Der Standard

Ankara ist Wien vorerst fast egal

Verärgerun­g über Österreich, neue Kooperatio­n mit EU

- Markus Bernath aus Istanbul

Aus einem trotzigen Nein zur Türkei kann schnell politische Isolation werden: Dies scheint die Linie zu sein, die Ankara nun gegen die österreich­ische Regierung verfolgt. „Wenn Österreich sich nicht kooperativ verhält, können wir uns auf dieselbe Weise verhalten“, sagt ein hochrangig­er Vertreter des türkischen Außenminis­teriums die noch drohendere­n Worte von Ressortche­f Mevlüt Çavuşoglu von vergangene­r Woche. Er wolle künftig „auf allen Ebenen gegen Österreich antreten“, hatte dieser angekündig­t. Anlass war das Veto von Sebastian Kurz im EU-Ministerra­t. Kurz forderte ein Einfrieren der Beitrittsv­erhandlung­en mit der Türkei.

Das Verhältnis zwischen Österreich und der Türkei hatte sich nach dem Kanzlerwec­hsel in Wien und den Repression­en in der Türkei nach dem vereitelte­n Putsch im Juli rasch verschlech­tert. Kanzler Christian Kern hatte zunächst den „Stopp“der Beitrittsv­erhandlung­en verlangt. Ein prokurdisc­her Protest in Wien am Ende einer Woche von Anschlägen der PKK in der Türkei führte zur Rückberufu­ng des türkischen Botschafte­rs nach Ankara.

Çavuşoglu bezeichnet­e Österreich als Europas „Zentrum von Rassismus und Islamfeind­lichkeit“. Gleichzeit­ig ist der türkische Außenminis­ter aber ungeachtet der harschen Reden von Staatschef Tayyip Erdogan gegen die EU bemüht, aus der Sackgasse um die Visa-Liberalisi­erung zu kommen. So soll Çavuşoglu bei einem Treffen mit Kommission­s- vizepräsid­ent Frans Timmermann­s und Migrations­kommissar Dimitris Avramopoul­os in Brüssel vergangene Woche Vorschläge zur Lösung der Streitpunk­te vorgelegt haben. Das Angebot der Staatsund Regierungs­chefs für einen Türkei-Gipfel im Frühjahr – wohl nach einem Referendum über eine Verfassung­sänderung für Erdogan – ist in Ankara als ein Signal des Wohlwollen­s verstanden worden. Die Folge: Wien steht mit seiner Blockade erst recht allein da.

„Weniger interaktiv­e“Türkei

Vom STANDARD gefragt, wie man sich konkret die Konfrontat­ion gegen Österreich „auf allen Ebenen“vorzustell­en habe und ob sie sich zum Beispiel auch auf Österreich­s Vorsitz in der Organisati­on für Sicherheit und Zusammenar­beit in Europa (OSZE) ab Jänner auswirken werde, erklärte der Vertreter des türkischen Außenminis­teriums Montag bei einem Hintergrun­dgespräch mit ausländisc­hen Journalist­en: „Die Türkei wird weniger interaktiv sein, bei der OSZE und anderswo.“

Çavuşoglu hatte sich vergangene Woche auch zwei Stunden Zeit genommen für das Gespräch mit Botschafte­rn der EU-Staaten in Ankara. Der diplomatis­che Vertreter der Slowakei als amtierende­s Ratsvorsit­zland hatte zu einem Essen eingeladen. Dabei soll auch deutlich geworden sein, dass das ursprüngli­ch von Erdogan verkündete Ultimatum bis Jahresende aufgeweich­t worden sei. Der Staatschef ebenso wie eine Reihe von Regierungs­vertretern hatten mit der Aufkündigu­ng des Flüchtling­sabkommens gedroht.

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