Prozess um Drohbriefe der Enttäuschten
Eine 50-Jährige soll ihren Expartner mit anonymen Drohbriefen bedroht und erpresst haben. Vor Gericht gibt sie sich verzweifelt und sagt, sie habe nie einen Bereicherungsvorsatz gehabt. Tatsächlich wird der Erpressungsvorwurf fallengelassen.
Wien – Es ist ein tränenreicher Auftritt, den Sylvia Z. vor Richter Christian Noe hinlegt. Immer wieder schluchzt die 50-Jährige, die wegen Drohung, Nötigung und Erpressung ihres Expartners angeklagt ist. Dass sie dem Mann vier Briefe geschrieben hätte, gibt sie zu, aber sie habe die darin geforderten 1000 Euro nie kassieren wollen.
Die Angeklagte war rund zwei Jahre mit Herrn H. zusammen. „Die Beziehung war furchtbar“, sagt sie. Am Anfang soll das nicht so gewesen sein: „Ich wollte mir etwas mit ihm aufbauen.“Doch der Mann soll nach ihrer Darstellung ein Tyrann gewesen sein. Im Herbst 2014 zog sie aus ihrer Gemeindewohnung aus, erlaubte ihm, dort ein halbes Jahr weiter zu bleiben. Im März 2015 sei er ausgezogen. „Das war für mich der Schlussstrich.“
War es dann doch nicht. Denn zwischen Februar und Juni des aktuellen Jahres schickte sie ihm vier anonyme Schreiben. Der erste Brief enthielt Beleidigungen, „Schmarotzer“wurde das Opfer genannt. Dann wurde es konkreter, es war von 1000 Euro die Rede. Und schließlich davon, er solle das Geld in einem Sackerl auf dem Bahnhof Wien-Floridsdorf deponieren, sonst werde er „gelyncht“.
Die Polizei überwachte den Übergabeort, abgeholt wurde die Tasche – in der nur Papierschnitzel waren – nie. Ob Frau Z. vielleicht am Tatort gewesen ist, aber die Polizei bemerkt hat, lässt sich nicht feststellen, da die Videoüberwachung versagt zu haben scheint. Die Angeklagte bestreitet, je dort gewesen zu sein. Im letzten Brief war dann die Rede davon, dass die Wohnung des Mannes „ein bisschen gestürmt“werden würde.
Erstmals behauptet die Unbescholtene vor Richter Noe nun, sie habe alle Briefe gemeinsam im Februar geschrieben. „Warum?“, will der wissen. „Ich hatte so einen Hass auf den Menschen, weil alles hochgekommen ist!“Später beschreibt sie ihn so: „Er ist ganz einfach böse. Und rau. Herzlos, kalt.“Außerdem beteuert sie zunächst, sie sei ohnehin davon ausgegangen, dass H. die Drohungen nicht ernst nehmen würde. „Na ja, er hat sie zumindest so ernst genommen, dass er zur Polizei gegangen ist“, hält ihr Noe vor.
Der auch auf Unstimmigkeiten hinweist. Denn der vierte Brief be- zieht sich darauf, dass die 1000 Euro nicht gekommen seien. „Woher haben Sie das im Februar schon wissen können? Er hätte sich ja sehr gewundert, wenn er das Geld übergibt und dann wieder einen Brief bekommt?“– „Ich bin ja davon ausgegangen, dass er es nicht macht.“
Dabei könnte es durchaus ein Motiv geben: Die Angeklagte ist im Privatkonkurs, neben den Raten muss sie auch Alimente zahlen, ihr bleiben nur 800 Euro. „Ich habe mein eigenes Geld!“, beharrt Z. darauf, keinen Bereicherungsvorsatz gehabt zu haben.
Noe hält ihr auch vor, dass in den Briefen teilweise das Datum ausgebessert worden sei und sie nicht gemeinsam aufgegeben worden wären. „Sie sind ja viermal zur Post gegangen?“– „Ich habe wirklich nicht nachgedacht. Erst, als die Polizei gekommen ist.“
Auf Nachbohren des Staatsanwalts gibt sie schließlich zu, dass sie doch wollte, dass er auch einmal Angst haben sollte – wie sie in ihrer Beziehung. „Und wenn Sie anonyme Briefe mit solchen Drohungen bekommen würde, wie würde es Ihnen da gehen?“– „Ich hätte panische Angst!“
Das Opfer sagt, er habe zwar einen Verdacht gehabt, dass die Angeklagte die Verfasserin sein könnte. Da es aber ein Jahr lang keinen Kontakt mehr gegeben habe, habe er nicht sicher sein können. Außerdem: „Man kann in einen Menschen nicht hineinschauen.“
Zumindest vor Gericht macht der 54-Jährige einen ruhigen Eindruck. Und nimmt nicht nur die Entschuldigung von Z. an, sondern sagt, dass es ihm um sie leid tue. „Ich hoffe, dass sie gut rauskommt. Seid’s gnädig mit Frau Silvia“, bittet er.
Noe und der Anklagevertreter sind fast mehr als das. Der Richter glaubt der Frau, dass sie keinen Bereicherungsvorsatz hatte, da sie bei der gescheiterten Geldübergabe nicht registriert worden ist. Da somit nur Nötigung und gefährliche Drohung vorliegt, fällt er kein Urteil, sondern entscheidet sich für eine rechtskräftige Diversion. Zwei Jahre darf sie nichts mehr anstellen.
Ihr Expartner schüttelt der Angeklagten am Ende noch die Hand: „Alles Gute! Und mach das nicht mehr“, bittet er sie.