„Wir kämpfen ums nackte Überleben“
Frenk Schinkels, Sportdirektor von Aufsteiger SKN St. Pölten, über das schwierige erste Jahr in der Fußballbundesliga, die Zukunftsperspektiven des Vorletzten und seinen Zugang zum Job. Wir müssen kleine Brötchen backen. Von Summen, die andere für Transfe
INTERVIEW: STANDARD: Was sehen Sie als Hauptaufgabe eines Sportdirektors, neben so Offensichtlichem wie der Mann schafts zusammenstellung oder, gerade jetzt bei mS K N, der Trainersuche? Schinkels: Als ich den Job in St. Pölten noch nicht hatte, habe ich immer das Fehlen einer klaren Linie, einer Philosophie kritisiert. Die zu entwickeln, ist für mich ein wichtiger Teil des Jobs. Ehrlicherweise muss ich sagen, dass mir das noch nicht zu hundert Prozent gelungen ist. Wir haben den schnellen Erfolg gebraucht. Als ich gekommen bin, waren wir Drittletzter in der zweiten Liga.
STANDARD: Was waren Ihre ersten Maßnahmen? Schinkels: Ich habe Jochen Fallmann und Thomas Nentwich als Betreuer installiert. Mein Vertrauen habe ich mit der Rettung zurückgezahlt bekommen.
STANDARD: Nach dem Aufstieg wurde das System im Herbst mehrfach verändert. Schinkels: In dieser Saison wäre es vermessen zu sagen, wir müssen an unserer Philosophie weiter arbeiten. Wir kämpfen ums nackte Überleben. Entwicklung ist da nur bedingt möglich.
STANDARD: War Ihnen das vorher in dieser Deutlichkeit klar? Schinkels: Ja. Wir haben letztes Jahr zwar alles dafür getan, um erfolgreich zu sein. Wir waren aber nicht die beste Mannschaft. Wir waren die tüchtigste. Der Titel war eine Charaktersache.
STANDARD: Nicht viele haben geglaubt, dass dieses Team Meister werden kann ... Schinkels: Wie eng es in Wirklichkeit war, das sieht man an der Statistik. Wir haben zwölfmal 1:0 ge- wonnen, siegst du nur in ein paar dieser Partien nicht, bist du schon Zweiter. Es war knapp. Darum habe ich gewusst: Wir werden heuer kämpfen müssen. Und es muss alles passen.
STANDARD: Warum hat es mit Trainer Karl Daxbacher dann nicht mehr gepasst? Viele waren überrascht von der Trennung. Schinkels: Wir wussten, dass das Jahr schwer wird. Da muss jeder, der in einer Führungsposition ist, mit positiver Energie vorangehen. Karl aber war nicht überzeugt, dass wir es mit dieser Mannschaft schaffen können. Fallmann denkt ganz anders. Darum habe ich ihm die Chance gegeben zu zeigen, dass es besser geht.
STANDARD: Was finden Sie gut an Jochen Fallmann? Schinkels: Er hat sowohl eine harte Hand als auch die Kumpelmentalität. Er ist erst am Beginn seiner Karriere und entsprechend leidenschaftlich und hungrig. Er will unbedingt Erfolg.
STANDARD: Es gab diese Woche Hearings mit verschiedenen Kandidaten für den Trainerjob. Fallmann meinte, er habe das Gefühl, Sie würden hinter ihm stehen. Können Sie das bestätigen? Schinkels: Ich bin von seiner Arbeit überzeugt. Ich beurteile nicht unbedingt Ergebnisse, obwohl auch die für ihn sprechen. Ich schaue, wie gearbeitet wird. Und das passt.
STANDARD: Sind Sie nah an der Mannschaft? Schinkels: Ja. Und wenn ich etwas sehe, das mir nicht gefällt, dann reagiere ich. Nicht schnell, aber rechtzeitig. Ich spreche jeden Tag mit den Trainern, schaue mir das Training an. STANDARD: Wie geht es Ihnen bei den Matches? Direkten Einfluss können Sie ja nicht nehmen. Schinkels: Ich bin jetzt in einer Phase, in der ich nervöser bin, als früher als Trainer. Als Spieler oder Trainer kannst du wenigstens manches Mal den Frust hinausschreien, als Sportdirektor musst du brav sein.
STANDARD: Als Sie beim SKN begonnen haben, war das Ihre erste Station als Sportdirektor. Hatten Sie Zweifel, ob das Ihre Kragenweite ist? Schinkels: Ich habe in Kärnten und bei Krems Erfahrung in ähnlichen Funktionen gesammelt. Ich habe die holländische Fußballschule durchlaufen, war Profi, auch erfolgreich Trainer. Ich konzentriere mich auf den sportlichen Bereich, da kenne ich mich aus.
STANDARD: War es schwierig, die Mannschaft im Sommer fürs Oberhaus zu verstärken? Schinkels: Ja. Wir müssen kleine Brötchen backen, kontinuierlich besser werden. Von Summen, die andere für Transfers ausgeben, können wir nur träumen.
STANDARD: Ist es nicht gerade jetzt besonders wichtig, die Klasse zu halten? In der reformierten zweiten Liga mit Halbprofitum dürfte es für einen ambitionierten Verein schwer werden. Schinkels: Für diese Liga mit 16 Mannschaften sehe ich schwarz. Da dürfen wir nicht hinein.
STANDARD: Wohin soll sich der SKN mittelfristig entwickeln? Schinkels: Wir wollen ins obere Playoff, also unter die ersten sechs. An Salzburg, Rapid, Austria und Sturm werden wir nicht vorbeikommen. Altach macht es jetzt auch gut. Von den übrigen Fünf wollen wir der Erste sein.
STANDARD: Ist der Klub in der Stadt und der Region gut verankert? Man hatte den Eindruck, dass die Stimmung recht schnell ins Negative gekippt ist. Schinkels: Das hat uns gewundert. Wir sind kein Traditionsverein. Es gab drei Insolvenzen in St. Pölten, vielleicht spielt auch das noch eine Rolle. Die Leute sind nicht mehr so schnell euphorisch.
FRENK SCHINKELS (53) ist seit 2014 Sportdirektor des SKN St. Pölten.