„Verstecken hinter Fassaden ist vorbei“
Wo Büros entstehen sollen, in die Menschen freudvoll gehen, wird es anstrengend: Es geht um tiefgreifende Identitäts- und Kulturprozesse. Sonst fließt das Leben aus der Firma. Klare Ansagen und neue Menschenbilder beim Bauherrenkongress.
Sankt Pölten – „Je massiver Digitalisierung und Automatisierung voranschreiten, desto größer wird die Bedeutung von Arbeitsräumen als gebauter Identität.“Kein Wunder, dass das die These zum Kon- gress der großen heimischen Bauherren und ihrer Strategie- und Projektberater am Donnerstag in Sankt Pölten ist, werden doch physische Arbeitsräume im virtuellen Arbeiten zunehmend infrage gestellt. Wozu noch Geld ausgeben dafür? Identität von Unternehmen sei einer der wenigen stabilen Faktoren in der volatilen, komplexen und mehrdeutigen Arbeitswelt – und es sei eben einzig der Raum, der ebendiese Identität transportieren, vermitteln könne. Eine Art Heimat in der Remote-Arbeitswelt.
Zukunftsforscher Franz Kühmayer reiht sich ein: „Das Büro in seiner heutigen Form könnte überflüssig werden. Die Arbeit und der Bedarf an gemeinsamen Orten, an denen wir an Lösungen arbeiten, verschwinden aber nicht“. Gemeinsam mit Jan Teunen, einem prominenten Berater in Sachen Werte, Wissen und Wirken („cultural capitalist“steht auf der Visitenkarte) beruft er sich in Zeiten zunehmender Automatisierung auf „Wollen und Kokreation“, nimmt so also auf das seit Steven Jobs hochgelobte Passion-Principle Bezug, wonach Leidenschaft für die Arbeit der neue Lebenssinn sei. Büros hätten heute vielfach den Charakter des Durchpressens, sagt Teunen. Menschen würden dadurch depressiv, krank, fangen dadurch an, andere zu mobben. Es drängt sich das Bild der Massentierhaltung in Stallpflichtzeiten auf.
Inmitten so rasanter Veränderungen und angesichts so vieler Unternehmen und Branchen an Bifurkationen – Sein oder Nichtsein – müsse auch der Ort des gemeinsamen Arbeitens großen Flüssen gleich Gelegenheit zum Mäandern als Entschleunigung geben. Teunen sieht in Firmengebäuden, welche die Identität klar sichtbar machen und den Kern des neuen Arbeitens, Kreativität und Kokreation, fördern, vor allem eine Möglichkeit, „die Welt zurückzuholen in die Arbeit“. Dass damit die Chance auf Wiedervermenschlichung der sogenannten Erwerbsarbeit bestehe, glaubt auch Zukunftsforscher Kühmayer. Davon, dass grundsätzlich alle Menschen dazu fähig und willens sind – wenn die Umgebung (inklusive Organisation und Führung) passt –, ist er überzeugt, ebenso davon, dass das bedingungslose Grundeinkommen Basis der neuen Arbeitswelt sein wird.
Karl Friedl, Gründer und Chef des Strategieberaters Moocon bäckt mit seinem siebten Bauherrenkongress heuer mutig große Brote. Emotion, Sinnlichkeit, das Fühlen: Vor einigen Jahren wären diese Begriffe undenkbar gewesen im harten Baugeschäft.
Das Verstecken hinter Fassaden und Masken sei vorbei. Die Qualität der Arbeit hänge schließlich eng mit der Qualität der Umgebung zusammen, desgleichen mit der Qualität des Miteinander. Und das seien tragende Erfolgsfaktoren künftiger Organisationen. Abschottung im eigenen Silo gehöre definitiv weder zwischen Abteilungen noch gegenüber den StakeholderGruppen dazu. Und wieder: Wer seine DNA im Gebäude sichtbar macht, der benötigt keine konstruierten Werbetexte, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein. Die Transparenz macht da aber sowieso einen Strich durch die Rechnung. Wie toll es in einem Gebäude ist, in das Menschen gesetzt werden, um ihnen Funktion und Tätigkeit zuzuweisen, spricht sich ja herum.
Zurück zur Botschaft an mögliche Auftraggeber: Ja, gerade die virtuelle Welt benötigt ihre Gegenpole im Stofflichen, im Gebauten – auch leere, entfunktionalisierte Räume, um Platz für den Wandel zu schaffen. pwww. bauherrenkongress.at