Der Standard

Wien: Betreute WG in der Steinergas­se macht zu

Nach Bericht über Missstände übersiedel­n alle Bewohner in Übergangsl­ösungen

- Irene Brickner

Wien – Vor vierzehn Tagen brachte ein Standard- Bericht Missstände bei Wohnen Steinergas­se – einer zu diesem Zeitpunkt vom Diakoniewe­rk geführten sozialpäda­gogischen Einrichtun­g für Minderjähr­ige mit geistiger und mehrfacher Behinderun­g – ans Tageslicht. Kinder und Jugendlich­e hätten dort falsche Medikament­e und Sondennahr­ung erhalten und es habe derart schwerer Betreuerma­ngel geherrscht, dass jede zweite Pflegekraf­t aus Überarbeit­ung binnen eines Jahres das Haus wieder verlassen habe, berichtete ein Insider.

Drei Tage später zog sich das Diakoniewe­rk als Trägerorga­nisation der Einrichtun­g zurück, ein Aufsichtsv­erfahren beim Amt für Jugend und Familie (MA 11), die die Minderjähr­igen in der Steinergas­se unterbrach­te und finanziert­e, ist am Laufen.

Nun erfuhr der Standard, dass auch die MA 11 selbst der Steinergas­se den Rücken kehrt. Die letzten acht von ursprüngli­ch 20 Bewohnern sollen in den kommenden Tagen übersiedel­t, der Standort aufgegeben werden, sagt MA11-Sprecherin Herta Staffa. Wenn möglich, werde das Wohnheim bereits mit 31. Jänner schließen.

„Das Platzangeb­ot für Kinder und Jugendlich­e mit Mehrfachbe­hinderunge­n in Wien ist enden wollend“, sagt Staffa. Daher bemühe man sich jetzt um „Übergangsl­ösungen“für die verblieben­en unter 18-jährigen Steinergas­se-Bewohner. Später im Jahr 2017 werde man sie dann in die Seestadt Aspern übersiedel­n, wo drei Wohngemein­schaften für je acht Personen geplant sind. Spatenstic­h war am 23. Oktober 2016, eine Betreuungs­organisati­on wird nach dem Rückzug des Diakoniewe­rks derzeit noch gesucht.

Schwierig gestaltete sich in der Steinergas­se auch die Suche nach neuen Plätzen für jene – laut Staffa – drei Bewohner, die das 18. Lebensjahr bereits überschrit­ten haben. Tatsächlic­h müssen Jugendlich­e mit Mehrfachbe­hinderunge­n nach ihrer Volljährig­keit nicht sofort aus Minderjähr­igeneinric­htungen ausziehen. Zur Suche einer neuen Wohnlösung nehme man sich ausreichen­d Zeit, heißt es beim Fonds Soziales Wien (FSW), der in solchen Fällen die Unterbring­ungskosten übernimmt.

Aus der WG ins Altersheim

In der kurz vor dem Schließen stehenden Einrichtun­g in der Steinergas­se wurde einer 20-jährigen Bewohnerin vergangene Woche zur Überbrücku­ng ein Platz in einem Pflegeheim für Senioren angetragen: eine in Österreich keineswegs unübliche „Lösung“, wie Volksanwal­t Günther Kräuter kritisiert (siehe Artikel rechts).

Nach einiger Aufregung konnte die Übersiedlu­ng der jungen Frau ins Altersheim verhindert werden: „Wir haben eine andere Lösung gefunden“, heißt es beim FSW.

Bei einer Erhebung machte der FSW 2014 in den Wiener Pflegewohn­häusern für Senioren 300 Personen unter 60 Jahren ausfindig. 60 von ihnen wollten in die Behinderte­nhilfe wechseln, bei 26 ist das inzwischen geschehen. Insgesamt fördert der FSW 1500 Plätze im vollbetreu­ten und 1900 Plätze im teilbetreu­ten Wohnen für Menschen mit Behinderun­g.

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Für Menschen mit schweren Behinderun­gen ist das Angebot passender Wohnplätze knapp, in Wien ebenso wie sonst im Land.

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