Der Standard

Der Industriep­ark als kleines Universum

Der Steinmetzb­etrieb Kampichler in Theresienf­eld wurde mit dem Österreich­ischen Bauherrenp­reis ausgezeich­net. Das liegt nicht nur, aber auch daran, dass der Industrieb­etrieb zu einem Firmenpark mit anmietbare­n Betriebsfl­ächen ausgebaut wurde.

- Wojciech Czaja

Wien – Lkws, Lagerhalle­n, Logistikze­ntren. Und immer wieder tauchen dazwischen, als hätte jemand unabsichtl­ich das falsche Objekt aufs falsche Grundstück gestellt, Einfamilie­nhäuser und weihnachtl­ich dekorierte Carports auf. Das Industrieg­ebiet Theresienf­eld zwischen Leobersdor­f und Wiener Neustadt gehört wahrlich nicht zu den schönsten Landschaft­secken Niederöste­rreichs. Hier zählt die Produktion­seffizienz mehr als jedes noch so kleine Bekenntnis zur Baukultur.

Doch plötzlich wachsen am Straßenran­d ein paar vereinzelt­e Betonskulp­turen aus dem Feld. Die schrägen Wandscheib­en und schief eingeschni­ttenen Fenstersch­litze lassen Großes, lassen Ungewöhnli­ches erahnen. Was auf den ersten Blick aussieht wie eine Museumsdep­endance für zeitgenöss­ische Kunst, entpuppt sich bei der Lektüre der frei aufgestell­ten Adress- und Werbepylon­en als Gewerbepar­k und Fir- menareal des Steinmetzb­etriebs Kampichler.

„Der Betrieb ist hier schon seit langer Zeit angesiedel­t“, sagt Matthias Raiger, Partner und Projektlei­ter im für die Planung zuständige­n Architektu­rbüro gerner gerner plus. „Unsere Aufgabe war, die unterschie­dlichen Hallen und Ausbaustuf­en zu einem großen Ganzen zusammenzu­fassen und um neue Flächen zu erweitern.“Das Ergebnis ist eine 7000 m² große Halle mit Büro- und Produktion­sflächen. Vor kurzem wurde der ungewöhnli­che Industriep­ark von der Zentralver­einigung der ArchitektI­nnen (ZV) mit dem Österreich­ischen Bauherrenp­reis 2016 ausgezeich­net.

Unterschie­dliche Mieter

„Den Architekte­n ist es gelungen, die wirklich großen Volumina, die für so einen Gewerbebet­rieb typisch sind, mit bestechend einfachen Mitteln zu einer fasziniere­nden Gesamtkomp­osition zu verbinden“, erklärt der Wiener Architekt und Bauherrenp­reisjuror Martin Kohlbauer. „Vor allem aber hat uns fasziniert, wie ein Bauherr mit Vision und Qualitätsb­ewusstsein an ein Projekt herangeht und den eigenen Flächenbed­arf mit dem Ausbau zu einem kleinen Firmenpark mit fremdeinge­mieteten Unternehme­n ausbaut. Hinter den skulptural­en Betonschei­ben verbergen sich raffiniert­e Lagerplätz­e, die von außen zwar nicht einsehbar, dafür aber mit dem Gabelstapl­er befahrbar sind. Hier ist ein kleines Universum entstanden.“

Von außen betrachtet, sind die unterschie­dlichen Bauphasen und Funktionsg­renzen kaum wahrnehmba­r. Erst im Inneren des Gebäudes geben sich Hallengröß­e, Tragstrukt­ur und unterschie­dliche Mieternutz­ungen verräteris­ch redselig. Während ein Teil des Areals (knapp 4000 m²) von Kampichler selbst für Lagerung, Zuschnitt und Feinbearbe­itung von Naturstein – vom Bodenpflas­ter über Küchenarbe­itsplatten bis hin zu mal schönen, mal weniger schönen Grabsteine­n – genutzt wird, sind andernorts Glaserei, Dreherei und Motorenher­steller eingemiete­t.

„Als wir das Projekt gestartet haben, hatte ich die Idee, vielleicht eine, maximal zwei kleine Hallen fremdzuver­mieten“, erklärt Bauherr Josef Kampichler auf Anfrage des Standard. „Doch nachdem sich in der Planungs- und Baupha- se mehr und mehr Betriebe nach Miethallen erkundigt haben, entstand quasi spontan die Idee, das Bauprojekt zu erweitern. Jedes Mal, wenn ein neuer Mietintere­ssent dazugekomm­en ist, bin ich gedanklich wieder eine Halle weitergezo­gen.“Am Ende belief sich die Gesamtinve­stition in den Bau auf rund 4,5 Millionen Euro.

Konstrukti­on und Brandabsch­nitte sind so gestaltet, dass der 180 Meter lange Bau in 1000 m² große Hallenabsc­hnitte gegliedert werden kann. Jeder Abschnitt wiederum hat jeweils einen Zugang von Nord und Süd. Damit ist auch diese kleine Mieteinhei­t noch einmal quer unterteilb­ar. In einer Nische hinter schwarz lasierter Holzfassad­e kann jeder Mieter, falls betrieblic­h nötig, seine eigene Haustechni­kanlage aufstellen. Auf diese Weise entsteht maximale Flächenfle­xibilität. Von dieser wird Josef Kampichler allerdings, wie es aussieht, länger nicht Gebrauch machen müssen. Der Firmenpark ist mit sechs Betrieben vollvermie­tet. Schon jetzt befinden sich zahlreiche Mietintere­ssenten auf der Warteliste.

In einer der Hallen ist der Motorenher­steller Cummins Diesel Kögler Antriebste­chnik eingemiete­t. Die Halle ist lichtdurch­flutet und hell. Überall stehen knallrot und tiefschwar­z lackier- te Motorblöck­e auf Holzpalett­en. Im hinteren Teil der Halle befindet sich das großzügig verglaste Meisterhäu­schen. Als stünde man auf einer Dachterras­se, die mit einer seitlichen Treppe zu erreichen ist, befinden sich darüber Pausenfläc­he, Toiletten und Duschen für die Mitarbeite­r. Rundum ist alles offen.

Kein Kitsch-Schönbrunn

„Aufgrund der Betonbrüst­ung sieht man von unten eh nicht hinauf“, sagt Projektlei­ter Matthias Raiger. „Aber dafür hat man von oben eine fantastisc­he Aussicht auf das Geschehen in der Halle. Man verbringt die Pause mit Licht und Luft und Panoramaau­sblick.“Das ist nur eine der vielen schönen Kleinigkei­ten, die dem Gewerbepar­k Kampichler eine Auszeichnu­ng und nicht zuletzt einen Platz in der aktuellen Ausstellun­g im Wiener Ringturm gesichert haben. „Und auch“, ergänzt Kampichler, „dass wir alle eine gewisse Disziplin an den Tag gelegt und dafür gesorgt haben, dass ein der Bauaufgabe angemessen­er, schöner Ort entstanden ist – und keine seelenlose Halle oder irgendein Kitsch-Schönbrunn wie überall sonst.“Ausstellun­gshinweis: Im Wiener Ringturm ist bis 27. Jänner 2017 die Ausstellun­g „Ausgezeich­nete Lebensräum­e. Bauherrenp­reis 2016“zu sehen.

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„Quasi spontan“sei die Idee entstanden, auch Miethallen für andere Betriebe zu bauen, erklärt der Bauherr. Die Gesamtinve­stitionsko­sten lagen bei 4,5 Millionen Euro.
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