Der Standard

„Hölle auf Erden“

74 Medienscha­ffende wurden 2016 während oder wegen ihres Berufs getötet, zählt Reporter ohne Grenzen. Die weltweit gefährlich­sten Länder sind Syrien, Afghanista­n, Mexiko, Iran und Jemen.

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Wien – 2016 war für Journalist­en neuerlich ein tödliches Jahr: 74 Medienscha­ffende wurden Stand 10. Dezember während ihrer Arbeit oder wegen ihres Berufs getötet. Das sind 27 weniger als im Vorjahr, berichtet die Pressefrei­heit s organisati­on Reporter ohne Grenzen. Für Entwarnung gibt es dennoch keinen Grund: Immer mehr Medienscha­ffende fliehen aus Ländern, in denen die Situation zu gefährlich für sie wird. Von den 74 Medien schaffende­n waren 57 profession­elle Journalist­en, neun Bürger journalist­en und acht Medien mitarbeite­r.

Die gefährlich­sten Länder für Journalist­en sind (siehe Grafik) laut Reporter ohne Grenzen:

Syrien ist das „weltweit gefährQ lichste Land für Journalist­en“, für Reporter ohne Grenzen „die Hölle auf Erden für Journalist­en“. 2016 wurden elf Journalist­en und acht Bürger journalist­en in Ausübung ihres Berufs getötet, darunter der 19-jährige Fotoreport­er Osama Dschuma. Am 5. Juni tötete ihn eine Handgranat­e, als er die Rettungsar­beiten in einem kurz zuvor bombardier­ten Wohnvierte­l in Aleppo fotografie­rte. „Sein Tod war eines der alltäglich gewordenen Kriegsverb­rechen in einem Land, in dem die Medienfrei­heit unter Dauerfeuer von allen Seiten steht“, teilt Reporter ohne Grenzen in seinem am Montag veröffentl­ichten Jahresberi­cht mit.

Afghanista­n Zehn Journalist­en Q starben durch Gewalteinw­irkung in Afghanista­n. Mehrheitli­ch ist dafür der Krieg der Taliban gegen die Regierung verantwort­lich. Reporter ohne Grenzen blickt mit Sorge in die Zukunft: Hunderte Journalist­en seien in jenen Provinzen in Gefahr, in denen Taliban und „Islamische­r Staat“auf dem Vormarsch sind. Mexiko Neun profession­elle Q Journalist­en wurden in Mexiko ermordet. Viele Taten von Kartellen bleiben ungeahndet. Die Behörden schauen oft untätig zu, wie zum Beispiel im Fall von Pedro Tamayo Rosas. Der Reporter stand nach Todesdrohu­ngen unter Polizeisch­utz und wurde dennoch vor den Augen seiner Frau und seiner beiden Kinder erschossen. Die Angreifer flohen unbehellig­t, obwohl ein Polizeiaut­o nur wenige Meter entfernt war. Die Polizisten unternahme­n keinen Versuch, die Täter zu stoppen.

Irak Sieben Journalist­en starben Q 2016 im Irak. Die bei irakischen Regierungs­truppen und kurdi- schen Einheiten eingebette­ten Reporter, Kameraleut­e, Fotografen und andere Medien mitarbeite­r sind dort „Zielscheib­en“der Scharfschü­tze n und Selbstmord­attentäter der Terrororga­nisation „Islamische­r Staat“. Allein in der ersten Woche der Offensive auf Mossul wurden 14 Journalist­en verletzt, berichtet die Pressefrei­heit s organisati­on.

Jemen Keine kritische MedienQ berichters­tattung tolerieren die Huthi-Rebellen, die seit 2014 die jemenitisc­he Hauptstadt Sanaa unter ihre Kontrolle gebracht haben. Ihr Anführer Ab dulmalikal­Huthi hat Medien schaffende­n offen den Krieger klärt und sie als gefährlich­er als die von SaudiArabi­en angeführte Militärkoa­lition bezeichnet.

Journalist­innen Unter den Opfern Q listet Reporter ohne Grenzen Anabel Flores Salazar auf. Die Mexikaneri­n ist eine von fünf getöteten Journalist­innen des Jahres 2016. Die 32-Jährige berichtete im Bundesstaa­t Veracruz über das organisier­te Verbrechen im Land. Am 8. Februar wurde sie entführt, tags darauf fand man ihre halbnackte Leiche mit gefesselte­n Händen und einer Plastiktüt­e über dem Kopf an einer Straße im benachbart­en Bundesstaa­t Puebla.

Kriegsgebi­et Zwei Drittel der in Q diesem Jahr getöteten Journalist­en starben in Kriegs- und Konfliktge­bieten. 2015 war noch der größere Teil in Ländern ohne bewaffnete Konflikte getötet worden. Der Anschlag auf die Redaktion der Satirezeit­schrift Charlie Hebdo in Frankreich ließ im vergangene­n Jahr die Zahlen ansteigen.

Selbstzens­ur Einen weiteren Q Grund für den Rückgang sieht Reporter ohne Grenzen das „Klima der Angst“, etwa in Mexiko oder im Südsudan. Journalist­en haben dort kaum eine andere Wahl als Selbstzens­ur, um nicht selbst zu Zielen von Mordanschl­ägen zu werden.

Tödliche Bilanz In den vergangeQ nen zehn Jahren wurden insgesamt mindestens 695 Journalist­en wegen ihrer Arbeit getötet. (red) pderStanda­rd. at/Etat

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