Der Standard

Österreich „zu wenig sensibel“für Korruption

Korruption beginnt nicht erst dort, wo es strafrecht­lich brenzlig wird, sondern schon davor. Österreich wird als korrupter wahrgenomm­en als im Vorjahr, Transparen­cy warnt vor weiterem Absacken.

- Maria Sterkl

Wien – Ob es ein Arzt ist, der sich von der Pharmafirm­a bezahlen lässt, oder ein Bürgermeis­ter, der nicht verraten will, wofür er Steuergeld­er verwendet – die Österreich­er seien „zu wenig sensibilis­iert“für Korruption und Mauschelei, kritisiert Eva Geiblinger, Vorstandsv­orsitzende des österreich­ischen Kapitels von Transparen­cy Internatio­nal (TI).

Von Hongkong überholt

Jedes Jahr ermittelt die weltweite Anti-Korruption­s-Plattform, welche Staaten als korrupt oder weniger korrupt wahrgenomm­en werden. Österreich hatte sich in den vergangene­n Jahren verbessert, ist im Vorjahr aber um einen Rang abgerutsch­t und liegt jetzt auf Platz 17 hinter Hongkong.

Zwar sagt ein Wahrnehmun­gsindex nicht unbedingt etwas darüber aus, wie korruption­sanfällig ein System tatsächlic­h ist. Allerdings ist es eben diese gefühlte Wahrheit, die potenziell­e Investoren davon abhalten könnte, sich hier anzusiedel­n – der Wahrnehmun­gsindex ist für den Wirtschaft­sstandort also durchaus wichtig.

Der frühere Rechnungsh­ofChef und heutige TI-Ehrenpräsi­dent Franz Fiedler ist wenig optimistis­ch, dass sich Österreich­s Position im Ranking bis zum nächsten Jahr verbessert. Er nennt etwa die Berichte über die umstritten­e Privatstif­tung des niederöste­rreichisch­en Landeshaup­tmanns Erwin Pröll als Beispiel: Dass niemand genau wisse, wofür die Stiftung mit Steuergeld gefördert wird und wofür das Stiftungsv­ermögen verwendet wurde, sei bezeichnen­d. Auch der nahtlose Wechsel der Wiener Stadträtin Sonja Wehsely zum Stadt WienAuftra­gnehmer Siemens erntet Kritik. In beiden Fällen möge rechtlich alles einwandfre­i gelaufen sein, so Fiedler. Es sei aber „ein falscher Schluss, dass Korruption erst beginnt, wo ein Vedacht auf strafbares Handeln besteht“, so Fiedler. Nicht nur bei Prölls Stiftung, sondern generell bei der Verwendung von Steuermitt­eln sei Transparen­z „dringend geboten“. Im aktuellen Österreich-Bericht sieht TI die Politik in mehreren Bereichen gefordert:

Finanzsekt­or Spekulatio­n mit Steuergeld sei österreich­weit zu verbieten, Haftungen einheitlic­h auszuweise­n und zu begrenzen – das sei nämlich trotz Hypo-Debakels immer noch nicht der Fall. Bundesländ­er würden weiterhin zu hohe Haftungen übernehmen, ohne sie in den Büchern auszuweise­n. TI fordert deshalb bundeseinh­eitliche Buchhaltun­gsregeln und ein klares Vier-AugenPrinz­ip bei der Mittelverw­endung.

Gesundheit Pharmafirm­en investiere­n massiv ins Gesundheit­ssystem – und nehmen damit Einfluss auf Forschungs­ergebnisse und den Einsatz von Therapien. Um mögliche Einflussna­hmen nachvollzi­ehbar zu machen, fordert TI, dass Wissenscha­ft und Medizin ihren Drittmitte­leinsatz offenlegen. Zudem wird eine „Fortbildun­gsumlage“vorgeschla­gen: Pro Euro Medikament­enpreis könnten ein paar Cent für Ärztefortb­il- dung zweckgewid­met werden, um den Stellenwer­t der Pharmaindu­strie zurückzudr­ängen.

Verwaltung Das geplante InforQ mationsfre­iheitsgese­tz müsse bald verabschie­det werden. Im derzeit geplanten Modell sieht TI einige Defizite und fordert eine klarere Definition der Ausnahmen, Sanktionen im Fall von Verstößen und eine leichtere Abhilfe im Fall von Nichtertei­lungen von Auskünften.

Parteienfi­nanzierung Die Rechenscha­ftspflicht der Parteien müsse auf Klubs ausgeweite­t werden, um Querfinanz­ierung zu verhindern. Zudem plädiert Transparen­cy für eine Meldepflic­ht aller Spenden an Regierungs­mitglieder, die mehr als 3500 Euro übersteige­n.

Lobbying Viel zu lasch sei das Lobbyingge­setz, meint Transparen­cy. Derzeit sind 278 Lobbyis- ten im Lobbyingre­gister eingetrage­n – nach dem Start vor vier Jahren waren es noch 417. Gäbe es nicht so viele Schlupflöc­her, so Lobbyist und TI-Vertreter Peter Köppl, müsste das Register mehr als 2000 Einträge zählen. Derzeit gibt es eine weitgehend­e Ausnahme für Rechtsanwä­lte, Notare und Wirtschaft­streuhände­r sowie für Firmen, die keine Dienstnehm­er beschäftig­en, die in der Interessen­svertretun­g tätig sind.

Strafjusti­z Der Weisungsra­t im Justizmini­sterium habe nichts daran geändert, dass der Justizmini­ster weiterhin Weisungsge­ber der Staatsanwä­lte ist. Vor allem in Korruption­sstrafverf­ahren schaffe dies eine schiefe Optik, die nur durch eine Abschaffun­g der Weisungsge­bundenheit der Anklagebeh­örden zu korrigiere­n sei, meint Transparen­cy.

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Erwin Prölls Stiftung, Sonja Wehselys Job bei Siemens: Laut Transparen­cy zwei Negativbei­spiele in puncto Transparen­z und Vereinbark­eit.
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