Britisch nüchterne Annäherung an Donald Trump
Die britische Premierministerin Theresa May sollte der erste Staatsgast sein, den der neue US-Präsident in Washington empfängt. Nach der Brexit-Entscheidung sieht sie „eine gemeinsame Verantwortung“. In vielen Fragen jedoch sind die Differenzen nach wie v
Washington/London – An einem mangelte es der britischen Premierministerin vorab sicher nicht: Auf dem Weg ins Weiße Haus wurde Theresa May von der Heimat aus mit wohlgemeinten Ratschlägen, ängstlichen Bedenken und rauen Forderungen, wie sie dem neuen US-Präsidenten Donald Trump entgegentreten sollte, geradezu überhäuft.
Gewiss hätte die 60-jährige Konservative über Parteigrenzen hinweg lieber der Demokratin Hillary Clinton die Aufwartung gemacht – so wie sie im vergangenen Jahr, allerdings verhalten, für den EU-Verbleib geworben hatte. Aber die zurückhaltend auftretende Tochter eines Landpfarrers verkörpert Charaktereigenschaften, für die England trotz Brexit noch immer bekannt ist. Dazu gehört nüchterner Pragmatismus: Da die Realität den New Yorker Immobilienhai nun auf den wichtigsten Führungsposten der westlichen Welt befördert hat, muss man sich ihr stellen. Und es gehört auch der Versuch dazu, die einstweilen – vorsichtig ausgedrückt – unausgegorenen Ideen des politischen Novizen zu beeinflussen.
Demonstrativ reiste May vorab zum Schulterschluss mit den Republikanern im Kongress und trug auf deren Klausurtagung in Philadelphia ihr außenpolitisches Credo vor. Für die alte angloamerikanische Achse gebe es eine „gemeinsame Verantwortung zur Führung“, beteuerte die Premierministerin. „Es liegt in unserem Interesse, gemeinsam unsere Werte und Interessen zu verteidigen.“
Freilich bestanden unter ihrer Zuhörerschaft innerhalb und außerhalb des Saals berechtigte Zweifel daran, wie viel das erklärtermaßen global orientierte Britannien mit dem America-firstPräsidenten wirklich gemeinsam hat. In ihrem bereits vorab als „offen“bezeichneten Gespräch wollte May keinen Zweifel lassen: Die Briten halten wie ihre NochVerbündeten in der EU am IranVertrag, der Zwei-Staaten-Lösung für Palästina sowie dem Pariser Klimaabkommen fest. Folter sei verdammenswert. In Bezug auf Russland gelte die Maxime „im Gespräch, aber auf der Hut sein“ (engage but beware), führte May in ihrer Rede aus. Bei Briten wie bei den osteuropäischen Nato-Verbündeten besteht große Besorgnis wegen Trumps unerklärlicher Begeisterung für den russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Absage an Interventionen
An einer Stelle ihrer Rede kam May dem Isolationismus der neuen US-Administration entgegen: Ein für alle Mal seien die Zeiten vorbei, in denen Briten und Amerikaner „in souveränen Staaten intervenierten, um die Welt nach unseren Vorstellungen umzubauen“. In London wurde dies als deutliche Absage an jene Rede gedeutet, in der Mays Labour-Vorgänger Tony Blair 1999 die Doktrin der „liberalen Intervention“erläutert hatte. Freilich wies deren Inspira- tor, Professor Lawrence Freedman vom Londoner King’s College, in der BBC darauf hin, dass die Rede damals sich auf ethnische Säuberungen im Kosovo bezogen hatte und auf den Unwillen der internationalen Gemeinschaft, klare Straftaten zu verhindern. Mit den Kriegen in Afghanistan und im Irak, von Trump als „dämlich“denunziert, hatte sie nichts zu tun.
Eine Gemeinsamkeit hatten May und Trump schon vor ihrem Gespräch: Beide sind vor dem Londoner Obersten Gerichtshof unterlegen: May diese Woche im Brexit-Verfahren, der Immobilienhai schon vor Jahren mit seiner Klage gegen die schottische Regierung, die eine riesige Windanlage vor die Küste bauen ließ, an der Trumps Golfplatz liegt.