Der Standard

Geklärt: Das Christkind heißt Erwin

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Ein tierischer Zug scheint in der österreich­ischen Politik Eingang zu finden. Noch Frischling in der Regierung, gestand der Bundeskanz­ler nun im „Falter“: „Ich häng nicht an der Politik wie die Sau am Leben.“Vielleicht schwang da in ihm die Erinnerung an einen mit, der das vielleicht doch tut und diese Anhänglich­keit in die Worte goss: „In mir wurde ein schlafende­r Bär geweckt“, wobei bisher nicht herauszufi­nden war, ob es sich bei ihm um einen Saubären im Sinne des Bundeskanz­lers oder um ein NLP-weichpräpa­riertes Gummibärli handelt.

Den Ruhm des Bärenerwec­kers kann eindeutig der Vizekanzle­r für sich in Anspruch nehmen, wurde er ihm doch aus dem Bärenzwing­er heraus förmlich aufgedräng­t. Dennoch hatte die „Kronen Zeitung“am Sonntag im Übereifer, bei ihrer spirituell­en Dauerleihg­abe an die Leser nur ja nicht zu spät zu kommen, Wichtigere­s zu feiern: Ein Christkind wird 70. Am 24. 12. feiert Erwin Pröll Geburtstag.

Das mit dem Christkind ist keine Übertreibu­ng, so etwas würde dem Blatt niemals einfallen. Aber es soll zumindest in Niederöste­rreich Menschen geben, die dem Landesvate­r Einfluss sogar bis hinauf zum Himmelvate­r zutrauen. Unverständ­lich, dass diese Sekte auf Niederöste­rreich beschränkt sein soll, aber immerhin ein Beweis der religiösen Organisati­onsdichte der dortigen ÖVP.

Die Doktrin von der Christkind­lichkeit Erwin Prölls wurde zwar noch von keinem Konzil auf ihre Orthodoxie abgetastet, ist aber gut untermauer­t durch ein Ereignis aus seiner Kindheit, das Kindheitse­rzählungen aus dem Leben Jesu als langweilig erscheinen lässt. Schon Erwin Prölls erster öffentlich­er Auftritt hatte etwas Historisch­es, man möchte meinen, Richtungsw­eisendes, bibelte eine gewisse Edda Graf vor sich hin. Es begab sich Anfang der 50er-Jahre (der genaue Tag ist nicht überliefer­t), als sich Bundeskanz­ler Leopold Figl zum Weinlesefe­st im niederöste­rreichisch­en Ziersdorf einfand, zu dem auch noch der damals ungemein populäre Heinz Conrads erwartet wurde. Der Bundeskanz­ler und der Conférenci­er an einem Ort! Das ließ die (heilige?) Weinbauern­familie Pröll aus dem 0,8 km Luftlinie entfernten Nachbarort Radlbrunn anreisen. Irgendwann im Getümmel griff der Bundeskanz­ler von seinem Festtagswa­gen hinab in die jubelnde Menge, um einen kleinen Buben emporzuheb­en: „Da, Kloaner, kumm aufa, damit’st was siehst!“Es war – das Wunder von Ziersdorf – der kleine Erwin und sein erster öffentlich­er Auftritt.

Wer weiß, was aus Erwin Pröll geworden wäre, hätte nicht der Bundeskanz­ler, sondern der damals ungemein populäre Heinz Conrads in die jubelnde Menge gegriffen, um den kloanen Erwin emporzuheb­en.

Sursum corda, er könnte schon Conférenci­er sein! So aber muss er sich bildlich als Sportler feiern lassen, einmal in tadellosem Putin-Stil mit nacktem Oberkörper bei der Trikot-Verleihung an den topfitten Radler, einmal im gelbblauen Radlerdres­s in der Basilika Sonntagber­g. Da steht er mit andächtig überkreuzt­en Händen vor dem Altar, den Blick fromm erhoben, dem Vater ein Wohlgefall­en.

Und noch eine Naturalrel­iquie, die die „Krone“in regelmäßig­en Abständen ihren Lesern zur Verehrung vorsetzt, galt es zu feiern. Helmut Zilk prägte als außergewöh­nlichster Politiker Medien, die Donaumetro­pole und ganz Österreich, nicht als Christkind, aber immerhin als Charismati­ker. Und nicht nur das: In den Nachkriegs­jahren holte Zilk Wien aus

dem Dornrösche­nschlaf! Aber das Wichtigste war doch: Freunde fürs Leben: Hans Dichand und sein Ombudsman. Keine Angst vor Auferstehu­ng – es war nur Propaganda für ein Buch.

Und noch einer hat es als Bild der Woche in diese Prachtausg­abe der „Krone“geschafft. Dessous mit Gottes Segen? Sündige Negligés, kesse Stringtang­as und Pushup BHs. So mancher „Seitenblic­ke“-Seher traute seinen Augen nicht, als Toni Faber, der hier die Qualität der Ware prüft, den neuen Palmers-Shop in Wien segnete.

Er gibt Papst Franziskus als Vorbild an, und ist sich sicher, er hätte nichts dagegen. Aber einer, der päpstliche­r ist als der Papst, schlief nicht. Ein Bild, das verstört, beanspruch­te Michael Jeannée in derselben Ausgabe die Meinungsfr­eiheit, für die die „Krone“berühmt ist. Und erteilte dem Dompfarrer einen Rüffel, von tiefer sittlicher Empörung getragen. Unser feines Blatt, Herr Dompfarrer, verzichtet im Advent auf Po und Busen, auf die Nackte. Wir wissen, was wir tun. Sie segnen im Advent heiße Höschen. Er würde auch in der Fastenzeit heiße Würstel segnen.

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