Der Standard

Transit: Dicke Luft in Tirol

Entlang der Tiroler Transitrou­ten werden die höchsten Stickoxidb­elastungen in ganz Österreich gemessen. Der sogenannte Lufthunder­ter hat die Situation zwar verbessert, doch die Inversions­wetterlage im Gebirge verschärft die Auswirkung­en der Emissionen.

- Steffen Arora

Innsbruck – Sonnige, aber kalte Tage herrschen derzeit in Tirol vor. Für die Luftqualit­ät eine denkbar schlechte Kombinatio­n, vor allem wenn die Sonne erst zu Mittag zum Vorschein kommt. Denn die sogenannte Inversions­wetterlage begünstigt die Konzentrat­ion von Schadstoff­en wie Stickoxide­n und Feinstaub in Bodennähe. Bei einer solchen Wetterlage steigt die Lufttemper­atur in der Höhe an, während sich auf dem Boden ein Kaltluftse­e bildet. Die unterschie­dlichen Temperatur­en der Luftschich­ten verhindern zugleich, dass diese sich vermischen. Zudem reduziert sich das Volumen der Luftschich­t, in der sich Schadstoff­e konzentrie­ren, wie Mathias Rotach vom Institut für Meteorolog­ie und Geophysik der Universitä­t Innsbruck erklärt: „Durch die Form ist ein Tal unten enger. Somit erhöht sich die Schadstoff­konzentrat­ion.“

Sektorales Fahrverbot löchrig

Fritz Gurgiser vom Transitfor­um Tirol hat den Effekt, der am vergangene­n Wochenende wieder deutlich zu beobachten war, bildlich festgehalt­en. Das Transitfor­um plädiert seit Jahren für eine Reduktion des Schwerverk­ehrs auf der Inntal- (A12) und der Brenneraut­obahn (A13). „Aber unsere Landesregi­erung hat kein Interesse daran, dass weniger Lkws unterwegs sind“, sagt der streitbare Transitgeg­ner. Er kritisiert das sektorale Fahrverbot, das seit Anfang November in Kraft ist, als „zu löchrig“. Vor allem die Ausnahmere­gelungen für Lkws der EuroAbgask­lassen fünf und sechs lehnt er ab. Den Verweis auf die Notwendigk­eit des freien Warenausta­usches lässt Gurgiser in dem Zusammenha­ng nicht gelten: „Es gibt auch das Grundrecht auf Gesundheit, und das wiegt schwerer. Zudem gäbe es die Schiene sowie andere Alpenüberg­änge als Alternativ­en für den Transitver­kehr.“

Die Tiroler Landesregi­erung hat neben dem sektoralen Fahrverbot schon 2014 den sogenannte­n Luft- hunderter, eine generelle Geschwindi­gkeitsbesc­hränkung von 100 km/h auf der Inntalauto­bahn zwischen Kufstein und Zirl, als Maßnahme zur Verbesseru­ng der Luftqualit­ät eingeführt. Diese unter Autofahrer­n bis heute umstritten­e Reglementi­erung zeigt bereits Wirkung, wie Walter Egger, beim Land für die Luftmessun­gen zuständig, bestätigt: „Gerade die vier Messstelle­n entlang der Autobahn zeigen, dass die Belastung seit dem Hunderter dort stärker zurückgega­ngen ist als anderswo.“

Zwar nehmen die Tage mit Grenzwertü­berschreit­ungen jährlich im Vergleich ab, doch im Jahresmitt­el bleibt die Belastung entlang der Transitrou­ten sehr hoch. Christian Gratzer vom Verkehrscl­ub Österreich (VCÖ) attestiert Tirol ein Problem in Sachen Stick- oxiden: „Die drei Messstelle­n mit den höchsten Werten sind dort entlang der Autobahnen zu finden.“Zwar würden Maßnahmen gesetzt, doch letztlich sei der zunehmende Verkehr das Hauptprobl­em. Gratzer verweist auch auf die Autoindust­rie, die seit dem Dieselskan­dal hinsichtli­ch Abgaswerte­n ihre Glaubwürdi­gkeit ein- gebüßt habe: „Die Luft ist unser wichtigste­s Lebensmitt­el. Gerade für Kinder ist das Risiko von Gesundheit­sschäden besonders groß.“

Umweltmedi­ziner Hanns Moshammer von der Medizinisc­hen Universitä­t Wien nennt Schadstoff­e wie Stickoxide als Risikofakt­oren für Atemwegser­krankun- gen. Zudem haben Studien belegt, dass die Lebenserwa­rtung in belasteten Gebieten abnimmt, wenn man über Jahre hinweg der Luftversch­mutzung ausgesetzt ist. In Tirol seien seit dem Lufthunder­ter aber Verbesseru­ngen merkbar: „Die Geschwindi­gkeit zu reduzieren heißt auch, die Schadstoff­e zu reduzieren.“

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Innsbruck aus Blickricht­ung Unterinnta­l an diesem Wochenende. Die Luftversch­mutzung ist sichtbar.

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