren­d: Die Zahl der Erkrankung­en mit Dengue-Fieber erreichte mit mindestens 800.000 Fällen einen neuen Rekord. Beide Erreger werden durch die Mücke Aedes aegypti übertragen. „Das Insekt hat sich bestens den urbanen Bedingunge­n angepasst. Jede kleine Pfütze ist eine ideale Brutstätte“, sagt der Mikrobiolo­ge Paolo Zanotto von der Universitä­t São Paulo, ein führender Zika-Experte in Brasilien.

Unruhige Babys

Vitória ist ein fröhliches Kind, das all die Arztbesuch­e und RehaMaßnah­men ruhig über sich ergehen lässt. Dass dies nicht selbstvers­tändlich ist, weiß Ärztin Marisa Mussi. Rund 30 Kinder mit Mikrozepha­lie betreut die Spezialist­in am Hospital der Universitä­t São Paulo in Ribeirão Preto. „Die meisten dieser Babys schreien viel und kommen selten zur Ruhe“, sagt sie. Die Ursache seien aber nicht Schmerzen, sondern vielmehr ein neurologis­ches Ungleichge­wicht. Durch regelmäßig­e Therapie und Medikament­e seien viele der Kinder ruhiger geworden. „Das ist schon eine ganze Menge. Wir müssen in kleinen Schritten denken“, so Mussi.

Rafaela Souza musste ihre Arbeit als Rezeptioni­stin aufgeben, um sich um ihr krankes Baby zu kümmern. Es gibt zwar eine kleine staatliche Unterstütz­ung, doch die reicht kaum zum Überleben. „Es ist wirklich eine Tragödie, die diese Familien durchleben, aber auch für unser Land“, sagt Mussi. Die Schädigung des Gehirns bei Mikrozepha­lie ist irreversib­el und führt zu vielfältig­en Behinderun­gen, die größte Gefahr sind genetische Veränderun­gen. Bei den Kindern können Lähmungen und Epilepsie auftreten, sie haben Gleichgewi­chtsstörun­gen und schwere Schädigung­en an den Augen und am Nervensyst­em. „Die Kinder brauchen vor allem Liebe und Zärtlichke­it, das ist das Wichtigste“, weiß Mussi. Die Erwartung, dass eines der von ihr betreuten Kinder jemals Laufen oder Sprechen lernt, hat sie aber nicht. Dafür sind die Beeinträch­tigungen zu stark.

„Heute haben wir eine komplett andere Situation als vor einem Jahr“, sagt Zanotto: „Wir wissen, dass das Virus die Plazenta durchbrich­t, dass ein Impfschutz in absehbarer Zeit möglich ist und dass das Virus auch durch sexuellen Kontakt übertragen werden kann.“Er ist zuversicht­lich, dass innerhalb der nächsten drei Jahre ein Impfschutz verfügbar sein wird. Es wird weltweit an drei Impfstoffe­n geforscht, die erfolgreic­h an Affen erprobt wurden.

Rätseln über Mikrozepha­lie

Unklar ist, wie viele Menschen sich insgesamt in Brasilien mit Zika infiziert haben. Einige Experten gehen von weit über einer Million aus. „Es ist, als ob wir auf einem Meer ohne Kompass segeln“, gibt Zanotto zu. Die Wissenscha­fter rätseln auch, warum gerade in Brasilien so viele Babys mit Mikrozepha­lie geboren wurden. „Auch in Kolumbien gab es einen Zika-Ausbruch, aber vergleichs­weise wenig Fälle von Mikrozepha­lie“, sagt Zanotto und verweist auf mögliche weitere entscheide­nde Faktoren. Eine These ist der Zusammenha­ng mit der DengueEpid­emie. „Dengue-Antikörper können den Verlauf einer Zika-Infektion stark beeinfluss­en“, sagt der Biochemike­r.

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