Transit: Dicke Luft in Tirol
Entlang der Tiroler Transitrouten werden die höchsten Stickoxidbelastungen in ganz Österreich gemessen. Der sogenannte Lufthunderter hat die Situation zwar verbessert, doch die Inversionswetterlage im Gebirge verschärft die Auswirkungen der Emissionen.
Innsbruck – Sonnige, aber kalte Tage herrschen derzeit in Tirol vor. Für die Luftqualität eine denkbar schlechte Kombination, vor allem wenn die Sonne erst zu Mittag zum Vorschein kommt. Denn die sogenannte Inversionswetterlage begünstigt die Konzentration von Schadstoffen wie Stickoxiden und Feinstaub in Bodennähe. Bei einer solchen Wetterlage steigt die Lufttemperatur in der Höhe an, während sich auf dem Boden ein Kaltluftsee bildet. Die unterschiedlichen Temperaturen der Luftschichten verhindern zugleich, dass diese sich vermischen. Zudem reduziert sich das Volumen der Luftschicht, in der sich Schadstoffe konzentrieren, wie Mathias Rotach vom Institut für Meteorologie und Geophysik der Universität Innsbruck erklärt: „Durch die Form ist ein Tal unten enger. Somit erhöht sich die Schadstoffkonzentration.“
Sektorales Fahrverbot löchrig
Fritz Gurgiser vom Transitforum Tirol hat den Effekt, der am vergangenen Wochenende wieder deutlich zu beobachten war, bildlich festgehalten. Das Transitforum plädiert seit Jahren für eine Reduktion des Schwerverkehrs auf der Inntal- (A12) und der Brennerautobahn (A13). „Aber unsere Landesregierung hat kein Interesse daran, dass weniger Lkws unterwegs sind“, sagt der streitbare Transitgegner. Er kritisiert das sektorale Fahrverbot, das seit Anfang November in Kraft ist, als „zu löchrig“. Vor allem die Ausnahmeregelungen für Lkws der EuroAbgasklassen fünf und sechs lehnt er ab. Den Verweis auf die Notwendigkeit des freien Warenaustausches lässt Gurgiser in dem Zusammenhang nicht gelten: „Es gibt auch das Grundrecht auf Gesundheit, und das wiegt schwerer. Zudem gäbe es die Schiene sowie andere Alpenübergänge als Alternativen für den Transitverkehr.“
Die Tiroler Landesregierung hat neben dem sektoralen Fahrverbot schon 2014 den sogenannten Luft- hunderter, eine generelle Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h auf der Inntalautobahn zwischen Kufstein und Zirl, als Maßnahme zur Verbesserung der Luftqualität eingeführt. Diese unter Autofahrern bis heute umstrittene Reglementierung zeigt bereits Wirkung, wie Walter Egger, beim Land für die Luftmessungen zuständig, bestätigt: „Gerade die vier Messstellen entlang der Autobahn zeigen, dass die Belastung seit dem Hunderter dort stärker zurückgegangen ist als anderswo.“
Zwar nehmen die Tage mit Grenzwertüberschreitungen jährlich im Vergleich ab, doch im Jahresmittel bleibt die Belastung entlang der Transitrouten sehr hoch. Christian Gratzer vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ) attestiert Tirol ein Problem in Sachen Stick- oxiden: „Die drei Messstellen mit den höchsten Werten sind dort entlang der Autobahnen zu finden.“Zwar würden Maßnahmen gesetzt, doch letztlich sei der zunehmende Verkehr das Hauptproblem. Gratzer verweist auch auf die Autoindustrie, die seit dem Dieselskandal hinsichtlich Abgaswerten ihre Glaubwürdigkeit ein- gebüßt habe: „Die Luft ist unser wichtigstes Lebensmittel. Gerade für Kinder ist das Risiko von Gesundheitsschäden besonders groß.“
Umweltmediziner Hanns Moshammer von der Medizinischen Universität Wien nennt Schadstoffe wie Stickoxide als Risikofaktoren für Atemwegserkrankun- gen. Zudem haben Studien belegt, dass die Lebenserwartung in belasteten Gebieten abnimmt, wenn man über Jahre hinweg der Luftverschmutzung ausgesetzt ist. In Tirol seien seit dem Lufthunderter aber Verbesserungen merkbar: „Die Geschwindigkeit zu reduzieren heißt auch, die Schadstoffe zu reduzieren.“