Koalitionskrise: Industrie warnt vor faulem Kompromiss
Kapsch: Neuwahlen schlecht für SPÖ, ÖVP Drohungen belasten Dauerverhandlungen
– Während die Regierungsverhandlungen zu einem neuen Arbeitsprogramm Freitagabend in die Nachspielzeit gingen, pocht die Industriellenvereinigung auf umfassende Reformen und Entlastung für Betriebe. Ihr Präsident Georg Kapsch warnt davor, dass am Ende „wieder ein fauler Kompromiss herauskommt“, sagte er zum STANDARD. Bei Neuwahlen rechnet der Industriechef nicht mit einem Erfolg für SPÖ oder ÖVP.
Der Regierungspoker lief indes zäh. Kanzler Christian Kern sagte seine für Sonntag geplante IsraelReise ab, für das Wochenende waren weitere Gespräche angesetzt. Das Ultimatum Kerns, der bis Freitag Ergebnisse gewollt und mit Neuwahlen gedroht hatte, war damit verstrichen – ohne Konsequenzen, wie in der ÖVP angemerkt wurde. Der steirische Landeschef Hermann Schützenhöfer (ÖVP) warf der SPÖ „Scheinverhandlungen“vor. Der Landeshauptmann des Burgenlands, Hans Niessl (SPÖ), empfahl seiner Partei, einen anderen Partner zu suchen. (red)
Wien – Der Präsident der Industriellenvereinigung, Georg Kapsch, sieht die Regierungskrise weniger negativ als andere Beobachter. Er findet es grundsätzlich positiv, wenn die Koalitionsparteien streiten und es „klare Positionierungen“gibt. Neuwahlen, so zeigt sich Kapsch im Standard- Gespräch überzeugt, würden weder SPÖ noch ÖVP einen Erfolg bringen. Trotz der prinzipiell verständnisvollen Sicht warnt der Industriechef zugleich davor, dass am Ende „wieder ein fauler Kompromiss herauskommt“.
Angesichts des Wandels in der Wirtschaft drängt Kapsch massiv auf eine Verbesserung der Rahmenbedingungen. Dazu zählen vor allem steuerliche Entlastungen. Bei den nicht entnommenen Gewinnen pocht die Industrie auf eine Halbierung des Körperschaftsteuersatzes auf 12,5 Prozent. Diese Maßnahme komme nur den Unternehmen und ihren Mitarbeitern zugute und fördere Investitionen, beteuert Kapsch. „Da kann uns niemand den Vorwurf machen, wir wollen als Eigentümer steuerlich besser dastehen.“Notwendig sei der Schritt auch wegen der Steuersenkungen in umliegenden Ländern, die den Druck auf Österreich erhöhten. Zuletzt hat Ungarn die Unternehmenssteuern deutlich gesenkt. Außerdem denkt der Unternehmer, dass sich die Entlastung zur Hälfte durch höheres Wachstum finanziere.
Investitionshilfe
Zweite zentrale Forderung im steuerlichen Bereich: ein Investitionsfreibetrag, möglicherweise auf zwei Jahre befristet. Diese Förderung sei „wesentlich sinnvoller“als ebenfalls zur Diskussion stehende Maßnahmen wie vorzeitige oder degressive Abschreibung. Dass eine ähnliche Maßnahme unter Schwarz-Blau allerlei seltsame Investitionen finanzierte, die wenig mit neuer Wertschöpfung zu tun hatten, bestreitet Kapsch nicht. Daher spricht er sich für klare Definitionen aus, für welche Maßnahmen der Investitionsfreibetrag in Anspruch genommen werden kann. Dritter Punkt aus dem Bereich ist die Anhebung der Forschungsprämie von zwölf auf 15 Prozent. Dieser Schritt hätte „einen besonders hohen Hebel bei Exporten und Arbeitsplatzgenerierung“, ist der Industrie-Präsident überzeugt.
Nicht abrücken will Kapsch von den Forderungen nach einer Arbeitszeitflexibilisierung. „Die zwölf Stunden Höchstarbeitszeit am Tag kosten die Menschen letztlich null, denn sie müssen im Jahr nicht länger arbeiten, und es fallen keine Überstundenzuschläge weg“, versucht er zu beruhigen. Bei der Arbeit gibt sich Kapsch in puncto Gegengeschäfte äußerst reserviert. „Das würde ich überhaupt nicht einsehen“, sagt der Industrielle.
Lohnnebenkosten
Ebenfalls weit oben auf der Prioritätenliste der Industriellenvereinigung steht eine Senkung der Lohnnebenkosten. Dabei spricht Kapsch von zwei Milliarden Euro, die über niedrige Beiträge zum Insolvenzentgeltfonds und zum Familienlastenausgleichsfonds eingespart werden könnten. „Das kann man aber bitte nicht gleich wieder durch neue Steuern gegenfinanzieren“, warnt Kapsch.
Inwieweit die Neuwahlkommentare inszeniert oder ernst gemeint sind, will er nicht beurteilen. Wichtig sei, dass die Reformen paktiert und entsprechend rasch umgesetzt werden. „Ich hoffe, dass da nicht wieder irgendein Abtausch von Kleinigkeiten herauskommt“, erklärt der Präsident der Industriellenvereinigung.