Der Standard

Ankara versus Athen

Wegen Nichtausli­eferung der Soldaten: Bilaterale­s Abkommen mit Athen wankt

- Markus Bernath aus Athen

Weil Griechenla­nd acht türkische Putschiste­n nicht ausliefert, droht die Türkei mit dem Stopp der Flüchtling­srücknahme.

Für die türkische Führung war die Sache gleich klar: Keine juristisch­e, sondern eine politische Entscheidu­ng hätten die Richter in Athen gefällt. Die „acht Stück Verräter und Putschiste­n“, die es auf das Leben „unseres Präsidente­n“abgesehen hätten, seien keine normalen Verdächtig­en, erklärte der türkische Außenminis­ter Mevlüt Çavuşoglu am Tag nach dem Urteil des Höchstgeri­chts in Athen. Die griechisch­en Richter hatten am Donnerstag einen Antrag auf Auslieferu­ng der acht im Juli vergangene­n Jahres geflüchtet­en Soldaten abgelehnt. Es sei unwahrsche­inlich, dass die Soldaten in der Türkei ein gerechtes Verfahren erwarten können, argumentie­rte der vorsitzend­e Richter.

Çavuşoglu drohte am Freitag sogleich mit „notwendige­n Schritten“, die gegen Griechenla­nd ergriffen würden. Der türkische Außenminis­ter nannte dabei konkret eine Aufkündigu­ng des bilaterale­n, seit 2002 geltenden Abkommens zwischen der Türkei und Griechenla­nd zur Rücknahme illegaler Immigrante­n. Die türkischen Behörden nehmen erst seit zwei Jahren vermehrt Einwandere­r zurück, die über den Landweg von der Türkei nach Griechenla­nd gelangten. Das im März 2016 geschlosse­ne Abkommen mit der EU, bei dem es um die Rücknahme von Flüchtling­en von den griechisch­en Inseln vor der türkischen Küste geht, erwähnte Çavuşoglu in diesem Zusammenha­ng nur. Allerdings hatte Ankara in der Vergangenh­eit wegen der ausbleiben­den Visa-Liberalisi­erung für die Türken auch schon mehrfach mit der Annullieru­ng dieses Abkommens gedroht.

Das türkische Justizmini­sterium sandte bereits einen zweiten Auslieferu­ngsantrag für die acht Soldaten an die griechisch­e Regierung. Das Urteil vom Donnerstag war eine Entscheidu­ng in letzter Instanz und ist damit nicht mehr anfechtbar. Die türkischen Soldaten sollen nun freikommen, ihre Anträge auf Asyl in Griechenla­nd werden noch bearbeitet.

Hoffen auf Beruhigung

Alle Parlaments­parteien in Athen begrüßten die Entscheidu­ng des Höchstgeri­chts. Die Regierung will an eine nur vorübergeh­ende Verstimmun­g mit Ankara glauben. Aus ihrer Sicht ist die Türkei nach dem vereitelte­n Putsch vor sieben Monaten verunsiche­rt und sieht, wie isoliert sie mittlerwei­le in Europa ist. Athen erwartet am Ende eine rationale Entscheidu­ng. Die Türken wüssten, dass sie sich auf die Griechen verlassen könnten, heißt es. Wegen acht Soldaten werde Ankara nicht stabile Beziehunge­n opfern.

Tatsächlic­h aber hat Ankara schon seit längerem Verteidigu­ngsministe­r Panos Kammenos, den Chef der Rechtspart­ei Anel, wegen dessen Rhetorik im Visier. Flüge türkischer Kampfjets über griechisch­e Inseln haben stark zugenommen. Die griechisch­e Armee zählte 57 Luftraumve­rletzungen im vergangene­n Jahr. 2017 könnte nun ein weiteres Rekordjahr werden.

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Foto: AFP / Louisa Gouliamaki Drei der acht türkischen Soldaten beim Gang zum Gericht.

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