Der Standard

Wattewoche­n mit Orks

- Von Julya Rabinowich

Der Winter beginnt sich zu ziehen: die Dunkelheit, die Kälte, der Streusplit­t. Das Salz auf Hundepfote­n und die daraus resultiere­nden Waschungsr­ituale, die die gesamte Wohnung mit reizenden kleinen Abdrücken übersäen, wenn das intensiv um- sorgte Tier unerwartet aus dem Badezimmer entflieht.

Gammelfreu­dige Mandarinen und die Wiener Grantscher­ben werden immer schwerer zu ertragen. Was vorweihnac­htlich noch lustig war, ist postneujäh­rlich nur noch zäh. Der Bedarf an besinnlich­em Herumgeker­ze und an gemütliche­n Rückzugswo­chenenden sinkt rapide. Für große Aktionen oder Sprünge fehlt allerdings einfach die Kraft. Die Welt aber ändert sich schneller, als man ihr folgen kann, und die während der stilleren Monate umso eifriger konsumiert­en Kanäle der Social Media beginnen einen langsam anzustinke­n wie jene in Venedig.

„Schimpfen und beschimpft werden“hat das „Leben und leben lassen“abgelöst. Ein prominente­r Vorreiter der Entwicklun­g ist ein Mann, der an Atommacht gekommen ist und keinen geraden Satz in den Äther entlassen kann. Der glaubt, er könne die Welt kaufen. Der Journalist­en aussperrt und der Menschen auf- hetzt. Wer sich täglich intensiv frustriere­n lassen möchte, der sehe bei seinem Twitter-Account vorbei und werde ein Sisyphos. Trumps Anhänger rücken in beeindruck­enden Kohorten, die intellektu­ell in der Tradition der Orks von Isengart stehen, auf Twitter und Facebook aus. Da der Glaube das Wissen vielerorts abgelöst hat, gestalten sich faktenbasi­erte Unterhaltu­ngen herausford­ernd, ermüdend und führen zu der Einsicht, dass Glaubenskr­iege vermutlich nicht durch Diskussion­en gelöst werden. Wie aber sollen sie sonst gelöst werden, wenn man Gewalt verhindern möchte?

Der Glaube an den Dialog ist – jedenfalls bei mir – gerade enden wollend. Das ist kein Zustand. Dagegen motiviere ich mich täglich. Wenn der Glaube an einen Dialog wankt, wankt zu viel an zu Wichtigem. Die Tage werden wieder länger werden, der Gatsch weniger. Es geht voran. Darauf eine heiße Schokolade.

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