Der Standard

Wie Frauen gegen Stereotype ankämpfen können

Beim Weltwirtsc­haftsforum (WEF) in Davos wurden auch heuer Strategien gesucht, wie man den Anteil von Frauen in Führungspo­sitionen erhöhen kann. Laut dem aktuellen Gender Gap Report des WEF hat sich der Aufholproz­ess sogar verlangsam­t.

- Alexandra Föderl-Schmid aus Davos

170 Jahre wird es dauern, bis weltweit Geschlecht­erparität besteht – 52 Jahre länger als 2015 vorhergesa­gt. „Wir reden darüber, solange ich mich erinnern kann“, meinte Christine Lagarde, die Chefin des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF), in Davos. Wie mehr Frauen in Führungspo­sitionen gebracht werden können, war auch heuer wieder ein zentrales Thema beim Weltwirtsc­haftsforum (WEF).

Immerhin ist es 2017 gelungen, den Frauenante­il beim Treffen von Spitzenver­tretern aus Politik und Wirtschaft in den Schweizer Bergen deutlich zu erhöhen: von 17,8 im Vorjahr auf 20 Prozent – aber auch dank der Tatsache, dass mit 3000 Teilnehmer­n deutlich mehr als in den Vorjahren die Veranstalt­ung besuchten. Einen Beitrag leistete aber auch die WEF-Quote, dass große Unter- nehmen fünf Personen zum Weltwirtsc­haftsforum entsenden können, wenn darunter eine Frau ist. Ansonsten ist die Höchstzahl der männlichen Teilnehmer auf vier beschränkt. Bei den Global Shapers, den nach Davos eingeladen­en Führungskr­äften unter 30 Jahren, ist die Geschlecht­erparität mit 50:50 bereits gegeben.

In der Welt draußen sieht es anders aus. Der jährliche Gender Gap Report des WEF, der die Lage der Frauen in 144 Ländern untersucht, kommt zum Ergebnis, dass sich 2016 die Situation binnen eines Jahres noch verschlech­tert hat. Österreich liegt nur noch auf Platz 52. Im Jahr davor hat Österreich noch Platz 37 eingenomme­n.

Vor allem die Einkommens­unterschie­de zwischen Männern und Frauen sind in Österreich vergleichs­weise groß. Dass Österreich noch nie ein weibliches Staatsober­haupt hatte, wurde ebenfalls in die Untersuchu­ng einbezogen. 2006 war Ös- terreich sogar noch auf Platz 27 gelegen.

Im Zuge der sogenannte­n Vierten Revolution wird sich der Frauenante­il insbesonde­re in technische­n Berufen noch weiter verringern, heißt es in einer Mercer-Studie, die ebenfalls in Davos zirkuliert­e. Demnach ist in Tech-Berufen damit zu rechnen, dass die Repräsenta­nz weiblicher Mitarbeite­r sogar von derzeit 34 auf 31 Prozent sinkt.

Während weltweit der Aufholproz­ess beim derzeitige­n Tempo 170 Jahre dauern wird, geht es in Westeuropa laut dem WEF-Report schneller. Nur 61 Jahre. „Aber auch das ist zu lang“, befindet Lagarde, die die erste Finanzmini­sterin in Frankreich war. Lagarde schilderte in Davos ihre Erfahrunge­n aus dieser Zeit. Wenn sie Verantwort­liche in Firmen gefragt habe, wie es mit der weiblichen Repräsenta­nz in Aufsichtsr­äten ausschaue, dann habe sie oft die stereotype Antwort erhalten, es gebe schlicht zu wenige geeignete Frauen dafür. „Deshalb hatte ich immer eine Liste mit 20 Namen von Frauen mit, die ich diesen Männern dann in die Hand gedrückt habe.“

Sie selbst sei auch einmal während eines Jobintervi­ews gegangen, als ihr mitgeteilt worden sei, ihre Karrierech­ancen seien limitiert. Später habe sie die Erfahrung gemacht: Immer wenn eine Frau zu sprechen begonnen habe, dann schalteten die Männer ab. „Das darf man sich als Frau nicht gefallen lassen.“Da dürfe man auch einmal auf den Tisch hauen.

Lagarde gestand aber auch ein, dass sie sich mit einer Quote nicht wirklich wohlfühle, um die Repräsenta­nz von Frauen etwa in dem von ihr geleiteten im Internatio­nalen Währungsfo­nds zu erhöhen. Das würde bedeuten, dass der IWF in den nächsten fünf Jahren nur noch Frauen einstellen dürfte. Aber wenn es Frauen in Führungspo­sitionen geschafft hätten, dann hätten sie die Pflicht, andere Frauen zu unterstütz­en, meint Lagarde.

„Solange sich Frauen, auch wenn sie sehr erfolgreic­h sind, immer fragen lassen müssen: ‚ Und wie kriegst du das mit der Kinderbetr­euung hin‘, wird sich nichts ändern“, meinte Sharmeen ObaidChino­y, eine oscarprämi­erte Dokumentar­filmerin in Davos. „Wie viele männliche CEOs werden das gefragt?“Katherine Garrett-Cox, die im Aufsichtsr­at der Deutschen Bank sitzt, gab ihre Erfahrunge­n weiter, dass es leichter sei, wenn man Kinder früher bekomme.

Kinderbetr­euung sei Frauenund Männersach­e, erklärte Sheryl Sandberg, CEO von Facebook. „Wir müssen Männer überzeugen, sich mehr zu engagieren, sich mehr um die Kinder zu kümmern. Die Männer haben schließlic­h auch etwas davon.“

Sandberg hat vor drei Jahren die Initiative „Lean in“gestartet. Ihren Angaben zufolge haben sich mehr als 30.000 Frauen daran beteiligt. Die Erfahrunge­n daraus: Man müsse für Frauen „sichere Räume zum Austausch“schaffen. Frauen müssten aber auch aus ihren Stereotype­n ausbrechen und sich für Jobs interessie­ren, die bisher vor allem von Männern besetzt seien. „Sonst dauert es wirklich noch mehr als hundert Jahren, bis wir wirkliche Gleichbere­chtigung haben“, meint Sandberg.

Auf der Homepage des WEF kann jede Person berechnen, wie lange sie leben müsste, bis die Geschlecht­erparität hergestell­t ist: 1970er-Geburtsjah­rgänge müssten mehr als 200 Jahre alt werden. pweforum. org

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Die Chefin des Internatio­nalen Währungsfo­nds, Christine Lagarde (links), und Sheryl Sandberg, CEO von Facebook, gaben in Davos sehr persönlich­e Ratschläge.
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