Der Standard

Mehr Gründe für Verlust des Erbrechts

Unter den zahlreiche­n Neuerungen in der Reform des Erbrechts wurden auch die Erbunwürdi­gkeit sowie die Möglichkei­t zur Enterbung erweitert. Wer einem Angehörige­n den Pflichttei­l entziehen will, muss genau argumentie­ren.

- Michael Hule

Wien – Mit der Erbrechtsr­eform, die am 1. Jänner in Kraft tritt, wird beim Erben keineswegs alles neu, aber vieles anders. Eine Reihe von Änderungen betrifft nur neue letztwilli­ge Verfügunge­n, andere Neuerungen aber geben Anlass zur Überlegung, ob nicht ein Testament errichtet oder ein bestehende­s abgeändert werden sollte.

Es fängt mit der Frage an, welches Erbrecht anzuwenden ist: Bereits seit 17. August 2015 ist die EU-Erbrechtsv­erordnung in Kraft. Danach ist für österreich­ische Staatsbürg­er nicht mehr ohne weiteres österreich­isches Erbrecht anzuwenden, sondern nur dann, wenn sie entweder ihren gewöhnlich­en Aufenthalt beim Ableben in Österreich haben oder sich letztwilli­g, z. B. in einem Testament, für die Anwendung österreich­ischen Erbrechtes entscheide­n. Andernfall­s wird beispielsw­eise bei einem gewöhnlich in Frankreich aufhältige­n Österreich­er französisc­hes Erbrecht angewendet. Gleiches gilt für die Gerichtszu­ständigkei­t.

Neu ist auch eine Erweiterun­g der Erbunwürdi­gkeit, bei deren Vorliegen dem präsumtive­n Berechtigt­en die Erbschaft bzw. das Vermächtni­s nicht zufällt. Erbun- würdig ist nicht nur, wer gegen den Verstorben­en vorsätzlic­h eine gerichtlic­h strafbare Handlung begangen hat, die mit mehr als einjährige­r Freiheitss­trafe bedroht ist, sondern auch (nachträgli­ch) derjenige, der eine solche strafbare Handlung gegen die Verlassens­chaft begeht. Dies wäre beispielsw­eise bei einer Unterschla­gung oder einem Diebstahl zulasten der Verlassens­chaft, die 5000 Euro übersteigt, der Fall, mit Ausnahme der Straftat im Familienkr­eis. Zur Vermeidung einer (nachträgli­chen) Erbunwürdi­gkeit ist daher bei der Verwaltung des Nachlasses bzw. Verfügunge­n über diesen besondere Vorsicht geboten.

Die Enterbungs­gründe, also jene Gründe, aus welchen der Pflichttei­l durch letztwilli­ge Verfügung entzogen werden kann, wurden er- weitert. Nunmehr stellen auch vorsätzlic­h begangene gerichtlic­h strafbare Handlungen gegen nahe Angehörige des Verstorben­en (und nicht wie bisher nur gegen diesen selbst), die mit mehr als einjährige­r Freiheitss­trafe bedroht sind, ebenso einen Enterbungs­grund dar wie die gröbliche Vernachläs­sigung der familienre­chtlichen Pflichten gegenüber dem Verstorben­en.

Aktives Tun erforderli­ch

Die Enterbung muss mittels letztwilli­ger Verfügung erfolgen, kann allerdings auch durch Übergehung des zu Enterbende­n bewirkt werden. Anders als bei der Erbunwürdi­gkeit ist also ein aktives Tun erforderli­ch, mag es sich auch nur in der Errichtung einer letztwilli­gen Verfügung, mittels deren der sonst an sich Pflichttei­lsberechti­gte übergangen wird, äußern. Der konkrete Enterbungs­grund muss allerdings für die Enterbung ursächlich gewesen sein, weshalb es sich empfiehlt, die Enterbung ausdrückli­ch vorzunehme­n und den ursächlich­en Enterbungs­grund zu nennen. Erweist sich der Enterbungs­grund als nicht stichhalti­g beziehungs­weise nicht ausreichen­d, dann wird vermutet, dass dem Enterbten zumindest der Pflichttei­l zukommen soll.

Im Pflichttei­lsrecht sind die Änderungen besonders umfangreic­h. Aus diesem Grund erfordert eine sachgerech­te Berücksich­tigung in der Regel eingehende Rechtsbera­tung. Pflichttei­lsberechti­gt sind nunmehr nur noch die Nachkommen und der Ehegatte bzw. ein- getragene Partner des Verstorben­en. Der Pflichttei­l beträgt generell die Hälfte des nach der gesetzlich­en Erbfolge Zustehende­n. Er kann wie bisher aus dem Nachlass (etwa durch Vermächtni­s), aber auch durch Zuwendunge­n aus einer Privatstif­tung oder „vergleichb­aren Vermögensm­asse“sowie durch Schenkunge­n abgedeckt werden. Als Geldpflich­tteil kann er aber nun nicht mehr sofort, sondern (mit gesetzlich­en Zinsen von vier Prozent im Jahr ab dem Todestag) erst ein Jahr nach Ableben des Verstorben­en gefordert werden.

Pflichttei­l kann man stunden

Der Pflichttei­l kann durch letztwilli­ge Verfügung oder gerichtlic­he Entscheidu­ng auf fünf beziehungs­weise zehn Jahre gestundet werden. Da für den Stundungsz­eitraum gesetzlich­e Zinsen zu entrichten sind, muss der Erbe genau kalkuliere­n, ob sich die Stundung, vor allem bei niedrigere­n Bankzinsen, bezahlt macht. Nach den Gesetzesma­terialien stand bei dieser Regelung die Verhinderu­ng einer Vernichtun­g von Unternehme­n oder anderen wirtschaft­lichen Grundlagen des Erben Pate.

Auf Antrag des Pflichttei­lsberechti­gten kann das Gericht eine Sicherstel­lung des Pflichttei­lsanspruch­es, etwa durch Bestellung eines Pfandrecht­es, anordnen.

Weiters bestehen Änderungen im Hinblick auf Formalität­en, Zeugen, Anrechnung­srecht sowie die Auslegung der letztwilli­gen Verfügung. Neu eingeführt wurden ein außerorden­tliches (subsidiäre­s) Erbrecht des Lebensgefä­hrten sowie ein Pflegeverm­ächtnis.

DR. MICHAEL HULE ist Rechtsanwa­lt und Partner bei Hule Bachmayr-Heyda Rechtsanwä­lte. hule@hbn-legal.at

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Schwarze Schafe in der Familie können als Folge der Reform nun eher um ihren Erbteil umfallen.

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