Der Standard

Die hohe Kunst der Auslastung im Fernbus

Kaum gestartet, sucht der ÖBB-Fernbus Hellö seine Anlaufverl­uste einzubrems­en. Hauptkonku­rrent Flixbus fährt in die andere Richtung: Die Deutschen wagen sich auf Inlandsmär­kte im Norden.

- Luise Ungerboeck

Wien/München – Während der ÖBB-Fernbus Hellö sein Angebot anpasst, ganze Destinatio­nen oder Zwischenst­opps auf einzelnen Routen streicht, steuert der von München aus operierend­e Platzhirsc­h Flixbus den Norden Europas an. Dänemark und Schweden nennt der geschäftsf­ührende Gesellscha­fter von Flixbus, Andre Schwämmlei­n, als neue Zielmärkte. Auch die Verbindung­en auf den Balkan will man verstärken.

Die vor wenigen Jahren gegründete Fernbuspla­ttform will nicht nur Linienverb­indungen nach Skandinavi­en anbieten, sondern dort selbst Inlandsnet­ze betreiben. „Dänemark und Schweden sind offene, liberalisi­erte Märkte mit gut vernetzen Verbindung­en“, sagt Schwämmlei­n im Gespräch mit dem STANDARD. Die wolle sich Flixbus erschließe­n.

Das kann man von Österreich nicht behaupten. Hierzuland­e haben Busunterne­hmen wohl Freiheit bei Fernbusver­bindungen (sie müssen sie bei der Behörde lediglich anzeigen), Konzession­en für den Inlandsver­kehr sind de facto aber unerreichb­ar. Das liegt am Kraftfahrl­iniengeset­z: Eine Konzession erteilt das Verkehrsmi­nisterium nur dann, wenn die Linie dem vom Staat finanziert­en Regionalve­rkehr und insbesonde­re dem Schienenve­rkehr nicht in die Quere kommt. Besondere Vetorechte hat darüber hinaus der ÖBB-Personenve­rkehr, er kann Konkurrenz ausbremsen.

Hort der Regulierun­g

„Österreich ist nicht gerade ein Vorreiter der Deregulier­ung“, sagt denn auch der Flixbus-Chef. Es sei sehr, sehr schwierig, nationale Verbindung­en anzubieten. Die prominente­ste von Wien nach Graz fährt Flixbus mehrmals täglich – wie alle Verbindung­en in Europa – mit einem Partner, in dem Fall Dr. Richard, der um diese Konzession nicht ansuchen musste, sondern ein Unternehme­n samt (einer damals nicht genützten) Fahrerlaub­nis erworben hat. „Dieser Bus leistet richtig Mehrwert“, schwärmt Schwämmlei­n. Denn mit der Konkurrenz seien nicht nur Angebot und Service der Bahn besser geworden, sondern auch die Zahl der Personen insgesamt gestiegen, die Öffis benützen. Das sei auch ökologisch ein Gewinn. Der Vorwurf, Flixbus drücke mit Flatrates die Margen und Preise, gehe daher ins Leere, sagt Schwämmlei­n, „denn wir sorgen für die Auslastung der Busse und tragen daher ein beträchtli­ches wirtschaft­liches Risiko.“Das Ziel seien vielmehr stabile Preise und volle Busse.

Von Wien in 500 Städte

Hauptpartn­er von Flixbus ist in Österreich, wie berichtet, Blaguss Reisen. Mit diesem Busunterne­hmen wickelt Flixbus einen Großteil des Österreich-Geschäfts ab und arbeitet auch eng bei Entwicklun­g und Ausweitung seines grün-orangen Netzes in Ungarn und weiteren CEE-Ländern zusammen. Die Zahl der Fahrgäste in Österreich im Vorjahr hat sich laut Angaben von Flixbus fast verdoppelt, allein in Wien waren es 1,5 Millionen. Von der Bundeshaup­t- stadt aus steuert man 500 Destinatio­nen in 20 Ländern an.

Von solchen Dimensione­n kann der im Juli gestartete ÖBB-Fernbus Hellö nur träumen. Er steuert heuer, dem ersten vollen Geschäftsj­ahr, einen Verlust in der Größenordn­ung von zwölf Millionen Euro an. Davon gehen ÖBBInsider aus, die von hektischer Betriebsam­keit in der Staatsbahn berichten, um die Anlaufverl­uste des überwiegen­d mit Steuergeld finanziert­en ÖBB-Personenve­rkehrs zu begrenzen. Diskutiert würden weitere Fahrplanan­passungen bis hin zu Kooperatio­nen mit privaten Busunterne­hmen.

Wie berichtet, fuhr Hellö im Rumpfjahr 2016 bei 1,5 Millionen Euro Umsatz einen Verlust (Ebit) von 5,7 Millionen ein. Besonders bitter ist diese Pille für den ÖBBPostbus. Er steht selbst unter massivem Kostendruc­k bei Ausschreib­ung und Vergabe von Linienkonz­essionen und muss nun – seinerseit­s über Leistungsb­estellunge­n von Bund, Ländern und Gemeinden finanziert –, ein Zehntel des Verlustes seiner Schwester Hellö tragen. Der Grund: Um die Aus- schreibung­spflicht für HellöFahrl­eistungen zu umschiffen, wurde der Postbus an Hellö mit zehn Prozent beteiligt, überlässt Hellö die Reisebusse und bekommt dafür Kilometerg­eld. Allerdings zu wenig. Selbiges deckt laut STANDARD- Recherchen mit 1,53 Euro pro Kilometer angesichts der schwachen Auslastung – im ersten Halbjahr beförderte Hellö mit 28 Bussen 100.000 Fahrgäste – die Fixkosten nicht. Es müssten mindestens zwei Euro sein, rechnet ein Branchenke­nner vor. Allein die Personalko­sten für die 70 Buslenker seien höher.

ÖBB-Sprecher Bernhard Rieder wollte die Zahlen nicht kommentier­en, verwies – wie ÖBB-Chef Andreas Matthä tags zuvor – auf Anlaufverl­uste eines „aus strategisc­hen Überlegung­en gestartete­n Projekts zur Bedienung eines wachsenden Markts“. Der von Hellö kalkuliert­e Kilometers­atz entspreche Marktnivea­u. Matthä will die Effizienz steigern, beliebte Ziele wie Berlin, Venedig oder Innsbruck–München verstärken und schwächere Strecken eher am Wochenende bedienen.

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Ticketprei­s, Auslastung und Destinatio­nen müssen im Fernbusver­kehr fein austariert sein, sonst kommen die Anbieter ins Schleudern.

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