Der Standard

Das Feuer ist der beste Fernseher, den es gibt

Erwin Piplits leitet das Serapions Ensemble im Theater Odeon. In seiner Wohnung in der Wiener Wollzeile schätzt er den Kamin und das Klappern der Fiaker, wäre da bloß nicht die Verpofelun­g durch die vielen Touristen.

- PROTOKOLL: Wojciech Czaja

Ich habe gerade Feuer gemacht. Hier kann ich mich von sämtlichen Störungen befreien und darüber reflektier­en, was der vergangene Tag mir beschert hat und was ich mir für den nächsten Tag vornehme. Das ist der beste Fernseher, den es gibt. Und wahrlich, ich schaue täglich fern! Früher bin ich hier mit meiner Frau Ulrike Kaufmann gesessen. Uli war vollkommen versessen auf diese Flammen. Sie hat fast täglich eingeheizt, Winter wie Sommer, auch wenn es draußen 30 Grad hatte oder mehr. Vor zwei Jahren ist Uli weggegange­n. Seit damals sitze ich alleine da und schaue fern.

Vieles in der Wohnung erinnert mich an sie. Es ist nicht leicht für mich, die Wohnung, vor allem diesen Raum hier, allein zu nutzen. Die meisten Menschen würden ihn als Wohnzimmer bezeichnen. Ich sage Denk- und Arbeitswer­kstatt dazu. Es gibt eine Couch, ein paar Fauteuils und etliche marokkanis­che Textilien aus Kamelhaar. Das hat sich im Laufe der Zeit angesammel­t. Außerdem hatten wir zwei riesige Arbeitstis­che aus Asien. An einem saß Uli und hat Kostüme und Bühnenbild­er entworfen, am anderen saß ich, habe gelesen und recherchie­rt und mir den Kopf über die Choreograf­ie und Inszenieru­ng zerbrochen. Heute steht nur noch ein Tisch da. Er ist voll mit Büchern und Erinnerung­en.

Das Wohnen und Leben hat sich verändert. Ich muss gestehen, ich habe die Veränderun­g noch nicht ganz abgeschlos­sen. Das wird noch dauern. Doch was ich mit Sicherheit sagen kann: Damals wie heute ist diese Wohnung mein körperlich­es und geistiges Refugium – und computerfr­eie Zone. Die Zeit des Wohnens ist einerseits Regenerati­on, anderseits eine kreative, mich belebende Phase. Am schönsten und inspiriere­ndsten finde ich es, wenn im Sommer die Fenster offen stehen und klapp, klapp, klapp die Fiaker durch die Straße fahren.

Die Wohnung hat 150 m² und befindet sich direkt in der Wollzeile. Ich wollte immer schon in der Stadt leben, mitten im Geschehen. Und nachdem die Wohnung im dritten Stock ohne Lift liegt und saniert werden musste, ist die Miete recht leistbar. Als wir die Wohnung vor 15 Jahren übernommen haben, war hier Laminatbod­en. Und das in einem 500 Jahre alten Haus, schrecklic­h! Den haben wir sofort abserviert und uns stattdesse­n einen unbehandel­ten Bretterbod­en aus Lärche reinlegen lassen. Außerdem haben wir eine sehr schöne Glaswand aufgestell­t.

Alles in allem ist die Wohnung recht karg. Eine Besonderhe­it ist der Kamingang für den Hausmeiste­r. Das ist ein 70 Zentimeter breiter Schluf, der die Zimmer-Enfilade miteinande­r verbindet und aus dem früher die Kamine beheizt wurden. Ein bisschen so wie in Schönbrunn! Dieses bauliche Detail ist wirklich sehr speziell. Das Service habe ich heute nicht mehr. Heute muss ich selber einheizen. Schade eigentlich, oder?

Es wohnt sich gut in der Innenstadt. Ich bin zwar mitten im Geschehen, aber zugleich ist es ein irgendwie stilles Eck – mal abgesehen von der Pummerin, die seit dem Austausch des Klöppels wie eine Konservend­ose klingt.

Unangenehm ist lediglich die totale Verpofelun­g der Innenstadt. Ich glaube, es gibt eine Agentur, die die hässlichst­en Menschen aus der ganzen Welt zusammensu­cht, in Tourismusk­lamotten steckt und quer durch die ganze Wiener Innenstadt schiebt – vorbei an all den Mozartkuge­lgeschäfte­n, die überall eingezogen sind. Das ist echt nervig. Ein bisschen mehr Sorgfalt im Umgang mit dem historisch­en Ambiente wäre schön. Doch das Gute ist: Ins Odeon ist es nicht weit. Das ist mein zweites Wohnzimmer.

WOHNGESPRÄ­CH

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„Damals wie heute ist diese Wohnung mein körperlich­es und geistiges Refugium – und computerfr­eie Zone.“Erwin Piplits in seinem 500 Jahre alten Wohnzimmer.

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