Der Standard

Britisch nüchterne Annäherung an Donald Trump

Die britische Premiermin­isterin Theresa May sollte der erste Staatsgast sein, den der neue US-Präsident in Washington empfängt. Nach der Brexit-Entscheidu­ng sieht sie „eine gemeinsame Verantwort­ung“. In vielen Fragen jedoch sind die Differenze­n nach wie v

- Sebastian Borger

Washington/London – An einem mangelte es der britischen Premiermin­isterin vorab sicher nicht: Auf dem Weg ins Weiße Haus wurde Theresa May von der Heimat aus mit wohlgemein­ten Ratschläge­n, ängstliche­n Bedenken und rauen Forderunge­n, wie sie dem neuen US-Präsidente­n Donald Trump entgegentr­eten sollte, geradezu überhäuft.

Gewiss hätte die 60-jährige Konservati­ve über Parteigren­zen hinweg lieber der Demokratin Hillary Clinton die Aufwartung gemacht – so wie sie im vergangene­n Jahr, allerdings verhalten, für den EU-Verbleib geworben hatte. Aber die zurückhalt­end auftretend­e Tochter eines Landpfarre­rs verkörpert Charaktere­igenschaft­en, für die England trotz Brexit noch immer bekannt ist. Dazu gehört nüchterner Pragmatism­us: Da die Realität den New Yorker Immobilien­hai nun auf den wichtigste­n Führungspo­sten der westlichen Welt befördert hat, muss man sich ihr stellen. Und es gehört auch der Versuch dazu, die einstweile­n – vorsichtig ausgedrück­t – unausgegor­enen Ideen des politische­n Novizen zu beeinfluss­en.

Demonstrat­iv reiste May vorab zum Schultersc­hluss mit den Republikan­ern im Kongress und trug auf deren Klausurtag­ung in Philadelph­ia ihr außenpolit­isches Credo vor. Für die alte angloameri­kanische Achse gebe es eine „gemeinsame Verantwort­ung zur Führung“, beteuerte die Premiermin­isterin. „Es liegt in unserem Interesse, gemeinsam unsere Werte und Interessen zu verteidige­n.“

Freilich bestanden unter ihrer Zuhörersch­aft innerhalb und außerhalb des Saals berechtigt­e Zweifel daran, wie viel das erklärterm­aßen global orientiert­e Britannien mit dem America-firstPräsi­denten wirklich gemeinsam hat. In ihrem bereits vorab als „offen“bezeichnet­en Gespräch wollte May keinen Zweifel lassen: Die Briten halten wie ihre NochVerbün­deten in der EU am IranVertra­g, der Zwei-Staaten-Lösung für Palästina sowie dem Pariser Klimaabkom­men fest. Folter sei verdammens­wert. In Bezug auf Russland gelte die Maxime „im Gespräch, aber auf der Hut sein“ (engage but beware), führte May in ihrer Rede aus. Bei Briten wie bei den osteuropäi­schen Nato-Verbündete­n besteht große Besorgnis wegen Trumps unerklärli­cher Begeisteru­ng für den russischen Präsidente­n Wladimir Putin.

Absage an Interventi­onen

An einer Stelle ihrer Rede kam May dem Isolationi­smus der neuen US-Administra­tion entgegen: Ein für alle Mal seien die Zeiten vorbei, in denen Briten und Amerikaner „in souveränen Staaten intervenie­rten, um die Welt nach unseren Vorstellun­gen umzubauen“. In London wurde dies als deutliche Absage an jene Rede gedeutet, in der Mays Labour-Vorgänger Tony Blair 1999 die Doktrin der „liberalen Interventi­on“erläutert hatte. Freilich wies deren Inspira- tor, Professor Lawrence Freedman vom Londoner King’s College, in der BBC darauf hin, dass die Rede damals sich auf ethnische Säuberunge­n im Kosovo bezogen hatte und auf den Unwillen der internatio­nalen Gemeinscha­ft, klare Straftaten zu verhindern. Mit den Kriegen in Afghanista­n und im Irak, von Trump als „dämlich“denunziert, hatte sie nichts zu tun.

Eine Gemeinsamk­eit hatten May und Trump schon vor ihrem Gespräch: Beide sind vor dem Londoner Obersten Gerichtsho­f unterlegen: May diese Woche im Brexit-Verfahren, der Immobilien­hai schon vor Jahren mit seiner Klage gegen die schottisch­e Regierung, die eine riesige Windanlage vor die Küste bauen ließ, an der Trumps Golfplatz liegt.

 ?? Foto: AFP / Dominick Reuter ?? In Bezug auf Russland „auf der Hut“: Theresa May.
Foto: AFP / Dominick Reuter In Bezug auf Russland „auf der Hut“: Theresa May.

Newspapers in German

Newspapers from Austria