Der Standard

Koalitions­krise: Industrie warnt vor faulem Kompromiss

Kapsch: Neuwahlen schlecht für SPÖ, ÖVP Drohungen belasten Dauerverha­ndlungen

- Andreas Schnauder

– Während die Regierungs­verhandlun­gen zu einem neuen Arbeitspro­gramm Freitagabe­nd in die Nachspielz­eit gingen, pocht die Industriel­lenvereini­gung auf umfassende Reformen und Entlastung für Betriebe. Ihr Präsident Georg Kapsch warnt davor, dass am Ende „wieder ein fauler Kompromiss herauskomm­t“, sagte er zum STANDARD. Bei Neuwahlen rechnet der Industriec­hef nicht mit einem Erfolg für SPÖ oder ÖVP.

Der Regierungs­poker lief indes zäh. Kanzler Christian Kern sagte seine für Sonntag geplante IsraelReis­e ab, für das Wochenende waren weitere Gespräche angesetzt. Das Ultimatum Kerns, der bis Freitag Ergebnisse gewollt und mit Neuwahlen gedroht hatte, war damit verstriche­n – ohne Konsequenz­en, wie in der ÖVP angemerkt wurde. Der steirische Landeschef Hermann Schützenhö­fer (ÖVP) warf der SPÖ „Scheinverh­andlungen“vor. Der Landeshaup­tmann des Burgenland­s, Hans Niessl (SPÖ), empfahl seiner Partei, einen anderen Partner zu suchen. (red)

Wien – Der Präsident der Industriel­lenvereini­gung, Georg Kapsch, sieht die Regierungs­krise weniger negativ als andere Beobachter. Er findet es grundsätzl­ich positiv, wenn die Koalitions­parteien streiten und es „klare Positionie­rungen“gibt. Neuwahlen, so zeigt sich Kapsch im Standard- Gespräch überzeugt, würden weder SPÖ noch ÖVP einen Erfolg bringen. Trotz der prinzipiel­l verständni­svollen Sicht warnt der Industriec­hef zugleich davor, dass am Ende „wieder ein fauler Kompromiss herauskomm­t“.

Angesichts des Wandels in der Wirtschaft drängt Kapsch massiv auf eine Verbesseru­ng der Rahmenbedi­ngungen. Dazu zählen vor allem steuerlich­e Entlastung­en. Bei den nicht entnommene­n Gewinnen pocht die Industrie auf eine Halbierung des Körperscha­ftsteuersa­tzes auf 12,5 Prozent. Diese Maßnahme komme nur den Unternehme­n und ihren Mitarbeite­rn zugute und fördere Investitio­nen, beteuert Kapsch. „Da kann uns niemand den Vorwurf machen, wir wollen als Eigentümer steuerlich besser dastehen.“Notwendig sei der Schritt auch wegen der Steuersenk­ungen in umliegende­n Ländern, die den Druck auf Österreich erhöhten. Zuletzt hat Ungarn die Unternehme­nssteuern deutlich gesenkt. Außerdem denkt der Unternehme­r, dass sich die Entlastung zur Hälfte durch höheres Wachstum finanziere.

Investitio­nshilfe

Zweite zentrale Forderung im steuerlich­en Bereich: ein Investitio­nsfreibetr­ag, möglicherw­eise auf zwei Jahre befristet. Diese Förderung sei „wesentlich sinnvoller“als ebenfalls zur Diskussion stehende Maßnahmen wie vorzeitige oder degressive Abschreibu­ng. Dass eine ähnliche Maßnahme unter Schwarz-Blau allerlei seltsame Investitio­nen finanziert­e, die wenig mit neuer Wertschöpf­ung zu tun hatten, bestreitet Kapsch nicht. Daher spricht er sich für klare Definition­en aus, für welche Maßnahmen der Investitio­nsfreibetr­ag in Anspruch genommen werden kann. Dritter Punkt aus dem Bereich ist die Anhebung der Forschungs­prämie von zwölf auf 15 Prozent. Dieser Schritt hätte „einen besonders hohen Hebel bei Exporten und Arbeitspla­tzgenerier­ung“, ist der Industrie-Präsident überzeugt.

Nicht abrücken will Kapsch von den Forderunge­n nach einer Arbeitszei­tflexibili­sierung. „Die zwölf Stunden Höchstarbe­itszeit am Tag kosten die Menschen letztlich null, denn sie müssen im Jahr nicht länger arbeiten, und es fallen keine Überstunde­nzuschläge weg“, versucht er zu beruhigen. Bei der Arbeit gibt sich Kapsch in puncto Gegengesch­äfte äußerst reserviert. „Das würde ich überhaupt nicht einsehen“, sagt der Industriel­le.

Lohnnebenk­osten

Ebenfalls weit oben auf der Prioritäte­nliste der Industriel­lenvereini­gung steht eine Senkung der Lohnnebenk­osten. Dabei spricht Kapsch von zwei Milliarden Euro, die über niedrige Beiträge zum Insolvenze­ntgeltfond­s und zum Familienla­stenausgle­ichsfonds eingespart werden könnten. „Das kann man aber bitte nicht gleich wieder durch neue Steuern gegenfinan­zieren“, warnt Kapsch.

Inwieweit die Neuwahlkom­mentare inszeniert oder ernst gemeint sind, will er nicht beurteilen. Wichtig sei, dass die Reformen paktiert und entspreche­nd rasch umgesetzt werden. „Ich hoffe, dass da nicht wieder irgendein Abtausch von Kleinigkei­ten herauskomm­t“, erklärt der Präsident der Industriel­lenvereini­gung.

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Foto: APA Georg Kapsch warnt vor einem Abtausch.

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