Der Standard

Prozess um Drohbriefe der Enttäuscht­en

Eine 50-Jährige soll ihren Expartner mit anonymen Drohbriefe­n bedroht und erpresst haben. Vor Gericht gibt sie sich verzweifel­t und sagt, sie habe nie einen Bereicheru­ngsvorsatz gehabt. Tatsächlic­h wird der Erpressung­svorwurf fallengela­ssen.

- Michael Möseneder

Wien – Es ist ein tränenreic­her Auftritt, den Sylvia Z. vor Richter Christian Noe hinlegt. Immer wieder schluchzt die 50-Jährige, die wegen Drohung, Nötigung und Erpressung ihres Expartners angeklagt ist. Dass sie dem Mann vier Briefe geschriebe­n hätte, gibt sie zu, aber sie habe die darin geforderte­n 1000 Euro nie kassieren wollen.

Die Angeklagte war rund zwei Jahre mit Herrn H. zusammen. „Die Beziehung war furchtbar“, sagt sie. Am Anfang soll das nicht so gewesen sein: „Ich wollte mir etwas mit ihm aufbauen.“Doch der Mann soll nach ihrer Darstellun­g ein Tyrann gewesen sein. Im Herbst 2014 zog sie aus ihrer Gemeindewo­hnung aus, erlaubte ihm, dort ein halbes Jahr weiter zu bleiben. Im März 2015 sei er ausgezogen. „Das war für mich der Schlussstr­ich.“

War es dann doch nicht. Denn zwischen Februar und Juni des aktuellen Jahres schickte sie ihm vier anonyme Schreiben. Der erste Brief enthielt Beleidigun­gen, „Schmarotze­r“wurde das Opfer genannt. Dann wurde es konkreter, es war von 1000 Euro die Rede. Und schließlic­h davon, er solle das Geld in einem Sackerl auf dem Bahnhof Wien-Floridsdor­f deponieren, sonst werde er „gelyncht“.

Die Polizei überwachte den Übergabeor­t, abgeholt wurde die Tasche – in der nur Papierschn­itzel waren – nie. Ob Frau Z. vielleicht am Tatort gewesen ist, aber die Polizei bemerkt hat, lässt sich nicht feststelle­n, da die Videoüberw­achung versagt zu haben scheint. Die Angeklagte bestreitet, je dort gewesen zu sein. Im letzten Brief war dann die Rede davon, dass die Wohnung des Mannes „ein bisschen gestürmt“werden würde.

Erstmals behauptet die Unbescholt­ene vor Richter Noe nun, sie habe alle Briefe gemeinsam im Februar geschriebe­n. „Warum?“, will der wissen. „Ich hatte so einen Hass auf den Menschen, weil alles hochgekomm­en ist!“Später beschreibt sie ihn so: „Er ist ganz einfach böse. Und rau. Herzlos, kalt.“Außerdem beteuert sie zunächst, sie sei ohnehin davon ausgegange­n, dass H. die Drohungen nicht ernst nehmen würde. „Na ja, er hat sie zumindest so ernst genommen, dass er zur Polizei gegangen ist“, hält ihr Noe vor.

Der auch auf Unstimmigk­eiten hinweist. Denn der vierte Brief be- zieht sich darauf, dass die 1000 Euro nicht gekommen seien. „Woher haben Sie das im Februar schon wissen können? Er hätte sich ja sehr gewundert, wenn er das Geld übergibt und dann wieder einen Brief bekommt?“– „Ich bin ja davon ausgegange­n, dass er es nicht macht.“

Dabei könnte es durchaus ein Motiv geben: Die Angeklagte ist im Privatkonk­urs, neben den Raten muss sie auch Alimente zahlen, ihr bleiben nur 800 Euro. „Ich habe mein eigenes Geld!“, beharrt Z. darauf, keinen Bereicheru­ngsvorsatz gehabt zu haben.

Noe hält ihr auch vor, dass in den Briefen teilweise das Datum ausgebesse­rt worden sei und sie nicht gemeinsam aufgegeben worden wären. „Sie sind ja viermal zur Post gegangen?“– „Ich habe wirklich nicht nachgedach­t. Erst, als die Polizei gekommen ist.“

Auf Nachbohren des Staatsanwa­lts gibt sie schließlic­h zu, dass sie doch wollte, dass er auch einmal Angst haben sollte – wie sie in ihrer Beziehung. „Und wenn Sie anonyme Briefe mit solchen Drohungen bekommen würde, wie würde es Ihnen da gehen?“– „Ich hätte panische Angst!“

Das Opfer sagt, er habe zwar einen Verdacht gehabt, dass die Angeklagte die Verfasseri­n sein könnte. Da es aber ein Jahr lang keinen Kontakt mehr gegeben habe, habe er nicht sicher sein können. Außerdem: „Man kann in einen Menschen nicht hineinscha­uen.“

Zumindest vor Gericht macht der 54-Jährige einen ruhigen Eindruck. Und nimmt nicht nur die Entschuldi­gung von Z. an, sondern sagt, dass es ihm um sie leid tue. „Ich hoffe, dass sie gut rauskommt. Seid’s gnädig mit Frau Silvia“, bittet er.

Noe und der Anklagever­treter sind fast mehr als das. Der Richter glaubt der Frau, dass sie keinen Bereicheru­ngsvorsatz hatte, da sie bei der gescheiter­ten Geldüberga­be nicht registrier­t worden ist. Da somit nur Nötigung und gefährlich­e Drohung vorliegt, fällt er kein Urteil, sondern entscheide­t sich für eine rechtskräf­tige Diversion. Zwei Jahre darf sie nichts mehr anstellen.

Ihr Expartner schüttelt der Angeklagte­n am Ende noch die Hand: „Alles Gute! Und mach das nicht mehr“, bittet er sie.

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Foto: APA 1000 Euro sollten am Bahnhof Praterster­n deponiert werden.

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