Der Standard

Vom Charme der Diskretion

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Polaroids a priori mit dem Anspruch hoher Qualität und dem Nimbus des Künstleris­chen gleichzuse­tzen wäre übertriebe­n und unrichtig. Allzu bekannt sind die Mängel der Polaroids: fleckige Oberfläche­n, ausgefrans­te Ränder, vor allem eigenartig­e, verblassen­de, oft unfreiwill­ig artifiziel­l anmutende Farbverfäl­schungen und partielle Unschärfen – diffuse Spuren des chemischen Prozesses. Nicht zu vernachläs­sigen sind aber auch die Meriten: Jedes Bild ist ein Unikat, das verfremdet, verändert, signiert werden kann. Seinerzeit, im Zeitalter der analogen Fotografie, war man darauf angewiesen, dass belichtete Filme von Profis ausgearbei­tet wurden. Feind jeder Privatsphä­re. Abhilfe schuf 1947 Physiker Edwin Herbert Land mit der Erfindung des Sofortbild­verfahrens. Diese technische Revolution ermöglicht­e es, Minuten nach Betätigen des Auslösers ein fertiges Foto in Händen zu halten, unabhängig von Dunkelkamm­er und diffizilem Vergrößern von Fotonegati­ven. Wurde diese Unabhängig­keit von allzu neugierige­n Zwischenhä­ndlern im privaten Bereich vor allem für erotische und pornografi­sche Sujets genutzt, erkannten Künstler des Mediums Potenzial. Durch die Digitalisi­erung verlor das Verfahren an Bedeutung. 2008 sollte die Produktion eingestell­t werden. Als Enthusiast wurde Florian Kaps zunächst belächelt, als er mit dem Impossible Project Polaroid vor dem Aussterben bewahrte und diesem ein furioses Revival bescherte. Nun gewährt Kaps Einblicke in Form eines bibliophil­en Rückblicks, inklusive Trash, Porn-Chic, Privacy und Kunst von Warhol, Araki, Helnwein. Unaufgereg­t und selbstvers­tändlich, wie der Wiener seit 2014 seine Kathedrale des Analogen, den Heiligensc­hrein haptisch-akustische­n Erlebens, das Supersense betreibt, tönt auch sein Resümee. Wir verspüren und ehren die Tiefe, die anhand digitaler Manipulati­on abhandenka­m. „Ideally all that should be necessary to get a good picture, is to take a good picture.“Gregor Auenhammer

Florian Kaps, „Polaroid. The Magic Material“. (Engl.). £ 20,00 / 240 Seiten. Ed. Frances Lincoln, London 2016. Info & Bestellung: Supersense, Wien 2, Praterstra­ße 70 the.supersense.com

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