Der Standard

Fraglicher Schultersc­hluss

- Gerald Schubert

Wieder einmal ist es die „Einmischun­g von außen“, die einen rechtsnati­onalen Politiker in Europa erzürnt: Ungarns Premier Viktor Orbán will gegen Menschenre­chtsorgani­sationen und Korruption­saufdecker vorgehen, die Geld aus dem Ausland erhalten. Eigentlich ist das keine Überraschu­ng. Vom wirtschaft­lichen Protektion­ismus, der zuletzt auch in Ungarn fröhliche Urstände feierte, zum Kampf gegen ausländisc­he Finanzspri­tzen für heimische Bürgerrech­tler ist es nur ein kleiner Schritt.

Bekanntlic­h aber knüpfen gerade auch die Isolationi­sten gerne Netzwerke, um sich internatio­nal Einfluss zu verschaffe­n. Orbán etwa will nun auch die anderen VisegrádSt­aaten Tschechien, Polen und die Slowakei für seine AntiNGO-Politik gewinnen. Der Zusammenha­lt in der Visegrád-Gruppe (V4), der in der gemeinsame­n Ablehnung von Flüchtling­squoten europaweit für Aufsehen sorgte, ist jedoch in anderen Politikfel­dern äußerst brüchig.

Polen etwa hat zu Russland, wo einige NGOs sogar als ausländisc­he Agenten gelten, ein äußerst distanzier­tes Verhältnis – ganz anders als Ungarn. Prag wiederum ist unter anderem durch den Deutsch-Tschechisc­hen Zukunftsfo­nds und die hunderten von ihm finanziert­en bilaterale­n Projekte eng und freundscha­ftlich mit Berlin verbunden. Orbáns Interessen sind nicht die Interessen aller. Ein neuerliche­r V4-Schultersc­hluss dürfte längst nicht so glatt laufen wie beim emotional aufgeladen­en Flüchtling­sthema.

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