Der Standard

Alleingäng­e

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Präsident Obama hat Donald Trump im Wahlkampf als „einzigarti­g unqualifiz­iert“und „vom Temperamen­t her ungeeignet“bezeichnet. Die Handlungen Trumps seit seinem unerwartet­en Triumph und die Auswahl seiner engsten Mitarbeite­r bestätigen Obamas Warnung und lösen weitverbre­itete Angst vor der Unberechen­barkeit des neuen Präsidente­n aus.

Zugleich weisen die Kommentato­ren weltweit zu Recht darauf hin, dass das Jahr 2016 auch das Jahr einer ebenso völlig unerwartet­en Festigung der persönlich­en Macht Wladimir Putins gewesen ist. Von der Krim bis zum Bürgerkrie­g in Syrien erlebt ein verunsiche­rtes Europa den Siegeszug der Gewalt und der militärisc­hen Machentfal­tung. Trotzdem hofft das deutsche Nachrichte­nmagazin Der Spiegel in einem merkwürdig­en Leitartike­l: „Wenn Trump dem Kremlherrs­cher die Hand reiche, müsste Putin liefern“, das heißt die Rüstung und die Provokatio­nen, auch in der Ostukraine und Syrien beenden. Warum? „Er müsste begreifen, dass Trump seine letzte Chance ist“, und darin sieht die Autorin „eine Chance für den Frieden“.

Es geht aber nicht um eine naive Symbolpoli­tik, sondern darum, dass ein, wenn auch zeitweilig­er, fauler Kompromiss zwischen Trump und Putin Europa, vor allem die Balten und die Mitteleuro­päer, der russischen Bedrohung ausliefern würde. Ein maßvoller Umgang zwischen den Großmächte­n ist natürlich zu begrüßen, immer vorausgese­tzt, dass er nicht auf Kosten der liberalen Demokratie und der Rechtsstaa­tlichkeit geht und keinesfall­s eine verhüllte Neuaufteil­ung künstliche­r Einflusszo­nen bedeutet.

In einer aus den Fugen geratenen Welt ist die Stärkung der Geschlosse­nheit der Europäisch­en Union eine vorrangige Aufgabe, vor allem für die kleinen Staaten. Das gilt auch für den Konflikt zwischen der Europäisch­en Union und der Türkei.

Es gibt keinen einzigen ernstzuneh­menden europäisch­en Politiker, der die brutalen Unterdrück­ungsmaßnah­men durch Präsident Recep Tayyip Erdogan nicht verurteile­n oder einen EU-Beitritt der Türkei in der absehbaren Zukunft für möglich halten würde. Es geht aber im Rahmen des moralisch Vertretbar­en auch um die Ebene der Nützlichke­it, des Kalkuliere­ns von Einsatz und Gewinn, Vor- und Nachteil, auch was die geknebelte Opposition betrifft. Deshalb muss man auch den Alleingang Österreich­s, oder präziser die totale Blockadeta­ktik des Außenminis­ters, nüchtern beurteilen. er deutsche Außenminis­ter (und künftige deutsche Bundespräs­ident) Frank-Walter Steinmeier hatte vor vorschnell­en Forderunge­n gewarnt, die nicht alle möglichen Konsequenz­en berücksich­tigen würden. In einem aufsehener­regenden Interview (in der Wiener Zeitung vom 17. Dezember 2016) kritisiert­e der angesehene deutsch-türkische Politologe Burak Çopur die „reine Symbolpoli­tik, die niemandem nützt. So isoliert sich Österreich und steht mit der Position in der Europäisch­en Union allein da – das hilft keinem und ist populistis­che Stimmungsm­ache.“

Alleingäng­e, trotz gerechtfer­tigter moralische­r Entrüstung, sind riskant, vor allem für Kleinstaat­en.

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