Bundesheer schweigt über Privilegien für 147 unbekannte Vereine
Genau 147 wehrpolitische Vereine erhalten vom Verteidigungsministerium besondere Privilegien. Um welche Gruppen es sich dabei handelt, ist geheim. Insider befürchten, dass rechtsextreme Gruppen unterstützt werden.
– Das Verteidigungsministerium hält unter Berufung auf „Datenschutz“geheim, welche „wehrpolitisch anerkannten Vereine“Privilegien, wie etwa die Nutzung von Kasernen, in Anspruch nehmen dürfen. Trotz mehrfacher parlamentarischer Anfragen bleibt das Ministerium schweigsam.
Der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser behauptet in dem Zusammenhang, dass „paramilitärische Formationen, die knapp am Neonazismus vorbeischrammen“, unter den Schirm der unterstützten Vereine fallen. STANDARD- Recherchen legen Indizien für eine radikale Gesinnung einiger Vereine nahe, die selbst angeben, vom Ministerium „wehrpolitisch anerkannt“zu sein. Auch Querverbindungen zu den rechtsextremen „Identitären“gibt es. (red)
Wien – Das Verteidigungsministerium gewährt 147 Vereinen, deren Namen es nicht nennt, den Status als „wehrpolitisch anerkannter Verein“. Damit gehen viele Privilegien einher: Die Vereine dürfen etwa die Infrastruktur des Heeres nutzen, Bundesheermitarbeiter während ihrer Arbeitszeit für den Verein tätig sein. Insider aus der Szene befürchten, dass auch politisch einschlägige Vereine diese Befugnisse erhalten haben. Laut dem grünen Abgeordneten Albert Steinhauser „verdichtet sich der Eindruck, dass auch paramilitärische Formationen, die knapp am Neonazismus vorbeischrammen, unter den Schirm der wehrpolitischen Vereine fallen“.
Das Verteidigungsministerium will die Namen der 147 Vereine aus „Datenschutzgründen“nicht nennen und gibt auch keine Auskunft über einen abschließenden Umfang der gewährten Privilegien. Es bestreitet, dass sich unter anerkannten Vereinen rechtsextreme Gruppen befinden. So sollen zwischen September 2012 und Dezember 2013 von „einem Bediensteten“alle wehrpolitisch anerkannten Vereine evaluiert worden sein, wobei sieben Vereinen dieser Status „aus unterschiedlichen Gründen“aberkannt wurde.
„Das Innenministerium verbietet außerdem Vereine, wenn sie verfassungsfeindlich sind“, heißt es aus dem Verteidigungsministerium. Darüber hinaus beobachte man einschlägig tätige Personen und Organisationen, wenn es einen Zusammenhang mit dem Bundesheer gibt.
Wer in der Szene recherchiert, stößt auf Vereine, die eine große Bandbreite unterschiedlicher Inhalte anbieten. So gehört etwa die Offiziersgesellschaft zu den „wehrpolitischen Vereinen“, ebenso Gruppen, die Treffen früherer Kameraden organisieren und diese Feiern in der Kaserne durchführen.
Bei bestimmten Vereinen, die selbst angeben, vom Verteidi- gungsministerium als „wehrpolitisch“anerkannt zu sein, erkennt man jedoch Indizien für eine radikale Gesinnung.
Bezug auf Identitäre
Der Landesobmann eines anerkannten Vereins nimmt auf seiner Facebook-Seite Bezug auf die Identitäre Bewegung, die vom Verfassungsschutz als „rechtsextremistisch“bezeichnet wird. Er vergleicht außerdem Muslime mit Nationalsozialisten und teilt eine Karikatur, in der österreichische Soldaten Radikale von der Grenze mit Schweinen vertreiben.
Außerdem markierte er die Verlinkung zu einem Artikel mit „Gefällt mir“, in dem zu lesen ist, dass die Jahre 1933 bis 1939 – also die Zeit der Naziherrschaft vor Beginn des Zweiten Weltkriegs – die „erfolgreichsten und für die deutsche Seele schönsten Jahre ihrer Geschichte“gewesen seien.
Das Vorstandsmitglied eines anderen Vereins, das sich selbst als wehrpolitisch anerkannt deklariert, verkauft auf Willhaben.at eine „Volksgasmaske“aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs und „Ostmark-Keramik“. Außerdem stellt sie sich gegen angebliche Pläne der EU, die Bevölkerung „zu entwaffnen“, und schreibt dazu, dass „jede Entwaffnung der Bürger Vorbereitung für menschliche Katas- trophen, Regime und Diktaturen“war. Der Verein selbst verfügt laut Bildern über Zugang zu Waffen, die vom Bundesheer nicht mehr verwendet werden, und organisiert Schießübungen in Uniform.
Das Verteidigungsministerium sagt auf Anfrage des STANDARD, dass „nicht Personen, sondern Vereine wehrpolitisch anerkannt werden“und Aussagen von Vereinsmitgliedern, auch wenn diese Obmann sind, nicht als Aussagen des Vereins zu werten sind.
Wehrpolitische Vereine bieten beispielsweise Schießübungen an. Außerdem werden andere militärische Fähigkeiten weitergegeben. Insider berichten, dass auch Unterstützer der rechtsextremen Identitären Bewegung an derartigen Übungen teilgenommen haben sollen. Überprüfen lässt sich dies kaum, da sowohl das Verteidigungsministerium als auch die wenigen Vereine, deren Anerkennung bekannt ist, keine Auskünfte geben.
Parlament erfährt nichts
Es ist Aufgabe des Innenministeriums zu prüfen, ob sich Vereine auf dem Boden der Verfassung bewegen, heißt es auf Anfrage des STANDARD zu den Namen der 147 Vereine. Außerdem werde der derzeitige Erlass für die Anerkennung als wehrpolitischer Verein momentan „neu gestaltet“und „in kurzer Zeit nicht mehr gültig“sein. Entscheidend für eine Anerkennung als „wehrpolitischer Verein“sei, dass die Vereine Akzeptanz der Landesverteidigung, Vertrauen in die Fähigkeiten des Bundesheeres und einen „Beitrag zum Sinn und Zweck des Bundesheeres“leisten. „Seit fünf Jahren verwehrt das Verteidigungsministerium dem Parlament die Auskunft, welche Vereine mit Steuergeld unterstützt werden“, kritisiert der grüne Abgeordnete Steinhauser.