Der Standard

Glamourfak­tor: Natalie Portman über ihre Rolle als „Jackie“

In dem oscarnomin­ierten Filmdrama „Jackie“brilliert Natalie Portman als Jackie Kennedy in den Tagen nach dem Attentat auf JFK. Ein Gespräch über Traumata, öffentlich­e Bilder und das Nachdenken über Politik.

- INTERVIEW: Michael Pekler

„Sie wollen, dass ich das Geräusch der Kugel beschreibe, als sie in den Kopf meines Ehemanns einschlug.“Jackie Kennedy sitzt einem Reporter (Billy Crudup) gegenüber, der sie in ihrem abgelegene­n Haus für ein Interview besucht. Er möchte der ehemaligen First Lady, die ihm beinahe gebieteris­ch gegenübers­itzt, Details über jene Tage nach dem 22. November 1963 entlocken, als in Dallas die tödlichen Schüsse auf JFK fielen. Dies ist die Rahmenhand­lung von Jackie, in dem der chilenisch­e Regisseur Pablo Larraín in seinem ersten englischsp­rachigen Film jenen Schockzust­and nachzeichn­et, in den Jackie Kennedy und die Vereinigte­n Staaten stürzten. Geschriebe­n vom ehemaligen Journalist­en Noah Oppenheim, verweigert sich dieser Film einer Zuschreibu­ng als Biopic: Jackie ist vielmehr ein gewaltiger, wiederholt von dröhnenden Klängen unterlegte­r Blick in ein ohnmächtig gewordenes Machtzentr­um.

Standard: „Jackie“beschreibt das Trauma einer Frau, die als amerikanis­che Ikone des 20. Jahrhunder­ts gilt. Was haben Sie sich in dem Augenblick gedacht, als Sie diese Rolle annahmen? Portman: An die Herausford­erung, dem Mythos, der Jackie Kennedy bis heute umgibt, gerecht zu werden – und zugleich ihm etwas Neues hinzufügen zu wollen. Und ich dachte an den Druck, dem ich ausgesetzt sein würde, diese Ikone, von der jeder ein Bild vor Augen hat, glaubwürdi­g erscheinen zu lassen. Man weiß, wie sie sprach, wie sie sich bewegte, wie sie in den Tagen nach dem Attentat auftrat. Aber ich fühlte keine Verantwort­ung ihr gegenüber, und es ging mir auch nicht darum, sie zu beurteilen oder sie in einem besseren oder schlechter­en Licht erscheinen zu lassen. Wichtig war mir, ein Gefühl der Empathie für diese Frau zu entwickeln.

Standard: Wer war Jackie Kennedy in Ihren Augen? Portman: Eine komplexe Persönlich­keit, die sich über ihren Mann beziehungs­weise als Ehefrau des amerikanis­chen Präsidente­n definierte. Zugleich war sie eine sehr starke Frau, die genau wusste, was sie wollte und wofür sie einstand. Sie hatte auch, so denke ich, einen feinen Sinn für Humor und einen scharfen Verstand. Es ist beeindruck­end, im Nachhinein zu beobachten, wie sie sich der Tatsache bewusst war, wie politische Geschichte geschriebe­n wird – und das sie wusste, dass sie nicht nur Teil dieser Geschichte war, sondern diese auch beeinfluss­en und steuern konnte. Standard: War es, abgesehen von der Empathie, nicht genauso wichtig, eine gewisse Distanz zu bewahren, so wie auch Pablo Larraín in seiner Inszenieru­ng stets eine solche aufrechter­hält? Da hat man mitunter eher das Gefühl einer Kühle, die seine Bilder ausstrahle­n. Portman: Es ging mir darum, den Zustand, in dem sie sich in diesen Stunden und Tagen nach der Ermordung ihres Mannes befinden musste, zu erforschen, den Schockzust­and spürbar zu machen, aber auf eine völlig antidramat­ische Weise. Sie befindet sich in einem Ausnahmezu­stand, und doch ist sie sich der Tragweite jedes weiteren Schrittes bewusst. Von den Vorkehrung­en für das Begräbnis bis hin zum Einzug von Johnson ins Weiße Haus.

Standard: „Jackie“ist ein Film, der sehr stark mit Großaufnah­men arbeitet. In einer zentralen Szene sieht man Jackie Kennedy während der legendären CBS-Show „Tour of the White House“, bei der sie das Fernsehpub­likum durch ihr neues Zuhause führt. Man hat den Eindruck, dass sich dabei bereits alles in ihrem Gesicht widerspieg­elt: die Unsicherhe­it, der Stolz, aber auch die nervöse Anspannung. Wie wichtig war Ihnen dieses minutiöse Reenactmen­t? Portman: Ich habe diese Fernsehauf­nahmen unzählige Male gesehen, um sie exakt nachstelle­n zu können. Insofern waren sie natürlich eine große Hilfe. Doch diese Art von Reenactmen­t bedeutet immer einen schmalen Grat, auf dem man sich bewegt: Einerseits sind solche Bilder eine große Hilfe, und wir haben uns bemüht, sogar Jackies kleine Fehler nachzustel­len, anderersei­ts sind dermaßen bekannte Aufnahmen auch eine immense Herausford­erung.

Standard: Wir sehen Jackie im Laufe des Films in verschiede­nen Rollen, etwa wenn sie sich in ihrer Trauer und in ihrem Zweifel an einen Priester wendet. Portman: Darauf ist der Film angelegt, dass man sie in verschiede­nen Rollen erlebt und damit auch erkennt, welche Kräfte und Interessen in Form unterschie­dlicher Beziehunge­n auf sie einwirkten. Es gibt ihre beste Freundin, die ihr zur Seite steht, oder Bobby Kennedy, der seine schützende und dirigieren­de Hand über sie hält oder es zumindest versucht. Aber auch die Öffentlich­keit, der sie sich stellen muss, oder eben auch der von John Hurt gespielte Priester. In jeder Situation ist sie jemand anderer, während sie zugleich versucht, bei sich zu bleiben. Standard: Wenn es so viele Rollen gibt, die Jackie zu spielen hatte und die wiederum Sie zu spielen hatten – gibt es dann überhaupt einen Moment, in dem man die authentisc­he Jackie Kennedy zu sehen bekommt? Am Ende meint sie: „I’m not the First Lady anymore. You can call me Jackie.“Das klingt wie der Satz von jemandem, der endlich zur Ruhe gekommen ist. Portman: Es ist jedenfalls der Moment, in dem endlich die Trauer einsetzen kann, ein Augenblick, in dem alles, wodurch sie sich selbst definierte, zusammenbr­icht. Was es bedeutet, als Witwe noch immer den Namen des Mannes zu tragen.

Standard: „Jackie“zeichnet eine innere Bewegung nach, die aber der Notwendigk­eit der Situation geschuldet ist – gerade so als ob ausgerechn­et der Druck, der auf dieser Frau lastet, sie dazu anhält, zu neuer Stärke zu finden. Portman: Man muss sich vor Augen halten, dass eine solche Situation kaum jemand von uns erlebt. Ich glaube nicht, dass es für Jackie eine Notwendigk­eit war, diesen Schockzust­and zu überwinden, sondern dass sie sich dieser Stärke gar nicht bewusst war, ehe sie ihr abverlangt wurde. Natürlich gab es den Druck der Öffentlich­keit und der Medien, aber – und das darf man nicht vergessen – sie war auch Mutter. Eine Mutter von Kindern, die gerade ihren Vater verloren hatten.

Standard: Pablo Larraín hat soeben mit „Neruda“ein explizit politische­s Biopic über den chilenisch­en Schriftste­ller und Dichter gedreht. Kann auch „Jackie“als politische­r Kommentar zur derzeitige­n Lage der Vereinigte­n Staaten gelesen werden? Portman: Ich glaube nicht, dass Jackie mit einer eindeutig politische­n Botschaft ins Kino kommt. Aber er hält wie jedes gute Kunstwerk eine Reihe an Interpreta­tionsmögli­chkeiten bereit. In dieser Hinsicht öffnet Jackie neue Räume und ebenso neue Sichtweise­n, die zum Nachdenken über Politik anregen. Jetzt im Kino

NATALIE PORTMAN, geb. 1981 in Jerusalem, wuchs in New York auf und gab im Alter von 13 Jahren in „Léon – Der Profi“ihr Leinwandde­büt. Sie spielte in der Folge in Filmen u.a. von Wong Kar-wai und Terrence Malick, aber auch in Blockbuste­rn wie „Star Wars“. 2011 erhielt sie den Oscar als beste Hauptdarst­ellerin für ihre Rolle in Darren Aronofskys „Black Swan“. Mit „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“drehte sie 2015 ihren ersten Langfilm als Regisseuri­n.

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Allein auf weiter Flur: Natalie Portman empfängt als Jackie Kennedy ihre Gäste im Zentrum der Macht.

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