Der Standard

Der Durchbruch des Sanften

Vor zwei Jahren wollte Mensur Suljovic aufhören. Mittlerwei­le zählt der 44-jährige Wiener zu den weltbesten Dartspiele­rn und zu den Favoriten bei der WM in London. In Österreich hat er noch mit mangelnder Anerkennun­g zu kämpfen.

- Birgit Riezinger

Wien – Zwei Kollegen sind vor Mensur Suljovic im Dartklub in Wien, Brigittena­u. „Gestern habe ich einen 180er geworfen“, erzählt einer. Gewonnen hat er trotzdem nicht. „Dann hilft dir der 180er auch nichts“, sagt Suljovic. Der Mann weiß, wovon er spricht. Suljovic hat schon unzählige 180er geworfen und unzählige Matches gewonnen. 180 Punkte sind die maximale Ausbeute mit einer Aufnahme von drei Pfeilen. Und mit minimal neun Darts kann man vom Ausgangswe­rt 501 auf null spielen. Einen Neundarter schafft nicht jeder. Suljovic hat heuer erstmals einen Neundarter in einem Match geworfen. Und sein erstes PDC-Ranglisten­turnier gewonnen. Und erstmals die Dartlegend­e Phil „The Power“Taylor besiegt.

Es war ein ziemlich gutes Jahr für den 44-jährigen Wiener. Der Sieg gegen Taylor, den 16-fachen Weltmeiste­r, sei der bisherige Höhepunkt gewesen. Der 56-jährige Engländer ist eines seiner Idole. „Und gegen Idole zu spielen, ist immer schwer.“

Aber das Jahr ist noch nicht vorbei. Der Höhepunkt steht an. Die Weltmeiste­rschaft in London. 2010 und 2015 war Suljovic schon im Achtelfina­le. 2010 war es eine Sensation. Heuer wäre es das nicht mehr. In die Top 16 der Weltrangli­ste wollte er in diesem Jahr vorstoßen. Jetzt ist er Achter. Mehr als 100.000 Euro brutto hat er heuer verdient. Endlich kann er von seinem Sport leben. „In den 20 Jahren davor habe ich nur in- vestiert.“Vor zwei Jahren war er kurz davor, aufzuhören. Sportlich lief es zwar nicht schlecht. Aber es zahlte sich nicht aus. „Wenn ich 1500 Euro Preisgeld gewonnen habe, dann hat das gerade die Reisekoste­n abgedeckt.“

In Billigunte­rkünften, wie früher, muss er nicht mehr nächtigen. Anfang nächster Woche reist er nach London, wie sein Landsmann Zoran Lerchbache­r spielt Suljovic am Mittwoch seine WMErstrund­enpartie. Der dritte Österreich­er, Rowby-John Rodriguez, greift am Donnerstag ins Geschehen ein. Suljovic trifft auf den Niederländ­er Ron Meulenkamp. „Er ist wirklich gut.“Die erste Runde zu überstehen, sagt Suljovic, sei am schwierigs­ten. An die Atmosphäre im Alexandra Palace zu London hat sich Suljovic mittlerwei­le gewöhnt. Im „Ally Pally“wird getrunken, gesungen, gefeiert. „Hin und wieder ist es störend, wenn das Publikum pfeift. Aber da muss man durch.“Suljovic, Spitzname „The Gentle“(„Der Sanfte“), ist eher ein ruhiger Zeitgenoss­e, nicht so extroverti­ert wie manche seiner Konkurrent­en.

Keine Angstgegne­r mehr

„Ich habe früher überhaupt nicht auf der Bühne spielen können.“Zweieinhal­b Jahre lang hat Suljovic mit einem Mentaltrai­ner gearbeitet. Der Coach hat ihm speziell auf ihn zugeschnit­tene CD’s hinterlass­en. Da werden auch seine einstigen Angstgegne­r thematisie­rt. „Jetzt habe ich alle geschlagen.“Taylor war einer von ihnen. Der Engländer ist in Großbritan­nien eine Berühmthei­t. Genauso wie der schottisch­e WM-Titelverte­idiger Gary Anderson (45), oder der aktuelle Topstar der Szene, der Niederländ­er Michael van Gerwen (27). „Van Gerwen kann in England nicht alleine spazieren gehen.“Suljovic ist froh, dass es ihm nicht so ergeht. In Österreich wird er hin und wieder auf der Straße erkannt. Eine Berühmthei­t ist er aber nicht. „Ich bin froh, so ist es ruhiger.“Die mangelnde Anerkennun­g von Darts als Sportart stört Suljovic aber. „Jeder kennt Darts, aber es hat einen schlechten Ruf.“Als Wirtshauss­port wird Darts gerne gesehen. „Ich möchte, dass einer fünf, sechs Stunden trainiert, und dann schauen wir, ob es ein Sport ist oder nicht.“

An manchen Tagen übt Suljovic sogar bis zu zehn Stunden. Nur die Füße tun ihm dann ein bisschen weh. Der Arm schmerzt nicht. „Da würde man etwas falsch machen.“Kraft und Kondition trainiert er auch. „Das muss man machen.“Suljovic sieht sich nicht als Naturtalen­t. „Ich bin leider einer, der viel trainieren muss.“

Sogar im Urlaub hat Suljovic die Dartscheib­e dabei. Um im Rhythmus zu bleiben. Seine Frau akzeptiert das. Die Familie steht ohnehin hinter dem gebürtigen Serben. Suljovics neunjährig­er Sohn spielt selbst schon begeistert Darts. „Ich muss ihn bremsen, damit er die Schule nicht vernachläs­sigt.“

Sein Bruder nahm anfangs nicht wirklich ernst, was Mensur macht. „Gib mal meinen Namen in Google ein“, riet ihm Mensur. Der Bruder war beeindruck­t. Seither wettet er auf Mensur. 1000 Euro hat er gesetzt, als Suljovic Taylor schlug. Gewinn: 7500 Euro. Der Bruder ist mittlerwei­le ein Dartsfan, vor allem von Doppelwelt­meister Anderson. „Den Anderson“, habe er zu ihm gesagt, „schlägst du nie“. Dann schlug er ihn. Während der WM wird der Bruder wohl wieder wetten. Suljovic will es nicht genau wissen. Das erhöht den Druck. Und Druck hat er auch so schon genug. Aber Mensur Suljovic kann jetzt mit Druck umgehen.

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Foto: Heribert Corn Mensur Suljovic hat immer und überall eine Dartscheib­e dabei. Heuer ist er in die Top Ten der Weltrangli­ste vorgestoße­n. Spätestens mit 50 will der gebürtige Serbe aufhören. „Es ist schon sehr anstrengen­d.“
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Suljovic schlug heuer erstmals die Dartlegend­e Phil Taylor (rechts).

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