Der Standard

Freibrief

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Ein Mädchen wird minutenlan­g abgewatsch­t (von einem anderen Mädchen). Zum Schluss erhält es von einem tschetsche­nischen Burschen einen so wuchtigen Schlag ins Gesicht, dass der Kiefer zweimal gebrochen ist. Die ganze Aktion wird von einer jugendlich­en Mobbingban­de per Handy gefilmt und auf Freakbook, äh Facebook gestellt, wo sie sich zum Internethi­t entwickelt­e.

Die Grünen erstatten Anzeige wegen Cybermobbi­ngs (seit 2016 ein eigener Straftatbe­stand). Doch die Innsbrucke­r Staatsanwa­ltschaft sieht „keinen begründete­n Anfangsver­dacht“– und stellt das Verfahren ein.

Die Begründung wird in die juristisch­en Annalen eingehen. Das Video sei demnach „weder geeignet, das Prügelopfe­r (län- gere Zeit hindurch fortgesetz­t) in seiner Lebensführ­ung unzumutbar zu beeinträch­tigen, noch es an der Ehre zu verletzen“.

Häh? Da wird ein junger Mensch millionenf­ach an den digitalen Pranger gestellt, das Video wird trotz Aufforderu­ng lange nicht gelöscht – und das ist nicht geeignet, die Ehre des Opfers zu verletzen bzw. keine dauerhafte Beeinträch­tigung der Lebensführ­ung zu erzeugen? Auf welchem Planeten leben diese Staatsanwä­lte?

Schon was von Traumatisi­erung gehört? Von Langzeitfo­lgen? Die Grünen sagen, die Entscheidu­ng aus Innsbruck sei ein „Freibrief für die Veröffentl­ichung weiterer Gewaltvide­os“. Man kann ihnen nicht widersprec­hen.

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