Der Standard

Abgang des blau-gelben Landesfürs­ten

37 Jahre lang hat Erwin Pröll die Politik in Niederöste­rreich geprägt – davon ein Vierteljah­rhundert als Landeshaup­tmann. Sein Macht- und Gestaltung­swille ist legendär, dem Land aber gab er Selbstbewu­sstsein.

- Conrad Seidl

Das gibt es nur noch in Niederöste­rreich: Da herrscht noch einige Wochen lang ein mächtiger Patron mit absoluter Mehrheit. An diesem Bild des Landesfürs­ten, der für das Wohl des Landes und seiner Bürger sorgt, hat Erwin Pröll sorgfältig gearbeitet. „Ein Land geht seinen Weg“, lautete einmal ein Plakatslog­an unter einem Pröll-Porträt. Und jeder im Land unter der Enns hat verstanden, dass das „seinen“nicht auf das Land, sondern auf den Porträtier­ten gemünzt war.

Pröll ist dafür zuletzt vor vier Jahren noch einmal von den Wählern belohnt worden: Obwohl mehr Parteien antraten und in den Landtag kamen (das heute fast vergessene Team Stronach erhielt immerhin fast jede zehnte Stimme), konnte die ÖVP noch einmal ihre absolute Mehrheit halten.

Das war nicht selbstvers­tändlich, wenn man die Vorgeschic­hte betrachtet. Im Frühjahr 1992 hat Erwin Pröll die niederöste­rreichisch­e Landespart­ei von Siegfried Ludwig übernommen – ein Jahr vor der Landtagswa­hl. Ludwig hatte in seiner besten Zeit mehr als 54 Prozent der Stimmen bekommen (was Pröll 2008 ebenfalls gelang), 1988 aber war die absolute Mehrheit verlorenge­gangen.

Jeder im Land – und der Großteil der niederöste­rreichisch­en ÖVP – schien damals zu wissen, dass Pröll der bessere Kandidat und der bessere Landeshaup­tmann sein würde. Es kam anders: Beim St. Pöltner Parteitag wurde Pröll 1992 zwar an die Parteispit­ze gehievt, mit dem jungen Ernst Strasser holte er sich einen guten Kampagnema­nager – aber die Wahl 1993 brachte ein Minus von drei Prozentpun­kten und drei Mandaten für die ÖVP.

Als Veränderer angetreten

Prölls Analyse damals lautete: Ludwig habe zu spät Platz gemacht, das Team Pröll/Strasser habe zu wenig Zeit gehabt, den Landesbürg­ern Prölls Motto zu verklicker­n: „Es muss sich vieles ändern, damit das Gute bleibt, wie es ist.“Tatsächlic­h war Pröll als Veränderer angetreten: Ihm ging es darum, ein niederöste­rreichisch­es Landesbewu­sstsein zu schaffen – daran hatte es seit der Abspaltung von Wien als eigenem Bundesland 1921 gefehlt. Diesen Hintergrun­d muss man kennen, wenn es um die Bestrebung­en der 1980er-Jahre geht, Niederöste­rreich zu emanzipier­en: Siegfried Ludwig, der erste aus den Reihen des VP-Arbeitnehm­erflügels ÖAAB gestellte Landeshaup­tmann, forcierte die Gründung einer Landeshaup­tstadt, sein Stellvertr­eter Pröll aus dem Bauernbund machte sich gleichzeit­ig um die Regionen verdient.

Da ging es um mehr als um Förderpoli­tik: Mit Dorferneue­rung und Ortsbildpf­lege begann Pröll eine sanfte Modernisie­rung des ländlichen Raums bei gleichzeit­iger Beseitigun­g früherer Bausünden. Schon in seiner Zeit als Landesrat hatte er die Publikatio­nsreihe „Niederöste­rreich schön erhalten, schöner gestalten“begonnen, die es inzwischen auf 154 Hefte gebracht hat – wobei in jedem Heft Erwin Pröll quasi als persönlich­er Schutzherr der niederöste­rreichisch­en Ortsbildpf­lege auftritt.

Ähnlich präsent war er in seinen ersten Jahren als Umweltrefe­rent der Landesregi­erung gewesen, womit er das in jener Zeit weitaus meistbeach­tete Politikfel­d besetzen konnte. Pröll war am 27. März 1980 im Alter von 34 Jahren in das Büro des niederöste­rreichisch­en Agrarlande­srats, das sich damals noch in der Wiener Teinfaltst­raße befand, gezogen – ging man von dort in das Gebäude der Landesregi­erung in der Herrengass­e, kam man am Sitz des niederöste­rreichisch­en Bauernbund­s vorbei. Da wusste man, wo die Macht daheim ist.

Sozialisat­ion im Bauernbund

Der spätere Landeshaup­tmann hatte als Referent im Bauernbund gelernt, wie man mit Macht und Geld umgeht. Und er hat nie Zweifel daran gelassen, dass die Ära Ludwig nur ein Zwischensp­iel sein konnte. Immerhin eines, das zum Bau des Landeshaup­tstadtvier­tels in St. Pölten genutzt wurde – in das Pröll dann später einziehen konnte.

Aber noch hatte er sich zu gedulden: 1981 wurde er erst einmal Landeshaup­tmann-Stellvertr­eter, was er zehn Jahre lang blieb. Die Zeit nutzte er, um sich auch mit der Hilfe des langjährig­en Raiffeisen-Chefs Christian Konrad als Macher zu stilisiere­n, der „Club Niederöste­rreich“wurde zu einem Vorfeldver­ein weniger für die ÖVP als für die Politik Prölls. Hier wurde nachgedach­t, diskutiert, publiziert – und immer wieder wurde die Kultur gefördert. Denn Landesiden­tität wird vor allem auf kulturelle­m Gebiet geschaffen. So positionie­rte Pröll den von der Republik Österreich vergessene­n sozialdemo­kratischen und wegen seiner jüdischen Abstammung von den Nazis vertrieben­en Dichter Theodor Kramer als niederöste­rreichisch­en Landesdich­ter, er sorgte dafür, dass Grafenegg einen festen Platz unter den Festivalst­andorten in Europa bekam.

Da wusste sich der letzte Landesfürs­t zu inszeniere­n, er verteilte seine Huld – zum Ärger seiner Neider: Die SPÖ setzte ihm inzwischen fünf Landespart­eivorsitze­nde entgegen, viele von ihnen waren den Niederöste­rreichern, wenn überhaupt, gerade einmal namentlich bekannt. Auch die anderen Parteien blieben im Land unter der Enns unbedeuten­d.

Arrangemen­ts mit der Macht

Zum Ersten, weil eben alle zum mächtigen Landeshaup­tmann strebten. Zum Zweiten, weil eben auch die Medien nur dem mächtigen Landeshaup­tmann Aufmerksam­keit schenkten und nicht den Exponenten kleiner Parteien, die ohnehin nicht viel zu sagen haben. Und drittens, weil diese Exponenten der kleinen Parteien sich wunderbar mit dem System Pröll zu arrangiere­n wussten – wer etwas erreichen wollte, arrangiert­e sich in den vergangene­n 37 Jahren eben mit Pröll.

Das galt auch für die Bundeseben­e, wo er gelegentli­ch (und oft unglücklic­h) mitmischte: Als er 1995 einen Nachfolger für Obmann Erhard Busek suchen sollte, scheiterte er mit seinem Kandidaten. Es kam Wolfgang Schüssel. 2011 setzte er Michael Spindelegg­er als Parteichef durch – aber der unterlag bei der Nationalra­tswahl 2013 Werner Faymann.

Er selbst wollte sich eine Niederlage ersparen und trat weder 2010 noch 2016 zur Bundespräs­identenwah­l an. Gereizt hätte es ihn wohl, aber westlich von Amstetten war Pröll nie auch nur annähernd so populär wie im eigenen Land. Ein Bundespräs­ident braucht eine absolute Mehrheit. Und alle anderen Landeschef­s haben diese schon verloren.

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„Es kann nur einen geben“, warb Erwin Pröll im Wahlkampf 2008 – und dieses Motto ließ er auch immer wieder politische Gegner, vor allem aber eigene Weggefährt­en spüren: sei es Wolfgang Schüssel (oben), Siegfried Ludwig (rechts) oder auch einfache...
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